Verein für Stadt- und Regionalgeschichte für Erhalt des Böckle-Hauses in Bretten
"Historisch schmerzhaften Kahlschlag verhindern!"

So könnte eine Sanierung mit Fachwerkfreilegung aussehen. Rekonstruktion von Christopher Retsch aufgrund eines Wärmebildes der Fassade.  | Foto: Verein für Stadt- und Regionalgeschichte Bretten
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  • So könnte eine Sanierung mit Fachwerkfreilegung aussehen. Rekonstruktion von Christopher Retsch aufgrund eines Wärmebildes der Fassade.
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Bretten (ger) Im Zuge der Sporgassen-Bebauung soll das so genannte Böckle-Haus sowie die beiden Häuser daneben an der Kreuzung zur Weißhofer Straße abgerissen werden. Als Grund nennt die Verwaltung eine Verbreiterung der Straße, die dem Autoverkehr, vor allem Bussen, das Abbiegen erleichtern soll. Nach der Gemeinderatsfraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht sich jetzt auch der Verein für Stadt- und Regionalgeschichte Bretten in einem Schreiben an die Brettener Woche für den Erhalt des Gebäudes aus.

Besondere historische Dimension des Gebäudes

Für den Verein sei der Einsatz für die Erhaltung und Pflege des geistigen, kulturellen und materiellen Erbes der Stadt ein satzungsgemäßes Ziel. „Daher fühlen wir uns verpflichtet, auf die besondere historische Dimension dieser Gebäude hinzuweisen. Mit jedem Hausabriss geht unwiederbringlich ein Stück Stadtgeschichte verloren“, heißt es in dem Schreiben, das der Vorsitzende Wolfgang Stoll stellvertretend für den Verein unterzeichnet hat. Der Verlust historischer Bausubstanz seit 1945 sei in Bretten ohnehin beträchtlich und schockierend.

Geschichte des Hauses

Zur Untermauerung seiner Forderung führt der Verein die Historie des Böckle-Hauses an, die sich bis in das 17. Jahrhundert in die Zeit des Dreißigjährigen Krieges zurückverfolgen lässt. Nach dem Stadtbrand 1689 wurde das Areal um 1722 in traditioneller Fachwerk-Bauweise wieder neu bebaut. Bis ins Jahr 1920 wurde es als Gasthaus „Weißes Ross“ bewirtschaftet. Unter dem Haus befindet sich heute noch einer der größten Gewölbekeller der Stadt. Das im Volksmund „Rössle“ genannte Gasthaus spielte für die Stadtgeschichte zeitweilig eine recht bedeutsame Rolle. Hier traf sich neben den Gasthäusern „Pfälzer Hof“ und „Republik“ während der Revolution 1848/1849 der sogenannte Volksverein, deren Mitglieder die Gründung einer Republik mit demokratisch gewählten Volksvertretern anstrebten. 1866 übernahm der Bierbrauer und Gastwirt Emil Mondon, der zugewanderte Sohn eines Waldenser-Pfarrers, die Wirtschaft und nannte sie in „Zähringer Hof“ um. Ab 1871 übernahm die Familie Böckle das Haus, in dem sie schon länger eine Bäckerei betrieb. In einem Nebengebäude des Areals montierte 1876 Carl Andreas Neff mit seiner Schlosserei im Böckle-Haus seinen ersten Kohleherd. Es war die Geburtsstunde der späteren Neff-Werke und der Beginn eines bis heute anhaltenden wichtigen Teils der Brettener Industriegeschichte.

Zustimmung für Vorschlag der Grünen

Dem Vorschlag der Grünen steht der Verein sehr positiv gegenüber, zeige er doch, „wie mit relativ wenig baulichem Aufwand und geringen Kosten der historisch schmerzhafte Kahlschlag vermieden werden kann. Durch den Wegfall der eigenständigen Rechtsabbiegespur von der Sporgasse in die Weißhoferstraße lassen sich die drei Spuren auf zwei reduzieren und der gewünschte Kurvenradius wesentlich verbessern.“

„Stadtprägende bauliche Schönheit sieht anders aus“

Der gesamte Kreuzungsbereich sei städtebaulich wahrlich kein Meisterwerk. „Stadtprägende bauliche Schönheit sieht anders aus.“ Durch den Erhalt der Gebäude und einer fachgerecht durchgeführten Sanierung mit Freilegen der Fachwerkstruktur am Eckhaus könnte ein beeindruckendes Ensemble der drei der Stadt gehörenden Gebäude entstehen.

Areal verkörpert Stück Identität und Tradition

Als Beispiele gelungener, stadtbildprägender Sanierungen in der Stadt führt der Verein den Schweizer Hof und das Gerberhaus auf und lenkt den Blick auch nach Oberderdingen oder Eppingen, „wo jahrhundertealte Gebäude beispielgebend restauriert wurden.“ Neben Wohnraum könne man sich an dieser Stelle direkt am Eingang zur Altstadt viele Nutzungsmöglichkeiten vorstellen, von denen alle etwas hätten, etwa "ein Bürger-Haus, in dem sich die Generationen begegnen, ein Lesecafé, eine Akademie für Ältere oder ein Zentrum für kulturelle Veranstaltungen."  Das gesamte Areal verkörpere ein wichtiges Stück der Identität und Tradition der Melanchthonstadt im 18. und 19. Jahrhundert. Mit der in Kürze geplanten Besichtigung der Stadt mit dem Landesamt für Denkmalpflege sei ein richtiger Schritt eingeleitet. „Ohne eine bauhistorisch unabhängige externe Expertise sollte keine Entscheidung getroffen werden“, mahnt der Verein und appelliert an Oberbürgermeister Martin Wolff, an die Verantwortlichen der Stadt und den Gemeinderat, sich für einen Erhalt des „Böckle-Hauses“ und den sich daraus ergebenden Möglichkeiten zu öffnen. ger

So könnte eine Sanierung mit Fachwerkfreilegung aussehen. Rekonstruktion von Christopher Retsch aufgrund eines Wärmebildes der Fassade.  | Foto: Verein für Stadt- und Regionalgeschichte Bretten
Für einen Erhalt des Böckle-Hauses plädiert auch der Verein für Stadt- und Regionalgeschichte Bretten.  | Foto: archiv
Autor:

Katrin Gerweck aus Bretten

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