Mangel trotz „Überversorgung”: Brettener Kinderarzt kritisiert Kassenärztliche Vereinigung
Dass es in Bretten zu wenige Fachärzte gibt, darüber sind sich die Brettener Verwaltung, Bürger und auch die ansässigen Mediziner einig. Dem Kinderarzt Dr. Roland Knecht von der einzigen Brettener Kinderarztpraxis Dr. Knecht und Dr. Gelb ist es nun gelungen, für ein Jahr einen dritten Kollegen einzustellen.
Bretten (hk) Dass es in Bretten zu wenige Fachärzten gibt, darüber sind sich die Brettener Verwaltung, Bürger und auch die ansässigen Mediziner einig. Bereits mehrfach räumte Oberbürgermeister Martin Wolff in den vergangenen Monaten diesen Mangel ein, erklärte aber gleichzeitig, dass alle seine bisherigen Anstrengungen neue Mediziner in die Melanchthonstadt zu holen, vergebens waren. Umso größer ist daher der Erfolg zu werten, dass es dem Kinderarzt Dr. Roland Knecht von der einzigen Brettener Kinderarztpraxis Dr. Knecht und Gelb gelungen ist, für ein Jahr einen dritten Kollegen einzustellen.
Landkreis ist mit 160 Prozent überversorgt
Fragt man bei der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg (KVBW) nach, die den Ärztebedarf für den Landkreis Karlsruhe festlegt, wäre diese zusätzliche Anstellung allerdings überhaupt nicht nötig. Nach Aussage von Eva Frien von der Stabsstelle Öffentlichkeitsarbeit der KVBW ist der Landkreis Karlsruhe laut Bedarfsplanung für Kinder- und Jugendärzte mit einem Versorgungsgrad von 160 Prozent überversorgt. Wie viele Kinderärzte benötigt werden, wird in der Bedarfsplanung mit Hilfe einer Verhältniszahl ausgedrückt. Diese liegt für die Gruppe der Kinderärzte im Landkreis bei 4.372. Das bedeutet, auf 4.372 Einwohner zwischen null und 18 Jahren entfällt ein Kinderarzt (Stand Oktober 2017). Insofern, so Frien, sei Bretten entsprechend seiner Einwohner im Alter zwischen null und 18 Jahren mit zwei Kinderärzten in Vollzeit, was zwei sogenannten Kassensitzen entspricht, nicht unterversorgt. Infolge dieser statistischen Überversorgung ist der Landkreis für eine Neuansiedlung von Fach- und somit auch Kinderärzten eigentlich gesperrt. Die Neuansiedlung eines Facharztes in Bretten ist nur möglich, wenn man im Landkreis niedergelassene Fachärzte aus anderen Städten oder Gemeinden abwirbt. Zudem können sich Fachärzte in Bretten neu niederlassen, wenn ein anderer Arzt seine Zulassung zurückgibt, beispielsweise durch Ruhestand oder durch Verkauf.
Trotz Überversorgung ist Bedarf da
Nach Ansicht des Brettener Kinderarztes Dr. Roland Knecht ist der Bedarf aber dennoch da, auch wenn es sich statistisch anders darstellt. Im Fall seiner Gemeinschafts-praxis begründet er dies damit, dass neben den haus- und kinderärztlichen Tätigkeiten dort auch weitere medizinische Bereiche abgedeckt werden. So setzt sein Praxiskollege Dr. Matthias Gelb einen Schwerpunkt auf Sozialpädiatrie und ADHS, Knecht selbst ist zudem niedergelassen als Pädiatrischer Pneumologe und spezialisiert auf Allergologie. „Das heißt, wir bekommen zusätzlich regelmäßig Patienten mit spezieller Fragestellung von Haus- und Kinderärzten überwiesen.“ Folglich wird die sowieso schon hohe Auslastung der Gemeinschaftspraxis durch diese Überweisungen weiter ausgereizt. Vor diesem Hintergrund hat Knecht mehrere Versuche gestartet, um einen neuen Kollegen zu gewinnen. Als 2015 die bis dahin zweite Brettener Kinderarzt-Praxis von Dr. Wolfhard Weihmann aus Altersgründen und wegen fehlender Nachfolge dauerhaft geschlossen werden musste, bemühte sich Knecht um den Erhalt des dritten Kassensitzes, zog sich dann aber wieder zurück. „Hätten wir den Kassensitz von Dr. Weihmann damals übernommen, hätten wir ihn innerhalb von sechs Monaten besetzen müssen“, erklärt Knecht. Da die Praxis zum Versorgungsbereich Karlsruhe-Land gehört, sei ein Kinderarzt, der in Zukunft den Kassensitz übernehmen will, nicht dazu verpflichtet, sich in Bretten niederzulassen, erklärt Frien: „Das bedeutet, der Kassensitz ist im Landkreis erhalten geblieben, aber nicht in Bretten.“
Kassensitz im Enzkreis steht zum Verkauf
2016 bekam Knecht dann die Chance, einen dritten Kollegen in Vollzeit als Partner in die Gemeinschaftspraxis zu übernehmen. Für die Praxis sei das insofern interessant gewesen, als der neue Partner auch Kinderpneumologe und Allergologe ist und somit den Schwerpunkt der Praxis hätte unterstützen und langfristig übernehmen können. „Auf Anfrage bei der KV-Niederlassungsberatung wurde uns jedoch keinerlei Chance auf einen dritten Kassensitz eingeräumt.“ Abgewiesen worden sei er mit dem Verweis auf die Überversorgung. Außerdem stehe doch im Enzkreis gerade ein Kassensitz zum Verkauf, habe die KV ihm erklärt. „Dass dieser Sitz jedoch nicht nach Bretten transferiert werden kann, interessiert den Zulassungsausschuss nicht“, so Knecht.
„Eine langfristige Lösung ist dies nicht“
Besonders dringend sei die zusätzliche Unterstützung gewesen, nachdem Kinderarztpraxen ein Rundschreiben der KV erhalten haben mit der Bitte, noch mehr Kinder aufzunehmen. Schließlich ist es Knecht aber doch noch gelungen, den dritten Kollegen nach Bretten zu holen. „Ich weiß nicht, wie viele Stunden ich mit der KV telefoniert habe, bis ich eine Idee entwickeln konnte, wie man denn hier einen zusätzlichen Kollegen aufnehmen könnte“, schmunzelt Knecht. Sein Kniff: Der neue Kinderarzt Dr. Johannes Pfeil ist nun als Arzt in Ausbildung in der Gemeinschaftspraxis tätig. Als Weiterbildungsassistent will er die Zusatzbezeichnung Kinderpneumologie erwerben. Aus diesem Grund habe die KVBW der Praxis eine Genehmigung zur Einstellung erteilt. Trotz seines Erfolgs bleibt Knecht mit Blick auf die befristete Einstellung des neuen Kollegen skeptisch: „Eine langfristige Lösung ist dies natürlich nicht.“
Autor:Havva Keskin aus Bretten |
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