Stadtwerke Bretten rechnen mit deutlichem Verlust
Verdopplung der Energiepreise befürchtet

Auch die Stadtwerke Bretten müssen teilweise Gas zu hohen Preisen nachkaufen. Foto: archiv
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Bretten (ger/swiz) Verbraucher und Wirtschaft treibt die Angst vor einem Gasmangel gleichsam die Sorgenfalten auf die Stirn. Die Furcht vor kalten Wohnungen und dem Einbruch von Produktionsketten ist in den Medien und bei Gesprächen im Privaten und der Politik allgegenwärtig. Nach Meinung des Chefs der Stadtwerke Bretten, Stefan Kleck, ist diese Sorge nicht unbegründet, die Schwere der Krise hänge jedoch von mehreren Faktoren ab. "Es kommt darauf an, ob und wie viel Gas uns Russland nach der Wartung der Pipeline "NordStream eins" liefert. Sollte kein Gas mehr kommen, dann gehe ich von einer sehr ernsten und schwierigen Lage in diesem und dem nächsten Winter aus." Denn dann, so Kleck, werde tatsächlich ein Teil der Industrie abgeschaltet. Und auch für den privaten Sektor gibt Kleck nur teilweise Entwarnung. Haushalte seien zwar geschützte Kunden. "Diese werden aber in irgendeiner Form auch einen Einsparbeitrag bringen müssen und vor allem wird es sehr teuer werden." Von der baden-württembergischen Landesregierung sind jetzt in Vorbereitung zum Gasgipfel, der am 25. Juli mit Kommunen, Wirtschaft und Versorgern stattfinden soll, Vorschläge zum Gassparen veröffentlicht worden.

Schwimmbad "abstellen" geht nicht

Darin wird unter anderem geraten, die Heizung um ein bis zwei Grad herunter zu regeln. Doch kann das wirklich den gewünschten Effekt bringen oder ist es nur ein Tropfen auf den heißen Stein, wenn das Gas aus Russland wirklich gänzlich ausbleibt? "In einer Gasmangellage sind das auf jeden Fall wichtige Beiträge. Jedes Grad reduzierte Temperatur bringt circa fünf Prozent Energieeinsparung. Auch die Absenkung der Warmwassertemperatur und kürzeres Duschen bringen kleine Beiträge. Sicher kann auch die Temperatur in Büros abgesenkt werden", so Kleck. Auch in Schwimmbädern könnten Kommunen die Wassertemperatur absenken. "Das haben wir im Brettener Hallenbad bereits getan, im Freibad benötigen wir gar kein Gas", so der Stadtwerke-Chef. Ganz einfach das Schwimmbad "abstellen", könne man dagegen nicht. "Das würde zu großen Schäden an Becken, Gebäude und Technik führen."

"Energieabrechnung kann sich verdoppeln"

Neben den Ideen zum Energiesparen treiben die Stadtwerke Bretten aber auch die eigenen wirtschaftlichen Sorgen um. So müssen Stadtwerke derzeit landesweit zu stark steigenden Preisen am Energiemarkt einkaufen, können diese Preise aber nicht eins zu eins an die Kunden weitergeben. "Für die Stadtwerke ist es ein schwieriges Jahr. Tatsächlich müssen wir teils Mengen zu hohen Preisen nachkaufen. Daher werden wir 2022 auf jeden Fall mit einem deutlichen Verlust abschließen", betont Kleck. Mit Unterstützung der Stadt als Gesellschafter stehe man aber trotzdem momentan stabil da.
Aber auch, wenn die Kunden die explodierenden Preise nicht eins zu eins weitergereicht bekommen, müssen sich die Abnehmer auf deutlich steigende Preise einstellen, so Kleck. "Nach aktuellem Stand gehe ich davon aus, dass sich die Energieabrechnung für Strom und Gas insgesamt im Jahr 2023 in etwa verdoppeln wird. Sollten die Preise noch weiter steigen, kann es auch etwas mehr werden."

"Müssen darauf achten, dass Stadtwerke nicht pleite gehen"

Die Gefahr der Preissteigerung sieht auch der Brettener Oberbürgermeister Martin Wolff, betont aber: "Wir müssen auch darauf achten, dass die Stadtwerke nicht pleite gehen." Daher müssten die teuren Einkaufspreise auch in Teilen an die Kunden weitergegeben werden. "Wir müssen schauen, dass das Delta nicht zu groß wird." Bei der Stadt selbst eruiere man derzeit die eigenen Sparpotentiale beim Thema Energie. Zudem übe man bei der Energieversorgung auch den Schulterschluss mit den Städten Bruchsal und Ettlingen, mit denen Bretten in der BBE Energie GmbH, einem Zusammenschluss der Stadtwerke Bretten, Bruchsal und Ettlingen, vereint ist.

Auch Neff hat Energie-Sparplan

Auch bei der Firma Neff in Bretten hat man das Thema Energiekrise schon seit geraumer Zeit im Blick, wie ein Sprecher des Mutterkonzerns BSH auf Anfrage mitteilt. "Die BSH mit ihrem globalen Produktionsverbund beschäftigt sich bereits seit Monaten intensiv mit dem Thema der drohenden Gasknappheit". Das Neff-Werk in Bretten treffe die Entscheidung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz, die zweite Stufe des dreistufigen Notfallplans Gas auszurufen, daher keineswegs unvorbereitet. So werde man mit mehreren, bereits umgesetzten und noch geplanten Maßnahmen Gas einsparen. Dazu zähle die Abschaltung der Gebäudeheizung in den Sommermonaten (Einsparung rund 500 MWh), die Absenkung der Raumtemperaturen um zwei Grad ab Oktober (Einsparung rund 700 MWh) und das Abschaltmanagement der Prozessöfen (Bessere Taktung, kein Vorheizen). Damit sparen man noch einmal rund 400 MWh ein, so der Sprecher weiter. "Somit können kurzfristig rund 1,6 GWh Energieverbrauch eingespart werden." Und weitere Maßnahmen seien aktuell bereits in der Evaluation.

Harsch analysiert und prüft Verbräuche

Bislang liegt der Gesamtbedarf der Energie bei Neff in Bretten übrigens bei rund 31 GWh, wovon nach Angaben des Unternehmens circa 45 Prozent mit grünem Strom (CO2-frei) gedeckt werden. Ab 2023 werde zudem über eine GWh Strom über eine Photovoltaik-Anlage eigenproduziert. "Rund 54 Prozent des Gesamtbedarfs wurden bislang über Gas abgedeckt. Am Standort Bretten wird Gas insbesondere für die Erzeugung von Prozess- und Heizwärme benötigt", so der Sprecher. Bei der Brettener Baufirma Harsch prüft und analysiert man derzeit noch die Energieverbräuche in der gesamten Firmengruppe, teilt ein Sprecher auf Anfrage mit. "Daraus ergibt sich, wo und in welcher Form Einsparungen sowohl kurz- als auch mittelfristig möglich sind." Klar sei aber, dass die Energiekrise und die damit einhergehenden Kostensteigerungen, die Industrie schon jetzt belasten würden. Bei Harsch werde man nun, neben den allgemeinen Überlegungen zur Energieeinsparung, die Ergebnisse der Beratungen in der Hauptstadt abwarten. "Im Rahmen der Umsetzung des Energiesicherungsgesetzes laufen derzeit in Berlin zwischen der Politik und den Spitzenverbänden aller Industrien Koordinationsgespräche."

Autor:

Christian Schweizer aus Bretten

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