Schwangerschaft und Geburt in Corona-Zeiten
Ausnahmezustand auch im Kreißsaal
Bretten (ger/hk) „Ich bin froh, dass es mein zweites und nicht mein erstes Kind war. So wusste ich, was auf mich zukommt und fand es nicht ganz so schlimm, dass mein Mann nur ganz zum Schluss dazu durfte“, fasst Jacqueline Knössel aus Neibsheim ihre ganz aktuelle Geburtserfahrung zusammen. Sie hat am 8. April den kleinen Luan auf die Welt gebracht – zu einer Zeit also, als aufgrund der Corona-Pandemie bereits der Ausnahmezustand in ganz Deutschland, ja in weiten Teilen der Welt herrschte. Und dieser Ausnahmezustand macht selbstredend auch vor den Türen eines Kreißsaals nicht Halt. Darüber macht sich auch die 27-jährige Paulina B. (Name von der Redaktion geändert) aus Bretten zurzeit viele Gedanken. In sieben Monaten, im November also, wird sie ihr Neugeborenes in den Armen halten. „Als der Schwangerschafts-Test positiv ausfiel, war mein erster Gedanke: Bis dahin wird sich die Lage hoffentlich entspannt haben.“ Doch das unsichere Gefühl ließ nicht lange auf sich warten: Was, wenn erst im Herbst der Höhepunkt der Corona-Pandemie erreicht wird? Dass dann ihr Ehemann nicht mit zur Geburt darf, sei ihre größte Angst: „Ich kann es mir nicht vorstellen, diesen Weg alleine zu gehen“, sagt sie bedrückt und fügt hinzu: „Ich finde es jetzt ja schon schlimm genug, dass ich alleine zum Arzt gehen muss. Selbst beim ersten Abhören des Herztons durfte mein Mann nicht dabei sein.“
„Müssen Hausbesuche so kurz wie möglich halten“
Hinzu kommen die Sorgen, die man als werdende Eltern sowieso schon hat, die aber bedingt durch die Neuartigkeit des Coronavirus noch größer werden. Denn viele Fakten über das Virus sind noch unbekannt, zum Beispiel, wie stark gefährdet Neugeborene und Säuglinge sind. Laut Manuela Röse, freiberufliche Hebamme, sei unter Müttern die größte Angst, dass sie sich im Krankenhaus mit dem Virus infizieren und dieses auf das Kind übertragen. Studien würden zumindest schon belegen, dass stillende Mamas das Virus über die Muttermilch nicht übertragen könnten. Durch die Corona-Pandemie habe sich für Röse vieles verändert: „Die Herzlichkeit fehlt mir sehr. Normalerweise bin ich mit den Müttern sehr eng verbunden. Nun müssen wir die Hausbesuche so kurz wie möglich halten“, bedauert sie.
„Warum sollte also gerade mir etwas passieren?“
Eine willkommene Ablenkung in Momenten der Unsicherheit sind für Paulina B. die sozialen Medien. Dort findet sie den Austausch mit anderen Mamas, der ihr gerade im realen Leben fehlt. „Auf Facebook lese ich in Mama-Gruppen, wie bei anderen in Zeiten von Corona alles gut gegangen ist. Und dann denke ich mir, warum sollte also gerade mir etwas passieren? Das motiviert mich“, sagt sie lächelnd.
Auch Jacqueline Knössel verunsichert manches an der Situation. Für sie war die Empfehlung, Enkel und Großeltern nicht zusammenkommen zu lassen, schlicht unpraktikabel. Der Kindergarten ist geschlossen, ihr vierjähriger Sohn Lian also zu Hause. Eigentlich kein Problem, denn die 29-jährige Versicherungskauffrau ist seit Mitte Februar im Mutterschutz. Aber wohin mit dem Kind, wenn „es losgeht“? Es gab keine andere Möglichkeit, als den großen Bruder Lian bei Oma und Opa unterzubringen. Bei Paulina B. würde der Patenonkel auf ihren zweijährigen Erstgeborenen aufpassen.
Papa durfte nur eine Viertelstunde dabeibleiben
Bei Jacqueline Knössel war es soweit, als sie einen Termin beim Arzt in Bretten hatte: Die Sprechstundenhilfe hatte sie nochmals für eine halbe Stunde weggeschickt, und sie wollte noch Besorgungen machen, als die Fruchtblase platzte. Also ließ sie sich von ihrem Mann Timo nach Karlsruhe-Rüppurr in die Klinik fahren. Während Timo bei der ersten Entbindung von Anfang bis Ende dabei war, durfte er diesmal nur in der allerletzten Phase in den Kreißsaal dazukommen. „Wenn man denkt, dass es viele Entbindungen gibt, die sich über Stunden hinziehen, kann das für eine Frau alleine schon schlimm sein“, findet Jacqueline Knössel. Als der kleine Luan da war, durfte der Papa nur noch eine Viertelstunde dabeibleiben und musste dann wieder gehen. So oder so ähnlich könnte es auch bei Paulina B. ablaufen, die eine Entbindung im Krankenhaus in Karlsruhe plant. Obwohl sie mit dem Gedanken gespielt habe, käme für sie eine Hausgeburt im Moment nicht infrage. „Meinen Sohn habe ich per Kaiserschnitt bekommen. Ich glaube, wenn ich schon eine natürliche Geburt erlebt hätte, wäre mir die Entscheidung leichter gefallen, ob ich das zweite Kind zu Hause auf die Welt bringe.“
Ruhe vor dem Sturm
Schon jetzt freue sie sich auf die „Ruhe nach dem Sturm“, sofern alles ohne Komplikationen verlaufe. Und sollten die Kontaktbeschränkungen im Herbst nicht gelockert werden, käme das Paulina B. ganz gelegen: „Ich bin ganz ehrlich: So habe ich meine Ruhe“, sagt sie mit einem Lachen. „Und so kann sich mein Zweijähriger ganz langsam an das Geschwisterchen gewöhnen. Wenn dann noch Großeltern, Freunde und Verwandte hier wären, hätten die ja nur Augen für das Baby. Ich glaube, das fände er nicht so toll“, sagt sie schmunzelnd.
„Meine Rückbildung werde ich wohl auch online machen“
Bis die Großeltern und der große Bruder, Luan persönlich kennenlernen konnten, vergingen noch einige Tage. Der Kleine wurde wegen einer Neugeborenen-Infektion ins Städtische Krankenhaus verlegt, wo nur die Mama bei ihm bleiben durfte. Immerhin konnte sie das neue Familienmitglied über Videotelefonie vorstellen. „Meine Rückbildung werde ich wohl auch online machen. Es gibt vom Krankenhaus schon Angebote, habe ich gesehen“, so Jacqueline Knössel.
Autor:Kraichgau News aus Bretten |
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