„Ohne Schule geht viel verloren“
Die Grundschule in Büchig bleibt dieses Schuljahr geschlossen

Die Martin-Judt-Grundschule in Büchig ist im gerade begonnenen Schuljahr verwaist. ger
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  • hochgeladen von Katrin Gerweck

Bretten-Büchig (ger) Eine „Katastrophenmeldung“ nennt Uve Vollers, Ortvorsteher von Büchig, die Nachricht, die ihn vergangene Woche erreicht hat: Die Martin-Judt-Grundschule im Ort bleibt im gerade begonnenen Schuljahr 2022/23 geschlossen. Grund ist, dass alle drei dort beschäftigten Lehrkräfte, also die beiden Lehrerinnen und die Schulleiterin, längerfristig ausfallen werden, was sich erst kurz vor Schulbeginn herausgestellt hat. „Damit bricht eine der Säulen unseres Dorflebens weg“, beklagt Vollers. „Es ist unser ganz großer Wunsch, dass die Grundschule nach diesem einen Jahr wieder anfährt.“ Jetzt aber gehen die Kinder der ersten, zweiten und dritten Klasse für ein Jahr auf die Grundschule Neibsheim, die Viertklässler besuchen die Johann-Peter-Hebel-Gemeinschaftsschule (JPH) in Bretten.

"Kombiklassen kann nicht jeder Anfänger"

Laut Kulturamtsleiter Bernhard Feineisen soll die Büchiger Grundschule das ganze Schuljahr über geschlossen bleiben. Man sei schnell übereingekommen, dass es so am besten sei, damit die Kinder nicht unterm Jahr wieder zurück wechseln müssten. Beim Infoabend für die Eltern hätte der Schulrat klargestellt, dass man für die Lehrkräfte nicht so einfach einen Ersatz bekäme. Auch unter dem Gesichtspunkt, dass es in den Dorfschulen häufig Kombiklassen gebe. Dabei werden in der Regel zwei Jahrgangsstufen zusammen unterrichtet, bisweilen in allen, oft in Nebenfächern. „Das ist anspruchsvoll. Das kann nicht jeder Anfänger“, so Feineisen. Zumal die Lehrerversorgung schon lange „auf Kante“ genäht sei.

"Sozialer Sprengstoff"

Vollers, selbst pensionierter Lehrer und jahrelanger Schulleiter an einer Grundschule in Bruchsal, weiß aus eigener Erfahrung, dass im Schulbetrieb immer wieder kurzfristig Lücken geschlossen werden müssen. In seinen Augen hätte man auch eine andere Lösung finden können. „Das jetzt spricht nicht für eine weitsichtige Planung unserer Kulturpolitik“, sagt er. Man hätte einen Konrektor abordnen können, um mit ebenfalls abgeordneten Lehrkräften den Betrieb vor Ort aufrechtzuhalten. Die Verwaltungsangestellte, die sich die Grundschulen Neibsheim und Büchig teilen, sei ja auch noch da und hätte bürokratische Aufgaben übernehmen können. „Viele im Ort sprechen mich an und manche sehen schon den Untergang des Abendlands“, beschreibt Vollers die Stimmung, die durch die globale Situation mit Pandemie, steigenden Energiepreisen und dem Krieg in der Ukraine ja schon belastet sei. „Das ist sozialer Sprengstoff“, resümiert er. Die Eltern hätten sich kritisch, aber fair geäußert, dafür sei er sehr dankbar. Den Lehrermangel im Blick, fordert Vollers eine notwendige Aufwertung des Lehrer-Images. „Die Zahlen der Studienanfänger gehen drastisch zurück. Das liegt am Gehalt, mit dem man kaum eine Familie ernähren kann, aber auch an der Entlassungspraxis über die Sommerferien. Wo bleibt da die Wertschätzung?“, fragt er und meint damit, dass befristet angestellte Lehrkräfte in Baden-Württemberg über die Sommerferien in die Arbeitslosigkeit geschickt werden.

Herausforderung Busfahren

Auch für die Kinder sei die Situation nicht einfach. Sie müssten nun mit dem Linienbus nach Neibsheim beziehungsweise nach Bretten fahren. „Für einen Sechsjährigen ist das schon eine Herausforderung“, merkt Vollers an. Aber was für die Sprantaler und Dürrenbüchiger Kinder schon lange Alltag ist – in den kleinsten Brettener Stadtteilen gibt es keine Schule – werden auch die kleinen Büchiger meistern, ist er sich sicher. Die Stadt hat die Eltern umfassend über die Buslinien informiert und hat dabei auch die besondere Verkehrssituation im Blick, versichert Feineisen. Durch die Sperrung der B35 zwischen Gondelsheim und Bretten rollt nämlich voraussichtlich noch bis Anfang Oktober unverhältnismäßig viel Verkehr durch Büchig und Neibsheim. Daher werde in der ersten Zeit das Ordnungsamt vor Ort sein, damit die Kinder sicher über die Straße kommen.

"Es ist schon sehr turbulent"

Manuela Grajer, Schulleiterin in Neibsheim, sieht auch in der Schülerbeförderung das größte Problem. Zu Beginn würden die Lehrerinnen die Kinder zum Bus begleiten, aber das könne man nicht das ganze Schuljahr über leisten. In Bezug auf das Organisatorische sagt sie am zweiten Schultag: „Es ist schon sehr turbulent.“ Sie habe erst vor einer Woche davon erfahren, dass die Büchiger Schüler nun nach Neibsheim kommen. Die Kinder habe man aber gut aufgefangen, sie habe den Eindruck, dass sie sich wohlfühlten. Mit den 20 Kindern mehr an der Schule gebe es nun eine erste und eine zweite Klasse statt einer Kombiklasse für beide Stufen. Das habe Grajer beim Schulamt auch für die Klassen drei und vier beantragt, wisse aber noch nicht, ob es klappe. Zum derzeit vierköpfigen Kollegium sind zur Verstärkung weitere drei Lehrkräfte abgeordnet worden, die alle nur je ein paar Stunden Deputat haben. Die sieben Viertklässler sind laut Rektor Wolfgang Halbeis schon ganz an der Hebelschule angekommen. „Wir haben alles getan, um ihnen einen guten Einstieg zu ermöglichen.“

„Sie vermissen ihre Schule schon“

Vergangenen Freitag hatte er die Kinder und ihre Eltern in die Schule eingeladen. Die Kinder hatten die Räumlichkeiten und ihre neue Lehrerin kennengelernt. Die sei eine, so Halbeis, „sehr gute, erfahrene Kraft, bei der alles wie auf Schienen läuft“. Die Eltern waren von Halbeis und der Elternvertreterin der jetzt 26 Schüler zählenden Klasse willkommen geheißen und mit weiteren Informationen versorgt worden. Natürlich sei es, so Halbeis, eine Umstellung, von einer kleinen Schule in eine viel größere zu kommen, zum Beispiel haben die Viertklässler nicht nur viel mehr Mitschüler in der Klasse, sondern auch zwei Parallelklassen. „Sie vermissen ihre Schule schon“, sagt er und fügt hinzu: „Es ist immer blöd, aus dem gewohnten Umfeld herausgerissen zu werden.“ Zu Beginn begleite ein Vater die Kinder im Bus und bringe sie bis zur Schule. Nach dem Unterricht geht Konrektorin Sandra Lamberger-Glaser mit ihnen zur Bushaltestelle, wo sie am ersten Schultag eine ausführliche Sicherheitseinweisung gegeben habe. „Die Büchiger sind eine tolle, motivierte Truppe, für die das alles auch ein kleines Abenteuer ist“, so Halbeis.

Schule hat wichtigen Stellenwert im Dorfleben

Uve Vollers will indessen alles dafür tun, dass die Schule in seinem Ort am Leben erhalten bleibt. „Es geht viel verloren ohne die Schule“, sagt er und denkt dabei nicht nur daran, dass der Pausenhof gerade erst saniert wurde. Die 47 Bauplätze im Neubaugebiet waren schnell verkauft, zum überwiegenden Teil an junge Familien, was auch an der guten Infrastruktur mit Kindergarten und Schule gelegen habe. „Man wird jetzt erst merken, welchen Stellenwert die Schule für das Dorfleben hat“, fürchtet Vollers. Kooperationen mit Vereinen, die ja auch dafür da sind, die Kinder im Ort zu halten, möchte er gerne erhalten. Dafür, dass Kinderturnen, Bläserklasse und Flötengruppe weiter in der Schule stattfinden können, hat er immerhin schon ein Kopfnicken von der Stadt bekommen.

Autor:

Katrin Gerweck aus Bretten

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