Interview mit dem Beauftragten für bürgerschaftliches Engagement
"Es wird unglaublich viel geleistet"

Lars Ramthun. Foto: Tom Rebel

Bretten (hk) Lars Ramthun ist der neue Beauftragte für bürgerschaftliches Engagement im Brettener Rathaus. Der gebürtige Karlsruher und Absolvent eines Lehramtsstudiums (Politikwissenschaft und Deutsch) an der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe hat sich bereits in seiner Bachelorarbeit mit dem Thema „Das bürgerschaftliche Engagement in der Zivilgesellschaft – aktuelle Herausforderungen und Zukunftsperspektiven“ beschäftigt. Im Interview mit der Brettener Woche/kraichgau.news spricht der 25-Jährige aus Baden-Baden über seine neue Funktion als Ansprechpartner für Brettener Vereine und Engagierte.

Herr Ramthun, wie sind Sie auf Bretten aufmerksam geworden und was hat Sie dazu bewogen die Stelle anzutreten?
Bretten kenne ich schon seit längerem, durch Freunde und Bekannte und durch mein Studium in Karlsruhe. Da ist es nicht wirklich weit bis nach Bretten. Und dann kam mir die Stellenausschreibung in die Hände. Weil ich sowieso gerne wieder zurück in die Heimat wollte – ich war zuletzt hauptsächlich in Freiburg tätig – hat mich die Stelle natürlich sofort angesprochen. Zum anderen habe ich meine Bachelorarbeit zum Thema bürgerschaftliches Engagement in der Zivilgesellschaft und den Herausforderungen für ebendieses geschrieben. Da hat die Stelle hier in Bretten super gepasst. Und das habe ich auch schon in den ersten Tagen hier gemerkt, dass ich mich inhaltlich nicht groß umgewöhnen muss, weil es genau das ist, was ich schon seit langem mache und was ich auch sehr gerne mache.

Was sind Ihre Aufgaben und wo sehen Sie den größten Handlungsbedarf?
Momentan ist die Engagement-Plattform, die Mitte des Jahres fertiggestellt wurde, ein wichtiges Thema. Diese möchte ich weiter ausbauen und Stück für Stück weiter in die Öffentlichkeit rücken. Aktuell befindet sich die Engagement-Plattform noch im Aufbau. Dazu stehe ich mit den Vereinen in Kontakt und wir versuchen dort möglichst viele Angebote des bürgerschaftlichen Engagements in Bretten zu sammeln. Ziel ist es aufzuzeigen, was Bretten alles kann.
Ein weiteres Thema ist die Öffentlichkeitsarbeit. Dazu haben wir als Stadt schon viele, tolle Ideen. Auf der Engagement-Plattform gibt es zum Beispiel eine Art Jobbörse für Engagementangebote in Vereinen. Diese möchten wir zum Beispiel auch „offline“ im Amtsblatt darstellen. Ich bin zudem auch der erste Ansprechpartner für Vereine in der Stadtverwaltung oder Freiwillige, die sich gerne in Bretten engagieren möchten. Mir persönlich ist es auch ganz wichtig, für Engagierte Fort- und Weiterbildungen zu organisieren, weil die Herausforderungen für Vereine und Organisationen von Jahr zu Jahr komplexer werden.
Es ist mir ein besonderes Anliegen, die bunt gemischte Brettener Engagement-Landschaft mit rund 200 Vereinen und Organisationen so zu unterstützen, dass sie weiterhin so gut und vor allem langfristig existieren kann. Und natürlich sind auch der Oberbürgermeister und der Bürgermeister sehr interessiert daran, dass das Engagement in Bretten weiterlebt, unter anderem deswegen hat man meine Stelle neu geschaffen – direkt im Büro des Oberbürgermeisters.
Mein zweiter Arbeitsbereich ist die Bürgerbeteiligung. Da geht es darum, Beteiligungsprozesse mitzugestalten. Momentan läuft ja die Weiterentwicklung von ISEK beziehungsweise ‚Zukunft: Bretten!‘ und genau solche Projekte mit Bürgerbeteiligung sind auch ein zukünftiger Bestandteil meiner Arbeit.

Großen Handlungsbedarf gibt es im Zusammenhang mit dem Thema Corona, worunter auch einige Brettener Organisationen und Vereine gelitten haben: Viele Organisationen haben durch den Lockdown Mitglieder verloren, die sich umorientiert haben. Und die Anzahl an Engagierten wird ja gleichzeitig nicht größer. Es gibt zwar auf der einen Seite immer mehr Angebote für Freiwillige, aber es gibt gleichzeitig nicht mehr Menschen als früher, die sich engagieren möchten. Da muss man ansetzen und gemeinsam Lösungen finden.
Ein weiteres, wichtiges Vorhaben ist der Engagement-Newsletter. Dieser soll aktuelle Informationen enthalten, die für Vereine relevant sind und auch eine Möglichkeit bieten, um Best-Practice-Beispiele auszutauschen.

Wie sieht die Zukunft des Ehrenamtes aus und welche neuen Formen des bürgerschaftlichen Engagements wird es geben?
Mit dieser Frage habe ich mich tatsächlich auch in meiner Bachelor-Arbeit beschäftigt. Am Anfang der Corona-Pandemie hat man diese wahnsinnige Hilfsbereitschaft sehr gut gesehen. Das war eine kurzfristige Engagement-Welle, die aber auch relativ schnell wieder abgeebbt ist. Das ist charakteristisch für eine neue Form von Engagement, die sehr kurzfristig ist. Und das wird uns künftig immer mehr begleiten. Viele Menschen wollen sich nicht mehr fest verpflichten. Es wirkt vielleicht für viele so, aber das traditionelle Ehrenamt wird nicht aussterben. Es wird aber in dieser Form nicht immer möglich sein, weil viele Bürger keine Zeit mehr dafür haben, weil sie beispielsweise trotz Home Office beruflich stark eingespannt sind. Diese starke gesellschaftliche Veränderung ist eine große Herausforderung für Vereine. Man muss versuchen, Bürger einzubinden, die nicht viel Zeit investieren können. Damit verbunden ist auch die Organisationsstruktur von Vereinen – es werden bei größeren Vereinen immer mehr gemeinnützige GmbHs gegründet, während die kleinen Vereine zusammenarbeiten oder sich zusammenschließen. Im Sportbereich ist das ja schon allgegenwärtig, dass man Spielgemeinschaften bildet. Das hängt aber auch damit zusammen, dass Herausforderungen für Ehrenamtliche größer werden und sie viel Verantwortung übernehmen müssen. Da kann es dann zu Einschnitten kommen oder man verteilt die Last durch Zusammenarbeit auf mehreren Schultern.

Aber gemeinsam etwas Gutes zu tun, das ist schon was Tolles. Und das ist auch das, was uns als Gesellschaft ausmacht. Vor allem im Vergleich zu anderen Ländern ist das ehrenamtliche Engagement in Deutschland wirklich etwas ganz Besonderes, welches es gilt zu erhalten. Man muss sich einfach mal vor Augen führen, wie viel in unserem Alltag ohne ehrenamtliches Engagement gar nicht möglich wäre. Egal, ob im Sportverein, im Naturschutz, im sozialen Bereich oder anderen Engagementbereichen – es wird unglaublich viel geleistet.

Die Fragen stellte Havva Keskin.

Autor:

Havva Keskin aus Bretten

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