Interview mit Dr. Bettina Sandritter
"Ohne eine vertrauensvolle Beziehung geht in der Krebsbehandlung nichts"

Dr. Bettina Sandritter leitet seit September die Onkologische Ambulanz an der Rechbergklinik Bretten.  | Foto: RKH Kliniken
  • Dr. Bettina Sandritter leitet seit September die Onkologische Ambulanz an der Rechbergklinik Bretten.
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Bretten (ger) Vor drei Monaten hat die onkologische Ambulanz an der RKH Rechbergklinik Bretten ihren Betrieb wieder aufgenommen. Die vom früheren Ärztlichen Direktor der Medizinischen Klinik, Prof. Dr. Martin Winkelmann, gegründete Ambulanz wird nun von Oberärztin Dr. Bettina Sandritter, Fachärztin für internistische Onkologie, Hämatologie und Palliativmedizin, geleitet. Im Gespräch mit der Brettener Woche/kraichgau.news stellt die Ärztin sich und ihre Station vor.

Frau Dr. Sandritter, Sie leiten seit September die onkologische Ambulanz an der RKH Rechbergklinik. Über welche Stationen sind Sie nach Bretten gelangt?
Bettina Sandritter: Ein langer Weg liegt hinter mir: Aufgewachsen in Freiburg, habe ich das Medizinstudium in Münster und Tübingen, die Ausbildung zur Internistin dann in Reutlingen absolviert, wo ich erstmals in der Onkologie arbeitete. Die Facharztausbildung zur „Onkologin und Hämatologin“ absolvierte ich dann über fast fünf Jahre am Robert-Bosch-Krankenhaus in Stuttgart, mit dem ich noch immer gerne eng zusammenarbeite. Die Palliativmedizin erlernte ich an der Uniklinik in Bonn und im St Christophers Hospice in London.

Welche Erkrankungen behandeln Sie in der Ambulanz mit welchen Methoden?
Wir können in der onkologischen Ambulanz in Bretten fast alle Krebserkrankungen behandeln, sowohl die „soliden Tumore“ – also Krebs in Organen wie Lunge, Brust, Darm, Magen, Prostata, Haut und so weiter – als auch Blutkrebserkrankungen wie chronische Leukämien und Lymphdrüsenkrebs. Ebenso auch die „gutartigen“ Bluterkrankungen. Die Therapien sind entweder die klassischen Chemotherapien in Form von Infusionen, oder – wie in den letzten Jahren immer mehr – in Form von Tabletten. Wir behandeln unsere Patienten auch mit den modernen „Immuntherapien“, teils in Kombination mit Chemotherapien, Antikörpertherapien und auch rein unterstützend mit zum Beispiel Bluttransfusionen.

Was sind die Vorteile einer ambulanten gegenüber einer stationären Behandlung?
Heutzutage sind erfreulicherweise kaum noch stationäre Behandlungen in der Onkologie notwendig. Nur bei sehr schwer kranken Menschen oder bei sehr aufwendigen oder langwierigen Therapien, müssen diese stationär verabreicht werden. Sogar große Therapien wie bei Hodenkrebs oder Lymphdrüsenkrebs sind heute auch bei uns in der Ambulanz möglich.
Der Vorteil ist klar: Wer will schon im Krankenhaus liegen? Gerade heute in den Pandemie-Zeiten ist es für viele Menschen wichtig, so kurz wie möglich in der Klinik sein zu müssen.

Sie sind Fachärztin für internistische Onkologie, Hämatologie und Palliativmedizin. Inwiefern hat sich Ihr Fachgebiet in den letzten Jahren verändert?
Ich arbeite seit 1994 ausschließlich in der Onkologie. Die Veränderungen, die in diesen 25 Jahren stattgefunden haben, sind unbeschreiblich und teils auch für uns noch unglaublich. Damals hatten wir zirka zehn Chemotherapeutika zur Verfügung, alles war sehr überschaubar. Seit den 2000er Jahren gibt es die „Antikörpertherapien“, die bestimmte Stoffe auf der Oberfläche von Tumorzellen angreifen, es gibt die „gezielten Therapien“, die Fehler in der Erbmasse von Tumoren angreifen und seit etwa fünf Jahren nun die wirklich revolutionäre „Immuntherapie“, die bewirkt, dass unser Immunsystem die Tumorzelle erkennt und somit angreifen und zerstören kann. Die Onkologie ist also unglaublich groß geworden, was aber für den einzelnen Arzt auch bedeutet, dass er sich immer und immer wieder fortbilden muss und mit den Kollegen der großen Kliniken zum Austausch in regelmäßigem Kontakt stehen sollte.

Sie verfolgen bei der Behandlung Ihrer Patientinnen und Patienten auch komplementärmedizinische Ansätze und legen großen Wert auf individuelle Betreuung. Würden Sie das bitte näher erläutern?
Die Komplementärmedizin, also die Medizin, die neben der Schulmedizin stehen sollte, ist bei vielen meiner Kollegen nicht unumstritten, aber bei den Patienten sehr beliebt. Das fängt bei Nahrungsergänzungsstoffen an und hört bei „Hand-Auflegen“ auf. Klassische Behandlungen sind zum Beispiel die Misteltherapie oder Vitaminergänzungen. Ich glaube, es ist wichtig für meine Patienten, dass sie wissen, dass ich die Komplementärmedizin nicht verurteile, sondern es gut finde, wenn jeder selbst etwas gegen seine Erkrankung und für die Gesundheit tut und die Schulmedizin damit unterstützt.
Allerdings sollte man vorsichtig sein: einige komplementäre Therapien sind kontraproduktiv und teils sogar schädlich, oder sie vermindern die Chemotherapiewirkung. Deshalb sollte der Patient immer ehrlich sagen, was er nimmt oder mit welchen Substanzen er sich anderweitig behandeln lässt.
Ich glaube, ganz ähnlich verhält es sich mit der individuellen und persönlichen Betreuung. Ohne eine vertrauensvolle Bindung, ein gutes zwischenmenschliches Verständnis und ohne den Respekt des Arztes für seinen Patienten, dessen Angehörige, seine ganz spezielle Situation, geht in der Krebsbehandlung „gar nichts“. Noch nicht einmal ein Auto würden Sie kaufen, wenn der Händler Ihnen nicht liegt und nicht auf Ihre Wünsche eingeht. Wie sollte dann die Krebsbehandlung funktionieren, wenn nicht ein grundlegendes Verständnis füreinander vorliegt? Das gilt übrigens auch für die Angehörigen: Auch sie müssen mit mir und meinem Konzept einverstanden sein, sonst wird es immer schwierig sein, gut mit dem Patienten zusammenzuarbeiten.

Die Fragen stellte Katrin Gerweck.

Autor:

Katrin Gerweck aus Bretten

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