Suchtberatung in Bretten: „Das ist, als ob das Klavier nur noch einen Ton spielt“

Susanne Striegel (links) und Gabriele Axter von der Suchtberatung in Bretten sprechen über ihre Arbeit, Wege aus der Sucht und die eigene Belastung in diesem Beruf.
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Susanne Striegel und Gabriele Axter von der Suchtberatung in Bretten sprechen über ihre Arbeit, Wege aus der Sucht und die eigene Belastung in diesem Beruf.

Bretten.
Wer kann alles zu Ihnen in die Suchtberatung kommen und was leisten Sie?
Grundsätzlich dürfen in unsere Suchtberatung alle Menschen, ob Erwachsene oder Jugendliche, kommen. Allerdings finden Jugendliche den Weg zu uns eher selten. Sie sind oftmals noch in einem Alter, wo bei ihnen das Gefühl vorherrscht, sie hätten doch alles im Griff. Besuche von Jugendlichen beruhen daher oft eher auf einem gewissen „Zwang“ durch Eltern, Lehrer oder auch die Jugendgerichtshilfe, die die Heranwachsenden an uns verweist. Wir machen Beratungstermine, haben aber auch offene Sprechstunden. Zu diesen können Suchtkranke selbst oder auch Angehörige kommen, die zum Beispiel eine Einschätzung wollen, ob jemand aus ihrem Umfeld an einer Sucht leidet. Ganz allgemein gesprochen, bieten wir Informationen zu Fragen über Alkohol, Medikamente, Glücksspiel, Medienabhängigkeit, Drogen und Nikotin.

Wie gehen die Jugendlichen dann bei Ihnen mit dem Thema „Sucht“ um?
Das ist kein einfacher Weg, denn an Jugendliche ist es schwer heranzukommen. Fachleute sprechen davon, dass es bei Jugendlichen drei bis fünf Jahre dauert, bis sie ihre Abhängigkeit erkennen, bei Erwachsenen dauert es acht bis zehn Jahre.

Welche Suchtkrankheiten sind bei ihnen in der Beratung am häufigsten präsent?
Trauriger Spitzenreiter ist der Alkohol, gefolgt von der Spielsucht, vor allem an Glücksspielautomaten. Danach kommen die Drogen, dann Medikamente und schließlich die Medienabhängigkeit.

Ab wann gilt denn jemand als suchtkrank? Gibt es da festgelegte Kriterien?
Es gibt verschiedene Warnzeichen, an denen man eine Sucht, zum Beispiel Alkoholismus, erkennen kann: Trinke ich regelmäßig, verliere ich beim Trinken oft das Maß oder hat sich mein Konsum immer weiter gesteigert? Suchtkranke vernachlässigen zudem oftmals ihre Arbeit, haben viele Fehltage und kappen mehr und mehr ihre sozialen Kontakte. Ich vergleiche das gerne mit Klaviertasten. In einem Leben ohne Sucht können die Menschen die verschiedensten Töne und Melodien auf einem Klavier spielen. Ein Suchtkranker kann das nicht, für ihn spielen alle Tasten den gleichen Ton. Hat man den Menschen das erfolgreich vor Augen geführt und eine Einsicht bei ihnen erreicht, ist der nächste Schritt eine Therapie. Und auch da stehen wir den Menschen zur Seite und helfen ihnen, die manchmal recht umfangreichen Antragsformulare richtig auszufüllen. Denn die Betroffenen stehen in dieser Phase natürlich unter einer enormen Anspannung.

Viele Menschen haben sich Angst, eine solche Sucht ihrem Arbeitgeber zu gestehen, aus Furcht vor Konsequenzen. Wie erleben Sie das bei ihren Klienten?
Zuerst einmal: Bei einer Sucht handelt es sich um eine anerkannte Krankheit. Von daher haben diese Leute einen Kündigungsschutz. Zudem haben wir es oft erlebt, dass der Arbeitgeber sehr positiv auf eine solches ‚Geständnis‘ reagiert, weil der Mitarbeiter sich seinen Problemen stellt. Dass bei dem betreffenden Mitarbeiter etwas nicht stimmt, hat ein Chef ja meistens auch schon wegen der hohen Zahl an Fehltagen mitbekommen.

Ist eine Sucht jemals vorbei oder ist das eine lebenslange Aufgabe?
Leider ist das eine lebenslange Aufgabe. Man darf und soll die Sucht zwar so gut wie komplett vergessen und aus seinem Alltag streichen. Aber ganz vergessen darf man sie nicht, sonst verharmlost man die Krankheit und sie kommt zurück. Gegen den Umgang mit dem Vergessen helfen auch Besuche in den Selbsthilfegruppen für Suchtkranke.

Sie haben in Bretten auch eine Gruppe für Kinder aus, wie Sie es beschreiben, belasteten Familien. Diese trifft sich alle 14 Tage montags, von 16 bis 18 Uhr in der Schulgasse 1. Was genau hat es damit auf sich?

Diese Gruppe gibt es jetzt schon seit zweieinhalb Jahren. Ziel ist es, dass die Kinder dort unbeschwert Spaß mit Kindern und Jugendlichen aus einer ähnlichen Familiensituation haben können. Sie lernen dort unter anderem aber auch, wie sie eigene Gefühle wahrnehmen und mit ihnen umgehen lernen können. Zudem soll durch die Gruppe ihr Selbstverstrauen gestärkt oder überhaupt erst aufgebaut werden. Ein positiver Nebeneffekt ist auch, dass die Eltern, die mit ihren Problemen ja ebenfalls in einer schwierigen Situation sind, ein bisschen entlastet werden. Wir organisieren sogar einen Fahrdienst, der die Kinder daheim abholt und nach der Gruppe wieder zurückbringt. Dennoch erreichen wir noch zu wenige Kinder und Eltern mit dieser Gruppe. Das wollen wir in der Zukunft gerne ändern.

Wie verarbeiten Sie denn selbst die vielen Geschichten und Probleme, die die Menschen bei Ihnen abladen?

Wir haben natürlich zum einen eine Supervision, also interne Beratungsstelle für die Mitarbeiter. Zum anderen reden wir aber auch im Team sehr viel miteinander, denn einige Schicksale gehen einem natürlich schon sehr nahe, zum Beispiel die Situation von manchen Jugendlichen. Allerdings bekommt man nach einer erfolgreichen Therapie auch viel Dank von den ehemaligen Süchtigen oder deren Angehörigen zurück.

Sie haben inzwischen viel Erfahrung mit dem Thema Sucht in Bretten. Weicht die Stadt ihrer Meinung nach in irgendeiner Form von der Regel ab?
Nein, Bretten weicht da in keiner Richtung ab. Was wir hier, wie aber auch bei anderen Suchtstellen bemerken, ist, dass inzwischen mehr Frauen den Weg in die Suchtberatung finden. Das heißt nicht, dass inzwischen mehr Frauen süchtig sind, sondern dass sie einfach häufiger den Mut fassen, diesen Schritt zu gehen und sich die Krankheit einzugestehen. Frauen sind da anders als Männer. Sie schaffen es oftmals viel länger, eine Sucht zu verheimlichen und den äußeren Schein zu wahren. Das hat auch viel mit Scham zu tun. Bis es dann irgendwann gar nicht mehr geht. Heute kommen die Frauen, Gott sei Dank, früher zu uns. Dennoch sind in Bretten rund 80 Prozent der Klienten männlich.

Die Fragen stellte Christian Schweizer

Info-Kasten:
Brettener Suchtberatung
Hermann-Beutenmüller-Straße 14, 75015 Bretten
Telefon: 07252 957007
Offene Sprechstunde am Mittwoch, 14 bis 16.30 Uhr oder nach Vereinbarung

Mehr Beiträge und Bilder auf unserer Themenseite In Bretten zuhause

Autor:

Christian Schweizer aus Bretten

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