Expertenrat zu allergischem Asthma

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Expertenrat zu allergischem Asthma - „Völlige Beschwerdefreiheit ist möglich“.

(pr-nrw) Der Atem pfeift, die Brust fühlt sich an wie zugeschnürt und ständig dieser Husten – Asthma bedeutet für Betroffene eine große gesundheitliche Belastung und eine erhebliche Einschränkung ihrer Lebensqualität. Bei Menschen mit allergischem Asthma sind es Allergene wie Pflanzenpollen, Tierhaare oder Hausstaubmilben, die eine Fehlreaktion ihres Immunsystems auslösen. Worauf es bei der Früherkennung und Behandlung von allergischem Asthma ankommt, dazu informierten Experten am Welt-Asthma-Tag Experten am Lesertelefon. Hier die wichtigsten Fragen und Antworten zum Nachlesen:

Mein Kind neigt zu Neurodermitis – wie kann ich verhindern, dass daraus irgendwann allergisches Asthma entsteht?
Prof. Dr. Andrea Koch: Neurodermitis zählt wie der Heuschnupfen oder die Nahrungsmittelallergie zu den atopischen Erkrankungen. Diese sind mit einer erblichen Veranlagung verbunden und treten familiär gehäuft auf – eine „Heilung“ im engeren Sinne gibt es nicht. Allergietests sind in jedem Fall sinnvoll, um zu ermitteln, worauf ihr Kind reagiert. Ihr Kinderarzt oder Dermatologe weiß, wie er die Neurodermitis behandeln kann. Im Rahmen eines so genannten Etagenwechsels kann sich zum Beispiel aus einem Heuschnupfen ein allergisches Asthma bronchiale entwickeln. Ich empfehle deshalb eine regelmäßige pneumologische Betreuung, um einen Etagenwechsel rechtzeitig zu erkennen. Ein Kinderpneumologe kann Ihnen bereits sehr früh eine entsprechende Hyposensibilisierungs-Therapie anbieten, damit die Ausprägung der Allergie und später das eventuell auftretende allergische Asthma bronchiale deutlich geringer ausfallen oder bestenfalls nahezu verschwinden.

Was sind außerdem frühe Anzeichen von allergischem Asthma?
Dr. med. Hartmut Timmermann: Klassischerweise treten Atemnot und ein Gefühl der Brustenge insbesondere bei körperlicher Belastung auf. Frühzeichen sind auch nächtliches Erwachen mit einem Luftnotgefühl. Im Kindesalter besonders häufig ist Reizhusten, insbesondere in der Nacht. Allerdings ist die Diagnose des allergischen Asthmas bei Kindern unter fünf bis sechs Jahren schwer zu stellen. Oft treten in diesem Alter Entzündungen der Bronchien auf, die Begleiterscheinungen von Infekten sind und nicht in Asthma bronchiale übergehen. Die diagnostische Abklärung gehört daher in die Hände eines erfahrenen Kinderpneumologen.

Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass allergisches Asthma vererbt wird und welche Risikofaktoren gibt es noch?
Prof. Dr. Marek Lommatzsch: Die erbliche Veranlagung ist ein wichtiger Risikofaktor. Je häufiger Allergien oder Asthma in der Familie vorkommen, desto größer ist das Risiko für diese Erkrankungen in den nachfolgenden Generationen. Aber auch Umweltfaktoren spielen eine sehr große Rolle. So verringert das Aufwachsen auf einem traditionellen Bauernhof das Risiko einer Entstehung von Asthma. Zigarettenrauch hingegen, virale Infektionen und allergische Erkrankungen der oberen Atemwege wie Heuschnupfen erhöhen das Asthma-Risiko.

Wie finde ich heraus, worauf ich allergisch reagiere?
Dr. med. Karin Burk: Wenn eine Katze vorbeiläuft und es zu Husten und Luftnot kommt, ist der Fall klar. So einfach ist es aber leider selten. Einen Hinweis auf die auslösenden Allergene kann die Jahreszeit liefern, in der die Beschwerden auftreten. Kommt es beispielsweise schon im Februar zu Allergiesymptomen, liegt der Verdacht auf eine Allergie gegen Frühblüher wie Birke, Erle oder Hasel nahe. Diagnostische Sicherheit bietet ein Allergietest, der meist als Hauttest durchgeführt wird. Wichtig für den behandelnden Arzt sind möglichst präzise Angaben darüber, bei welcher Gelegenheit und zu welchen Jahreszeiten die Symptome auftreten.

Ist allergisches Asthma immer chronisch oder kann es sich zurückbilden?
Prof. Lommatzsch: Asthma ist in den meisten Fällen eine chronische Erkrankung, die den Patienten das ganze Leben lang begleitet. Die Erkrankung ist jedoch nicht immer gleich stark ausgeprägt. Es kann sogar längere Phasen geben, in denen keine oder nur sehr wenige Symptome auftreten. Ziel der Behandlung ist es, die Symptome bestmöglich zu kontrollieren und den Betroffenen ein möglichst beschwerdefreies Leben zu ermöglichen.

Wie sieht die Behandlung von allergischem Asthma aus?
Prof. Koch: Um den passenden Therapieansatz zu finden untersucht der Lungenfacharzt unter anderem die Einschränkung der Lungenfunktion, den Schweregrad des Entzündungsprozesses in den Atemwegen, bestimmte Blutwerte sowie das Allergenspektrum. Je nach Ausprägung der Symptome und Einschränkung der Lungenfunktion wird er dann eine Behandlung gemäß der aktuellen Asthma-Leitlinie empfehlen. Meist beinhaltet die Therapie die Inhalation eines Kortisonpräparats zur Eindämmung der Entzündung sowie eines Beta-2-Sympathomimetikums, das die verkrampften Muskeln um die Bronchien entspannt und so zu einer Erweiterung der Atemwege führt. Bei schwereren Asthmaformen kommen zusätzlich weitere inhalative Medikamente in Betracht. Einen relativ neuen Therapieansatz bei schwerem Asthma verfolgen so genannte Biologika, die zielgerichtet ins Immunsystem eingreifen. Diese Therapien gehören in die Hände erfahrener Pneumologen und werden in spezialisierten Lungenzentren durchgeführt.

Gibt es Alternativen zur medikamentösen Behandlung?
Dr. Timmermann: Neben der Meidung der auslösenden Allergene und der medikamentösen Therapie spielt die Spezifische Immuntherapie eine wichtige Rolle, die auch Hyposensibilisierung genannt wird. Sie wirkt auf die Ursachen der Erkrankung ein, indem sie dem Körper die Immunreaktion auf eigentlich harmlose Substanzen wie Pollen „abtrainiert“. Ist das allergische Asthma medikamentös ausreichend behandelt und gut kontrolliert, besteht die Möglichkeit, den Patienten durch die Hyposensibilisierung weniger empfindlich gegenüber den seine Krankheit auslösenden Allergenen zu machen.

Wie muss ich mir eine Hyposensibilisierung vorstellen?
Prof. Koch: Die Hyposensibilisierung ist eine Art Impfung, bei der der Körper systematisch an ein Allergen gewöhnt wird. Das Allergen wird in kleinen Mengen über einen längeren Zeitraum im allgemeinen unter die Haut des Oberarms gespritzt. Für diese Therapieform liegen vergleichsweise die meisten Erfahrungen vor. Alternativ kann die Behandlung mit Tropfen oder Tabletten durchgeführt werden. Die Behandlung sollte von allergologisch erfahrenen Ärzten durchgeführt werden.

Wie sind die Erfolgsaussichten und wie lange dauert es, bis die Behandlung wirkt?
Dr. Burk: Der Erfolg einer Spezifischen Immuntherapie hängt unter anderem davon ab, gegen welche und wie viele Allergene die Therapie durchgeführt wird. Die Erfolgsaussichten sollten deshalb im Einzelfall mit dem Arzt besprochen werden. In der Regel dauert die Therapie drei Jahre und erfordert Durchhaltevermögen und Disziplin. Viele Patienten geben zu früh auf und verpassen die Chance, ihre Beschwerden dauerhaft loszuwerden. Übrigens: Auch wenn die Beschwerden schon während der Therapie nachlassen, sollte die Behandlung bis zum Schluss durchgeführt werden.

Kommt eine Hyposensibilisierung für alle Patienten in Betracht? Und wer übernimmt die Kosten?
Dr. Burk: Eine Hyposensibilisierung ist vor allem bei Heuschnupfen sinnvoll, um einen Etagenwechsel, also die Entstehung eines Asthma bronchiale, möglichst zu verhindern. Bei allergischem Asthma kann die Hyposensibilisierung dann indiziert sein, wenn die Krankheit noch nicht lange besteht und der Kontakt mit den auslösenden Allergenen nicht vermieden werden kann. Zudem sollte man auf möglichst wenig Stoffe allergisch reagieren und es sollte kein schweres oder unkontrolliertes Asthma vorliegen. Ob eine Hyposensibilisierung im Einzelfall indiziert ist und Aussicht auf Erfolg hat, muss mit dem behandelnden Arzt besprochen werden. Besteht eine Indikation, werden die Kosten sowohl von den gesetzlichen Krankenkassen als auch von den privaten Krankenversicherungen übernommen.

Ich habe nach wie vor Schwierigkeiten im Umgang mit meinen Asthmamedikamenten. Was raten Sie mir?
Prof. Lommatzsch: Nehmen Sie an einer Patientenschulung teil! Unter www.atemwegsliga.de finden Sie ein Verzeichnis der schulenden Arztpraxen – wobei Schulung nichts mit „Schule“ zu tun hat. In einer Patientenschulung erfahren Sie mehr über Ihre Erkrankung und Dinge, die Sie selbst tun können, um besser mit der Krankheit klar zu kommen. Geübt werden auch der richtige Einsatz und die richtige Handhabung der Inhalatoren. Wie Ihr Inhalator richtig zu bedienen ist, erfahren Sie auch in den Erklärvideos der Atemwegsliga. Auf ihrer Website hält sie für alle Inhalationssysteme kurze Anleitungen zur kostenlosen Nutzung bereit.

Was bringen zusätzliche Therapieangebote wie Akupunktur und Homöopathie?
Dr. Timmermann: Asthma ist eine sehr gut und risikofrei zu behandelnde Erkrankung. Mit den gängigen Therapieverfahren sind die meisten Patienten völlig beschwerdefrei. Geheilt werden kann Asthma aber mit den bestehenden Therapien nicht. Dies führt bei einigen Patienten zu Unzufriedenheit und dem Versuch, dieses Ziel mit alternativen Therapieformen zu erreichen. Wissenschaftliche Studien, die langfristig einen positiven Effekt nachweisen konnten, bestehen für diese alternativen Therapieformen nicht. Einzelne Patienten berichten aber auch in meiner Praxis insbesondere nach Akupunktur über eine Besserung der Beschwerdesymptomatik. Somit ist ein Therapieversuch zum Beispiel mit Akupunktur und Homöopathie durchaus möglich, solange die bewährte und erfolgreiche Behandlung dadurch nicht unterbrochen wird.

Mir wurde geraten, ein Asthma-Tagebuch zu führen. Was genau soll ich dort notieren?
Dr. Burk: Ein Asthma-Tagebuch dient der Dokumentation aller Informationen, die zur Beurteilung der Krankheit und Ihres Gesundheitszustandes dienen. Sie führen dort die Ergebnisse Ihrer täglichen Peak-Flow-Messungen auf und notieren, ob und bei welcher Gelegenheit Beschwerden auftraten. Auch den Einsatz von Medikamenten halten Sie dort fest, also zum Beispiel, ob und wann Sie ein Bedarfsmedikament – meist ein schnell wirkendes Spray – eingesetzt haben. Ein Asthma-Tagebuch zum Ausdrucken findet sich auf der Homepage des Selbstmanagementportals „Patientenfuchs“ unter www.patientenfuchs.de.

Was kann ich selbst tun, um mein Asthma gut unter Kontrolle zu bringen?
Prof. Koch: Vorbeugung ist die beste Therapie – auch bei Asthma. Wenn die Auslöser bekannt sind und diese vermieden werden können, ist das sicherlich am besten. Allerdings ist dies oft nicht möglich. Dann ist es besonders wichtig, die verordnete Therapie auch anzuwenden: Nehmen Sie Ihre Dauermedikation regelmäßig ein, selbst wenn gerade keine Beschwerden vorhanden sind.
Die meisten Medikamente werden inhaliert, und damit sie wirken können, müssen sie korrekt angewendet werden. Lassen Sie sich in der Praxis und der Apotheke zeigen, wie das funktioniert.
Wichtig ist auch, Verschlechterungen rechtzeitig zu erkennen. Führen Sie ein Peak-flow Tagebuch! Fällt der persönliche Bestwert um mehr als 20 Prozent, besteht Handlungsbedarf was die Anpassung der Medikamente betrifft. Und bleiben Sie in Bewegung, fordern Sie sich in Maßen und – falls Sie es noch nicht getan haben – stoppen Sie Aktiv- und Passivrauchen!

Mit welchen Einschränkungen muss ich auf Dauer bei allergischem Asthma rechnen?
Prof. Lommatzsch: Es gibt heute sehr wirksame Medikamente zur Behandlung von Asthma. Oft wirken die Medikamente bei richtiger und konsequenter Anwendung so gut, so dass die Betroffenen beschwerdefrei und ohne Einschränkungen leben können. Es gibt jedoch auch Fälle, die schwer zu behandeln sind. Inzwischen gibt es jedoch sehr spezielle – und teure – Medikamente, die auch in diesen schweren Fällen zu einer deutlichen Besserung oder sogar zur Symptomfreiheit führen können.

Wo finde ich Unterstützung? Gibt es Selbsthilfegruppen?
Prof. Koch: Die wichtigsten Anlaufstellen für Menschen mit Asthma sind die Deutsche Atemwegsliga, der Lungeninformationsdienst und – als Patientenorganisation – der Deutsche Allergie- und Asthmabund DAAB (siehe Infokasten). Im Raum München gibt es zudem mit dem neuen Comprehensive Pneumology Center (CPC) eine Asthma-Ambulanz am Helmholtz-Zentrum. Dort erhalten Sie Informationen über neuere Asthma-Behandlungsmethoden und es stehen im Rahmen von klinischen Studien auch neuere Asthma-Medikamente zur Verfügung.

Meine Krankenversicherung bietet eine Patientenbegleitung bei Asthma bronchiale an. Was bedeutet das?
Dr. Burk: Zunächst einmal, dass Ihre Krankenversicherung großes Interesse daran hat, Sie aktiv zu unterstützen. Eine Patientenbegleitung kann die Vermittlung von geeigneten Fachärzten beinhalten, das Versenden von Informationsmaterial, eine regelmäßige telefonische Beratung durch Spezialisten, die Teilnahme an Online-Programmen und vieles mehr. Welchen Umfang die Unterstützung hat, hängt von der Krankenversicherung ab – die Bandbreite an Programmen ist groß. Sie sollten direkt mit Ihrer Versicherung klären, wie das Programm aussieht und ob eine Teilnahme für Sie in Frage kommt.

Die Experten am Lesertelefon waren:

• Univ.-Prof. Dr. Andrea Koch; Fachärztin für Innere Medizin, Kardiologie, Pneumologie und Allergologie, Oberärztin und Leiterin der AG Obstruktive Lungenerkrankungen, Leiterin der CPC-Studienambulanz am Helmholtz-Zentrum München, Medizinische Klinik und Poliklinik V, Klinikum der Universität München, Campus Großhadern
• Prof. Dr. Marek Lommatzsch; Facharzt für Innere Medizin, Pneumologie und
Allergologie, Oberarzt der Abteilung für Pneumologie am Zentrum für Innere Medizin der Universität Rostock
• Dr. med. Karin Burk; Fachärztin für Allgemeinmedizin und Palliativmedizin, Beratende Spezialistin im Gesundheitsmanagement der AXA
• Dr. med. Hartmut Timmermann; Facharzt für Innere Medizin, Pneumologie, Schlafmedizin und Allergologie, Schirmherr der Patientenbegleitung Asthma von AXA

Autor:

Christian Schweizer aus Bretten

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