"Die Puppe ist ein Kulturgut"
Puppengalerie in Sulzfeld gibt Einblicke in ein vergessenes Handwerk

Annetraud Riel mit ihrem Mann Paul in der Puppengalerie in Sulzfeld. | Foto: kuna
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  • Annetraud Riel mit ihrem Mann Paul in der Puppengalerie in Sulzfeld.
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Sulzfeld (kuna) Mitten im Sulzfelder Dorfkern, in einem ehemaligen Tagelöhnerhaus, bietet Annetraud Riel Einblicke in eine vergessene Handwerkskunst: In der kleinen Puppengalerie in der Hauptstraße 5 befindet sich ein liebevoll hergerichtetes Lädchen, das limitierte Künstlerpuppen, kleine Puppenhäuschen und selbst designte Puppenkleider anbietet. Seit nunmehr 33 Jahren ist Riel mit ihrem Geschäft tätig, fokussiert sich mittlerweile jedoch auf das Nähen von individueller Puppenbekleidung, zudem nimmt sie Puppen, Bären und Plüschtiere zur Restauration entgegen.

Heimeliges Rundum-Erlebnis

Mit ihrem kleinen Laden ist sie seit 2007 vom Land als Ausflugsziel anerkannt und darf daher auch sonntags öffnen. Von dieser Sonderregelung macht Riel immer am ersten Sonntag des Monats Gebrauch und bietet dann ein heimeliges Rundum-Erlebnis mit nettem Plausch bei Kaffee und Kuchen. Leben könnte sie von der Puppengalerie schon längst nicht mehr, räumt die 76-Jährige ein. Auch ihr Mann Paul spricht mit einem Augenzwinkern von einem Laden, der keinen Gewinn macht. Der große Puppen-Boom der 1990er- und 2000er-Jahre sei längst vorbei und der Markt mit billigen Puppen aus dem asiatischen Raum regelrecht überflutet, die die Preise nach unten drücken.

Der große Puppenboom ist vorbei

"Es gibt einen riesigen Wertverlust", erläutert der 80-jährige Ehemann. Hinzu komme, dass das Interesse bei jungen Menschen nachlasse, sie wollen vererbte Puppen lieber loswerden. Das ist in der Puppengalerie von Annetraud Riel jedoch nicht möglich. Sie bietet in dem kleinem Häuschen, das die Familie in typisch Sulzfelder Manier mit Sandsteinmauerwerk wieder hergerichtet hat, nur Neuware an.

Riel erinnert sich noch genau an die Hochzeit des Puppengeschäfts, in das sie eingestiegen ist, als die drei Töchter allmählich flügge wurden und sie wieder mehr Zeit für sich und ihre Interessen hatte. Dabei sei sie mehr oder weniger aus purem Zufall auf die Puppe gekommen, erklärt sie.

Riel kommt nur durch Zufall auf die Puppe

Die Handarbeit habe ihr schon immer gelegen und ihr Interesse lag zunächst auf Makramee, einer Handarbeitstechnik, bei der aus Garn dekorative Muster geknüpft werden. Als sie dazu einen VHS-Kurs besuchte, habe die Kursleiterin sie darauf aufmerksam gemacht, dass sie auch einen Kurs zum Nähen von Puppenbekleidung anbiete. Riel sei zunächst skeptisch gewesen, meint sie, allerdings stellte sich heraus: Das Nähen liegt ihr gut – so gut, dass die Kursleiterin bei ihr fortan Puppenbekleidung in Auftrag gibt.

Riel beginnt mit Nähen von eigenen Puppenkleidern

Riel erinnert sich an viele lange Tage, die oft in aller Frühe begannen, an denen sie wie besessen nähte, damit die Kleidung rechtzeitig fertig wird. Nach und nach findet sie sich so in die Welt der Puppen ein. Als das kleine Haus in der Hauptstraße 5 zum Verkauf stand, war für sie klar: Das wäre perfekt für die Puppengalerie.

Die Künstlerpuppe als dekoratives Sammelobjekt

"Die Puppe ist ein Kulturgut", sagt Riel nun, angesprochen auf ihre Leidenschaft für die Puppenwelt. Dabei gebe es große Unterschiede zwischen Spielzeug- und Künstlerpuppen. Auf letzteren liegt ihr Augenmerk. Sie seien weniger zum Spielen gedacht und vielmehr ein dekoratives Sammelobjekt. "Künstlerpuppen sind zum Anschauen und Genießen", erläutert sie. Das Erlebnis unterscheide sich nur wenig von dem Gefühl, das Betrachter in einer Kunstgalerie oder in einem Museum haben.

Kuriositäten aus der Puppenwelt

Doch nicht jeder empfindet die Begegnung mit der Puppe als besonders angenehm. Bei manchen löst das Betrachten auch Unbehagen aus – der „Uncanny Valley“-Effekt: menschenähnliche Objekte, die zugleich vertraut und fremd wirken. Riel kennt das von ihrem Neffen, der – wenn er zu Besuch kommt – einer bestimmten Puppe immer den Hut ins Gesicht zieht, um sich nicht so beobachtet zu fühlen, erklärt sie mit einem Lachen. "Viele Puppen habe ich aber nicht zuhause", fügt sie hinzu. Sie und ihr Mann müssen selbst die Stirn runzeln, wenn sie von Sammlern erzählen, die über 20 Puppen auf dem heimischen Sofa drapieren, sodass am Ende kein Platz mehr zum Sitzen bleibt – für das Ehepaar Riel eine kuriose Sonderheit in der Puppenwelt.

Handverlesene Auswahl aus hochwertigen Puppen

Eine regelrechte Überflutung gibt es somit auch in der Puppengalerie in Sulzfeld nicht. Zwar sitzen auch einige Puppen auf den Dachbalken und blicken von dort auf die Besucher herab, Riel legt jedoch Wert auf eine sorgfältige Präsentation und bietet somit nur eine handverlesene Auswahl für alle Puppenliebhaber.

Puppen von Annette Himstedt

Dabei handelt es sich ausschließlich um Puppen von hochwertigen Marken und Künstlern, die in der Regel auf nur wenige Stücke limitiert sind, um den Sammelwert zu erhöhen. Ehemann Paul zählt einige der wichtigsten Namen auf: Puppen von Schildkröt, Zwergnase, Götz und Zapf kommen ihm direkt in den Sinn. Stolz sind die beiden auch auf die Puppen der Künstlerin Annette Himstedt, deren Name gewissermaßen selbst zur Marke geworden ist. Nachdem sie verstarb, sei der Puppenmarkt rasant eingebrochen, berichten die beiden. Zarte Gesichter in realistischer Manier, ausdrucksstarke Gesichtszüge und die Individualität von Kindern aus unterschiedlichen Kulturen der Welt gehören zu ihrem Markenkern.

Pakete in alle Welt versandt

Himstedt sei auch selbst zu Vernissagen in ihrer Puppengalerie in Sulzfeld gewesen, erklärt Annetraud Riel. Sie erinnert sich an zahlreiche Begegnungen und Veranstaltungen, bei denen Puppenliebhaber aus nah und fern in dem idyllischen Weindorf zusammenkamen. Auch bei Internet-Verkäufen, die sie für eine lange Zeit betrieben hat, habe sie die entlegensten Adressen der Welt in den Händen gehalten: Von Russland über die Vereinigten Staaten bis nach Australien habe sie Pakete versandt.

An Sulzfelder Kerwe geöffnet

Mittlerweile hat sie das Geschäft jedoch heruntergefahren und öffnet nun immer am ersten Sonntag des Monats von 14 bis 17 Uhr oder nach Vereinbarung. Auch bei der anstehenden Sulzfelder Kerwe wird die Galerie geöffnet sein: am Sonntag, 22. September, und Montag, 23. September, jeweils ab 13 Uhr.

Autor:

Kathrin Kuna aus Bretten

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