TRD Redaktionsbüro (trd mobil)
The King on the Road durchbricht alle Schallmauern
(TRD/MID) Breiter, kraftvoller, mächtiger. Der neue Porsche 911 Turbo S durchbricht alle Schallmauern. In 8,9 Sekunden rennt dieses Auto von 0 auf Tempo 200. Sein Handling ist so exakt wie die Skalpellführung eines routinierten Chirurgen. Turbo S fahren ist eine Grenzerfahrung, auch beim Preis. Ist es schon Ehrfurcht oder doch nur Respekt? Da mag das Schneeweiß dieses Porsche noch so unschuldig wirken. Aber unter Heckklappe lauert ein 3,8 Liter großer Boxer-Motor mit Twinturbo-Aufladung, 650 Pferdestärken und 800 Newtonmetern (Nm) Drehmoment. Das sind 70 PS und 50 Nm mehr als beim Vorgänger. Unter den 911ern ist der Turbo S immer der König. Nicht allein wegen seiner Leistungsfähigkeit, sondern auch, weil ihn die Entwickler in Weissach als Technologieträger betrachten. Hinterher wird vieles auf den normalen 911er übertragen, damit der aktuelle 911er immer der beste 911er aller Zeiten wird. So zumindest lautet der Anspruch der Schwaben.
Seit 1974 existiert der Turbo-Kult von Porsche
Damals reichten 260 PS und eine Höchstgeschwindigkeit von 250 km/h für den Titel „Deutschlands schnellster Straßenwagen“. Technisch bewegte sich Porsche damals auf Pionier-Niveau. Turbomotoren kamen zwar aus dem Rennsport, galten aber als empfindlich, im Zweifelsfall hatten sie eine geringe Lebenserwartung. Aber die Techniker bekamen das Problem in den Griff. Und wie. Die Ursprungsleistung hat der aktuelle Turbo 46 Jahre danach mehr als verdoppelt. 650 Pferdestärken zerren an den Rädern. Gebändigt mit Allrad und einem neuen Achtgang-Doppelkupplungsgetriebe.
Sechszylinder-Boxer mit VTG-Biturbo-Aufladung
Dass dieser Porsche das kann, ist allein noch nicht faszinierend. Schon mehr, wie er es kann. So souverän. Die Kraft des Boxermotors kennt nur eine Richtung. Mehr, mehr, mehr. Nur nicht nachlassen. Dazu der sonore Sound der neuen Abgasanlage – es ist schon fast vulgär, wie verschwenderisch der 911er mit seiner Kraft umgeht und das Ganze auch noch lauthals aus den beiden Endrohren hinausposaunt.
Bei aller Emotion – damit das Ergebnis auch stimmt, hat der Turbo S jede Menge technischer Unterstützung. Das fängt bei den Reifen an. Der bislang breiteste Serien-Elfer (an den vorderen Kotflügeln ein Plus von 4,5 Zentimetern, hinten sind es zwei Zentimeter) setzt auf eine Mischung. Vorne 20-Zöller der Größe 255/35, hinten 21-Zöller der Dimension 315/30. Hinten deshalb groß, weil hier auch die meiste Kraft des Allradgetriebes ankommt. Und viel Reifenfläche bringt viel Grip. Vorne darf es gerne weniger sein, dadurch bleibt die Lenkung agil.
Eine Konstellation, die auch bei Regen Vorteile bringt. Dafür gibt es, wie beim normalen 911er auch, den WET-Modus. Sensoren erkennen, ob die Fahrbahn zu feucht ist und schlagen Alarm. Kleiner Schockmoment bei der Testfahrt der Motor-Informations-Dienstes (mid) auf der feuchten Autobahn: Als die Warnung kommt, schalten wir um. Sofort gibt das Allradsystem mehr Power auf die Vorderachse, der Heckflügel stellt auf mehr Anpresskraft, der Fronspoiler fährt ein, beim Gasgeben wird fein dosiert. Das gibt Sicherheit, auch bei Tempo 160 im Regen.
Extrem ist dieser Porsche schon. Da sind zum einen die 330 km/h Spitze, die wohl kaum einer fahren wird und kann. Hier genügt schon das Wissen, dass man könnte. Noch mehr fasziniert die Beschleunigung von 0 auf Tempo 100 in 2,7 Sekunden. Voller Druck aufs Gas – einen Augenblick später muss man schon wieder auf die Bremse. Sonst drohen Punkte in Flensburg. 0,2 Sekunden ist der aktuelle Turbo S besser als sein Vorgänger. Dafür haben die Techniker den Boxermotor – salopp gesagt -aufgemotzt. Die Turbolader mit variabler Geometrie wurden größer, auch die Ladeluftkühler legten zu und es gibt jetzt vier Ansaugstellen für die Prozessluft. Ein Turbo muss gut atmen können, so wie ein guter Sprinter auch. Dazu neue Piezo-Einspritzventile und ein elektronisch gesteuertes Wastegate – und schon rennt der Turbo S in 8,9 Sekunden von 0 auf 200. Eine ganze Sekunde schneller als sein Vorgänger. Das sind Welten.
Damit der Turbo seine Kraft auf die Straße bringt, braucht er nicht nur die entsprechenden Reifen, sondern auch ein gutes Aerodynamik-Management. Sprich: Spoiler für den Anpressdruck bei hohen Geschwindigkeiten. Der auffällige (jetzt noch größere) Heckflügel ist ja zum Markenzeichen geworden. Zusammen mit dem pneumatisch ausfahrenden Bugspoiler sorgt er für ein 15 Prozent höheres Abtriebsniveau. Und im Notfall agieren beide wie eine Luftbremse. Steigt der Fahrer bei höheren Geschwindigkeiten voll in die Eisen, fahren die Spoiler so weit aus, dass maximaler Luftwiderstand entsteht. Eisen ist in diesem Fall falsch, weil der Turbo serienmäßig Keramikbremsen hat. Und die packen so sauber zu, dass sogar das Bremsen in diesem Sportwagen Spaß macht.
Auch beim Fahrwerk haben die Ingenieure Hand angelegt, die Dämpfertechnologie verbessert und die Software angepasst. Die Steuerung erfolgt in wenigen Millisekunden. Abhängig von der Fahrsituation verstellt das System die Dämpfer für jedes einzelne Rad. Mehrere 100 Mal pro Sekunden. Der Fahrer merkt davon nur eines: Im Porsche sitzt und fährt man wie in einem automobilen Maßanzug. Und der kostet. 212.000 Euro muss man dafür auf den Tisch legen. Mindestens.
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