Auf dem Weg zu klimastabilen Wäldern
Forstamt erstellt Gutachten zu Auswirkungen von Rehwildverbiss auf waldbauliche Ziele
Region (enz) Es klingt sehr abstrakt, bringt aber viele konkrete Erkenntnisse: Aktuell steht in Baden-Württemberg turnusgemäß die Erstellung der „Forstlichen Gutachten zur Gefährdung waldbaulicher Ziele durch Rehwildverbiss“ an. Auch das Forstamt des Enzkreises hat dieses amtliche Gutachten nach dem Jagd- und Wildtiermanagementgesetz jedes dritte Jahr für alle Jagdbezirke im Kreis anzufertigen.
Entscheidungshilfe bei Planung des Rehwildabschusses
„Im Forstlichen Gutachten werden die Zusammenhänge zwischen der jagdlichen Situation vor Ort und dem Erreichen der waldbaulichen Verjüngungsziele dargestellt“, erläutert der Forstdezernent des Enzkreises, Holger Nickel, die Hintergründe. Das forstliche Gutachten liefere damit den verantwortlichen Jagdpächtern und -verpächtern eine wichtige Entscheidungshilfe bei der Planung des Rehwildabschusses für die kommenden drei Jahre.
Förster und Jäger finden Lösungen im Dialog
In vielen Fällen diskutieren die zuständigen Försterinnen und Förster die Ergebnisse des Gutachtens bei Waldbegängen mit den Jagdpächtern und -verpächtern zusammen, um die Einschätzungen zu veranschaulichen und im Dialog Lösungen zu finden. Die dabei getroffenen Übereinkünfte werden dann in die Zielvereinbarung zur Rehwildbejagung mit aufgenommen. Laut Gesetz sind zwischen Verpächter und Pächter zwingend Zielvereinbarungen über die Rehwildbejagung abzuschließen.
Rehe sind Feinschmecker
Das Rehwild hat in jedem Fall entscheidenden Einfluss auf die Verjüngung der Wälder, denn bei starkem Verbiss sterben junge Bäume ab. Als „Feinschmecker“ oder sogenannter „Konzentrat-Selektierer“ frisst das Rehwild vorwiegend die lebenswichtigen Knospen der kleinen Waldbäume. „Dabei hat das Rehwild Vorlieben“, wie der stellvertretende Forstamtsleiter des Enzkreises, Michael P. Gerster, berichtet. Besonders heiß sei es auf die Knospen junger Tannen und Eichen sowie auf die besonders nährstoffreichen Knospen von kleinen Bäumchen, die im Wald frisch gepflanzt sind und gerade aus der Baumschule kommen. „Bei Rehen ist es wie beim Menschen: Was für uns die heiß begehrte Schwarzwälderkirschtorte oder der Zwiebelrostbraten ist, sind für die Rehe die Eichen- und Tannenknospen.“ Die Knospen von Buchen und Fichten fressen die Tiere zwar auch, aber lange nicht so gerne.
Kaum noch natürliche Feinde
„Da das Reh kaum noch natürliche Feinde hat und wir in Zeiten des Klimawandels besonders auf gemischte Wälder und Baumartenvielfalt angewiesen sind, tragen die Jäger auf jeden Fall eine große Verantwortung für die Entwicklung zukunftsfähiger Mischwälder“, wie Gerster betont. Darüber hinaus seien die öffentlichen Wälder im Enzkreis PEFC-zertifiziert – und die Teilnahme an diesem Zertifizierungssystem setze angepasste Wildbestände voraus.
Verbiss ist immer noch stark
Bereits jetzt zeichne sich ab, dass der Verbiss in zahlreichen Revieren seit dem letzten Gutachten angestiegen beziehungsweise unverändert stark ist, bestätigt auch Forstamtsleiter Andreas Roth. Die Buche verjünge sich in vielen Revieren im Enzkreis zwar sehr gut; wichtig sei aber, dass die erwünschten Mischbaumarten ebenfalls an der Verjüngung beteiligt sind. Gerade sie würden benötigt, um die Wälder im Enzkreis klimastabil zu machen. Viele der im Enzkreis seltenen Baumarten werden nach Roths Worten als besonders klimastabil eingeschätzt; hierzu zählen beispielsweise die Elsbeere, der Feldahorn und der Speierling. Dort, wo die Wildbestände es zulassen, fänden sich diese Baumarten oft bereits in der Naturverjüngung.
Baumartenvielfalt reduziert das Risiko für Wälder
Aus forstlicher Sicht sei vor allem die Bewertung der im Klimawandel wichtigen Baumarten wie zum Beispiel der Eiche wichtig. Aber auch Ahorn und Hainbuche sowie seltenere Arten wie beispielsweise Kirsche, Linde und Elsbeere seien für einen artenreichen und stabilen Mischwald in Zukunft von großer Bedeutung: „Durch Baumartenvielfalt kann das Risiko für Wälder in Zeiten des Klimawandels reduziert werden. Damit kommt der Jagd eine immense Bedeutung für eine gesunde, stabile Entwicklung unserer Wälder zu. Und dies erfordert ein gemeinsames und zielorientiertes Handeln aller örtlichen Akteure,“ so Dezernent Holger Nickel abschließend.
Das Verfahren zur Erstellung des forstlichen Gutachtens wurde seit der letzten Aufnahme im Jahr 2021 weiter digitalisiert. Mit dem digitalen Wildtierportal Baden-Württemberg und einer integrierten mobilen App für die Forstämter werden nun erstmals Arbeitshilfen zur Verfügung gestellt, die die Vorbereitung und die Erstellung des Gutachtens sowie die Kommunikation unter den Akteuren unterstützen und erleichtern.
Bildunterschrift:
Douglasie mit Verbissschaden (Foto: Enzkreis, M. Gerster)
Bildunterschrift:
(Foto: Enzkreis, M. Gerster)
Autor:Kraichgau News aus Bretten |
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