„Man kann nicht einfach die Augen verschließen“
Flüchtling aus Oberderdingen wurde für vorbildliche Integrationsarbeit ausgezeichnet

Rakan Shikh Almakkarah, Lkw-Fahrer und Vater von sechs Kindern. Foto: privat
  • Rakan Shikh Almakkarah, Lkw-Fahrer und Vater von sechs Kindern. Foto: privat
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Oberderdingen (hk) Rakan Shikh Almakkarah musste vor fünf Jahren sein Leben ganz von vorn beginnen. 2016 flüchtete der Syrer mit seiner Familie nach Deutschland. Dort angekommen, kamen sie zunächst in Forst unter. Von dort führte sie ihr Weg über Östringen nach Münzesheim. Schließlich fanden sie 2017 in der Anschlussunterbringung in Oberderdingen eine Unterkunft, in der sie bleiben durften.

Engagement und gelebte Mitmenschlichkeit

„Bitte entschuldigen Sie mein Deutsch“, sagt Shikh im Gespräch höflich und lächelt verlegen. Was müssen seine dunkelbraunen Augen wohl schon gesehen haben, fragt man sich, wenn man ihm gegenübersitzt. Doch im Gespräch mit der Brettener Woche soll es nicht um den Bürgerkrieg gehen, der seit 2011 in Syrien herrscht und so viel Leid gebracht hat, sondern darüber, wie der 33-jährige Flüchtling in einem fremden Land selbst zum unentbehrlichen Helfer für andere geflüchtete Menschen wurde. Für sein Engagement und die gelebte Mitmenschlichkeit, insbesondere für seine Mitbewohner in der Anschlussunterbringung in Oberderdingen, wurde er jetzt mit dem Kreisintegrationspreis des Landkreises gewürdigt.

"Man muss doch helfen"

Wenn Shikh von seinem Leben in Oberderdingen erzählt, dann sprudeln die Worte geradeso aus ihm heraus. Dann wirkt er nicht mehr verlegen, sondern wie einer, der sein Leben im Griff hat. Er ist stolz darauf, dass er inzwischen auch etwas zurückgeben kann. „Man muss doch helfen. Man kann nicht einfach die Augen verschließen, oder?“, fragt er. Es sei schlimm, das Gefühl zu haben, auf sich gestellt zu sein. Diese Erfahrung kenne er allzu gut, deshalb habe er für sich die Schlussfolgerung gezogen: „Ich muss anderen Menschen helfen. Damit sie es leichter haben.“ Mit dieser Entschlossenheit begann er dann Menschen, egal ob mit oder ohne Fluchthintergrund zu helfen, sich im Alltag zurechtzufinden.

Landratsamt hat Shikh für Preis vorgeschlagen

Das Landratsamt im Kreis Karlsruhe wurde schließlich auf den sechsfachen Vater aufmerksam. „Herr Shikh wurde durch die Kollegen und Kolleginnen aus dem Integrationsmanagement für den Kreisintegrationspreis vorgeschlagen“, informiert Darja Segel auf Anfrage der Brettener Woche/kraichgau.news. Segel ist im Landratsamt Karlsruhe in der Abteilung Beratung und Integration ansässig und als Integrationsbeauftragte tätig. Kennengelernt hätten die Kollegen aus dem Integrationsmanagement Shikh durch ihre eigene Beratungstätigkeit in der Asylunterkunft.

Durch Hilfsbereitschaft zum "Multiplikator"

Ausschlaggebend für die Würdigung sei seine große Bereitschaft gewesen, den Menschen in seiner Umgebung zu helfen, die seine Hilfe dringend benötigen würden. „Insbesondere erkrankten Mitbewohnern in der Unterkunft steht er unterstützend zur Seite“, betont Segel. Shikh habe zum Beispiel Fahrdienste ins Krankenhaus übernommen und die Personen dort besucht. Er habe zudem Kranke zum Arzt begleitet und auch für die Erkrankten gekocht. Inzwischen, so Segel, fungiere er mit seiner Hilfsbereitschaft sogar als "Multiplikator": „Er kann auch die Menschen in seiner Umgebung dafür begeistern mitzuhelfen und zu unterstützen. Dort, wo Hilfe gebraucht wird, ist Herr Shikh Almakkarah da. Für seine Mitbewohner gilt er als Ansprechpartner und helfende Hand.“ Auch dem Hausmeister der Unterkunft stehe er zur Verfügung, wenn zusätzliche Unterstützung gebraucht werde. Das Preisgeld von insgesamt 3.000 Euro teilt sich Shikh mit Uschi Hötzer, Gründungsmitglied des Freundeskreises Asyl Sulzfeld und mit Grana Nawabi, Gründungsmitglied des Vereins Flüchtlingshilfe für Bad Schönborn und Kronau. Dabei hat Shikh den ersten Platz belegt.

Schwierige Wohnsituation für Shikh und seine Familie

Die Überraschung sei groß gewesen, als er die Einladung in die Festhalle in Stutensee-Blankenloch für die Verleihung des Kreisintegrationspreises erhalten habe, berichtet Shikh und schüttelt lachend den Kopf, als könne er es immer noch nicht glauben. Zur Feier des Tages habe seine Frau für ihn und die Kinder leckere, syrische Spezialitäten gekocht. Zu acht teilt sich die Familie eine Zweizimmerwohnung in der Oberderdinger Asylunterkunft. Wenn Shikh gerade nicht für einen guten Zweck unterwegs ist oder weiter fleißig Deutsch lernt, dann bliebe ihm noch ein bisschen Zeit zum Träumen, zum Beispiel von einer schönen Wohnung, die so groß ist, dass seine zwei Töchter und vier Söhne alle ihr eigenes Bett haben. „Es ist nicht schön, dass sie auf dem Boden schlafen müssen“, sagt er. Das älteste Kind ist elf Jahre alt und das Jüngste gerade einmal ein Jahr und sechs Monate. Zwei Kinder gingen schon in die Schule und drei in den Kindergarten. "Sie sprechen sehr gut Deutsch", freut er sich. Er selbst gebe sich auch viel Mühe, damit er bald das B1-Niveau im Deutsch-Test bestehe.

Bescheidene Pläne für die Zukunft

Dann scheinen ihm die Worte zu fehlen – nicht nur, weil ihm die deutschen Vokabeln, die er kennt, nicht genügen, um weiterzusprechen. Als der 33-Jährige versucht seine Wohnsituation zu beschreiben, wirkt er erschöpft. „Es ist sehr schwierig – viel Stress“, sagt er. Zusätzlich belaste ihn die Sehnsucht nach seiner großen Familie, die er in Syrien zurücklassen musste. Zuletzt habe er seine Eltern vor sechs Jahren gesehen. Über das Telefon habe ihm seine Mutter mitgeteilt, wie stolz sie auf ihn sei, dass er den Kreisintegrationspreis gewonnen habe. „Viel gelacht, aber auch viele Tränen“, sagt Shikh. Die Zukunftspläne des sechsfachen Vaters klingen recht bescheiden. Eine größere Wohnung wäre schön, sagt er, und auch die Möglichkeit, seinen gelernten Beruf als Lkw-Fahrer wieder ausüben zu dürfen, wünsche er sich sehr. Schließlich habe er in seiner Heimat über zehn Jahre lang als Lkw-Fahrer gearbeitet und Länder wie Ägypten, Libyen und Jordanien bereist. "Lkw-Fahren ist mein Hobby", sagt er, wieder lächelnd.

"Ich möchte 'Danke' sagen"

Bevor er sich verabschiedet, hat er dann doch noch eine Bitte: „Ich möchte in der Zeitung noch allen vielen, vielen Dank sagen, die mir geholfen haben.“

Autor:

Havva Keskin aus Bretten

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