Bruno Preisendörfer las in Bretten
Biberschwänze als Fastenspeise

Bruno Preisendörfer las auf Einladung des Vereins für Stadt- und Regionalgeschichte Bretten im Bürgersaal des Alten Rathaus.  | Foto: ger
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Bretten (ger) Kurz bevor mit dem Peter-und-Paul-Fest das Mittelalter wieder in Bretten Einzug hält, las der Berliner Bestseller-Autor Bruno Preisendörfer im Bürgersaal des Alten Rathaus aus seinem Buch „Als unser Deutsch erfunden wurde“, in dem er auf eine „Reise in die Lutherzeit“ einlädt. Wolfgang Stoll, Vorsitzender des Vereins für Stadt- und Regionalgeschichte, hatte die Lesung organisiert und freute sich über die rund 90 Besucher, die Preisendörfers kurzweiligen Ausführungen interessiert folgten.

Schockiert über Gewalttätigkeit der Zeit 

Preisendörfers Bücher über historische Epochen kommen Zeitreisen gleich, die wissenschaftlich fundiert, aber dennoch leicht lesbar ein Panorama der fernen Zeiten mit vielen Facetten des Alltagslebens auffächern. Dass dabei keine Verklärung stattfindet, machte der Autor deutlich, indem er betonte, dass ihn die omnipräsente physische Gewalttätigkeit, die zu Zeiten Luthers und Melanchthons geherrscht hatte, geradezu schockiert habe. Er wolle daher lieber, bekannte er im Gespräch mit dem Publikum, falls Zeitreisen möglich werden, in der heutigen Zeit bleiben.

Unterschiedliche Perspektiven führen zu unterschiedlichen Lesarten

Zu Beginn der Lesung ging Preisendörfer auf den berühmtesten Sohn der Stadt Bretten und sein Verhältnis zu Luther ein. Als in Wittenberg die Pest ausbrach, gelang es Luther, Melanchthon wider dessen Willen zur Ausreise zu bewegen, indem er in einem Brief an den Kaplan des Kurfürsten dies empfahl. Anhand dieses Beispiels illustrierte der Autor, dass man bei der Beschäftigung mit historischen Quellen auf unterschiedliche, mitunter widersprüchliche Sichtweisen trifft, was eine gute Übung für das Verständnis der Gegenwart sei.

Münzgeld in großen Mengen schwer zu transportieren

Die Zuhörerschaft lernte bei der einstündigen Lesung zum Beispiel, dass es sich bei Brandschatzung nicht um das Abbrennen einer Stadt, sondern vielmehr um die Schätzung ihres Wertes handelte. Mit der Bezahlung dieser empfindlich hohen Steuer konnte eine belagerte Stadt die drohende Zerstörung verhindern. Auch machte Preisendörfer klar, dass die Bezahlung von Söldnern schon aus dem Grund, dass Münzgeld in großen Mengen schwer und daher schlecht zu transportieren sei, oftmals nicht gesichert war. Verständlich, dass es daher immer wieder zu Meutereien kam und so mancher Söldner versuchte, sich durch Raub und Plünderungen „nebenher“ etwas zu verdienen.

Apokalyptische Grundstimmung

Im Unterkapitel „Wetternöte“ wurde deutlich, dass außergewöhnliche Wetterereignisse nicht nur damals schon die Ernte bedrohten, sondern bei gehäuftem Auftreten eine apokalyptische Grundstimmung verstärkten. Die Bauernaufstände und die reformatorische Schubkraft wurden, so Preisendörfers These, dadurch womöglich noch befördert. Luthers einerseits verklärenden, andererseits aber mitleidlosen Blick auf die Bauern kontrastierte der Autor durch die Beschreibung des harten Alltags der Landbevölkerung im 16. Jahrhundert.

Medizinische Kuren in überschaubarer Menge

Für Aha-Erlebnisse im Publikum sorgte die Beschreibung der Ernährung, wie sie aus dem ersten Kochbuch von 1485 hervorgeht: Als Fastenspeisen galten nicht nur Fische und Krebse, sondern auch Biberschwänze, und Diättipps machten deutlich, dass schon damals klar war, dass zu viel Essen ungesund ist. Ein Tipp gegen die Völlerei aus der damaligen Zeit: Das Hauptgericht soll nicht zu gut zubereitet sein, damit man nicht zu viel davon isst. Medizinische Kuren waren überschaubar: Als Allheilmittel bei Krankheiten wurden Purgation (abführende Verfahren), Aderlass und das geheimnisvolle Wundermittel Theriak, eine meist opiumhaltige Arznei, empfohlen.

Autor:

Katrin Gerweck aus Bretten

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