50 Jahre Brettener Bütt
Dem Bruddeln zum Trotz

Die Brettener Bütt fand in diesem Jahr zum fünfzigsten Mal statt. | Foto: kuna
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  • Die Brettener Bütt fand in diesem Jahr zum fünfzigsten Mal statt.
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Bretten (kuna) „Schuldig sind immer die anderen“, besingen Valentin Braun und Wolfgang Wagner alias "Valle & Wolle" die Lust des Bruddelns und Meckerns. Dem Ernst und Selbstmitleid zum Trotz ist die fünfzigste Brettener Bütt jedoch ein buntes Spektakel, bei dem gelacht, gestampft und geschunkelt wird. Insgesamt 800 Närrinnen und Narren haben sich am vergangenen Samstag und Sonntag in der Stadtparkhalle eingefunden, um den rund fünfstündigen Prunksitzungen beizuwohnen, gemeinsam „Raketen“ steigen zu lassen oder Polonaise zu tanzen.

Bretten von seiner buntesten Seite

Getaucht in buntes Licht ist die Botschaft der Akteure trotz des geliebten Gebruddels klar: Bretten ist und bleibt bunt. So reihen sich so manche Flachwitze und Blödeleien aneinander, manch hämische Spitze mündet jedoch in ernster Botschaft, bei dem ein Raunen oder Stirnrunzeln durch die Reihen geht.

Selbsternannte "Fortschrittskoalition"

Hansi Klees, der Dummschwätzer vom Stadtpark, rechnet mit der selbsternannten „Fortschrittskoalition“ ab und stellt dabei vollkommen ironiefrei fest, dass sich das Land in einem „bedauernswerten Zustand“ befindet. Neben maroden Schulen, lahmen Internet oder fehlender Digitalisierung in den Behörden passt ihm auch das Spitzenpersonal nicht so recht: Ein „Kinderbuchautor und Hobbyökonom“ als Vizekanzler, eine Außenministerin, die den Feminismus in die Mongolei bringen will und ein potentieller Kanzlerkandidat, der es nicht einmal schafft, sich einen Zahnarzttermin zu besorgen – das soll es sein?

"Dann gilt rechts vor links"

„Wenn die Ampel kaputt geht, dann schaltet man sie ab“, konstatiert Klees. Um gleich darauf festzustellen: „Dann gilt aber rechts vor links“ – ein lautes Geraune geht durch die Halle. Durchaus neidisch blickt der Dummschwätzer dagegen auf das Gedankenkonstrukt hinter dem Sondervermögen. 60 Milliarden Euro sind verloren gegangen, die es vorher gar nicht gab? „Sowas ist mir in 30 Jahren als Redner der Bütt nicht eingefallen“, staunt Klees nicht schlecht.

"Strenges Geschmäckle" in der Luft

Trotz allem Gemecker ist die Botschaft der prunkvollen Jubiläumsbütt klar: Man darf das Feld nicht den Populisten überlassen. Deshalb treiben Valle & Wolle mit „Born to be Wild“, kurzerhand zu einer Hymne auf die Demokratie, Einigkeit und Freiheit umgetextet, das „strenge Geschmäckle“ aus der Stadtparkhalle aus, das ihr aus der vergangenen Woche noch anhaftet. Noch an derselben Stelle, an der die beiden Narren stehen, hatte AfD-Chefin Alice Weidel zuvor vor voller Halle gesprochen, begleitet mit einer lautstarken Gegendemo im Stadtpark.

Defibrillator verschafft Abhilfe bei langen Warteschlangen

Von vielen kuriosen Geschichten aus Bretten weiß Ortsbüttel Günther Wolf zu berichten. Dabei leuchtet ihm direkt ein, weshalb die Bäckerei Leonhardt vor ihrem Laden nun einen öffentlichen AED (automatisierter externer Defibrillator) angebracht hat – angesichts der Preise und der langen Warteschlange sei der Lebensretter dort „gut gewählt“. Irritieren mögen einen auch die beiden „silbernen Röhren“ an der Sporgassen-Tiefgarage („Warum gerade an dieser Stelle?“), bedenkt man jedoch, dass sich direkt gegenüber ein Grillgeschäft befindet, wird klar, dass es sich hierbei nur um stilisierte Salz- und Pfefferstreuer als gewiefte Reklame handeln könne. Weniger Reklame notwendig hat dagegen ein Milchautomat in Bretten, dessen Betrieb durch das Eichamt untersagt wurde, da er keinen Beleg ausgeben kann. 

"Willst du in Bretten etwas bauen, brauchst du sehr viel Gottvertrauen"

Auch die vielen Baustellen lässt Ortsbüttel Wolf nicht aus, etwa das ruhende „Zeitlos Bretten“-Areal, die Baugrube neben der St. Laurentiuskirche oder die Wasserrinne ohne Abfluss in der Sporgassen-Tiefgarage, die bei Regen zu Pfützen führt und somit wasserfestes Schuhwerk nötig macht. Alles in allem kann Wolf nur feststellen: „Willst du in Bretten etwas bauen, brauchst du sehr viel Gottvertrauen.“

Thilo Kampf als Überraschungsgast

Als Überraschungsgast tritt Thilo Kampf auf, der durch einige Stücke der Hofsänger Jan-Christian Blömer, Benjamin Leicht, Pascal und Jerome Cieplik moderiert. Kampf gehört zu den Gründungsmitgliedern der Hofsänger, ist als solcher jedoch nicht mehr aktiv. So geben die vier Männer noch einmal ihr 2006 erstmals vorgetragenes Lied über die Firma Tiernahrung Deuerer zum Besten, in dem es damals noch hieß „Deuerer stinkt nach Euter“. Die aktualisierte Version lautet nun: „Deuerer roch nach Euter, nun nicht mehr so“, in Anspielung auf die Tatsache, dass die Firma in Rinklingen nun Aktivkohlefilter gegen den Geruch einbauen muss.

Von Hausfrauen zu Barbies

Bütt-Präsident Bernd Neuschl reimt sich anschließend als Herbfried Nudelhuber mit Schnauzbart und Lederhosen die Welt zurecht, während die Funkenmariechen Angelina Cosi Mentes und Elisa Schnorr gekonnt das Tanzbein schwingen. Die Showtanzgruppe verwandelt sich von biederen Hausfrauen mit Wäschekörben zu glanzvollen Barbie-Püppchen und Wolfgang Wagner bedauert als armes Hausschwein – als „ferculus vulgaris“ – sein Dasein als Resteesser.

Barbie im Barockstil

Die bruddeligen Weiber Frau Gräber und Frau Leichle (Anette Giesche und Daniela Mößner) verhöhnen ihre Ehegatten auch noch nach deren Ableben: „Mein Mann hat endlich sein Idealgewicht erreicht – dreieinhalb Kilo mit Urne“. Und mit Bernd Neuschl als Musikprofessor Ben Bock, der „Professor für Flop-Musik“, taucht sich die Stadtparkhalle in ein tiefes Pink, als der Professor verschiedene Variationen des Barbie-Songs zum Besten gibt, vom Popstil der Beach Boys bis zum anmutigen Barock eines Johann Sebastian Bach.

Männerballett bringt Publikum zum Kochen

Heiß ersehnt wird der Auftritt des Männerballetts, charmant in Feinripp und Blaumann lassen die Männer des Elferrates die Hüfte schwingen und stehen dabei den Funkenmariechen im tänzerischen Können fast in nichts nach – lediglich die Beine mögen nicht so hoch fliegen. Zum großen Finale besingt Ehrenpräsident Fredy Ersch die altbekannte Bütt-Hymne: „In Bredde, do isch jeder gern, in Bredde do isch schee.“

Autor:

Kathrin Kuna aus Bretten

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