Gelebte Dorfgemeinschaft damals und heute

Edith Treut mit ihrer Enkelin Franziska, der Tochter von Aaron und Ute Treut.
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  • Edith Treut mit ihrer Enkelin Franziska, der Tochter von Aaron und Ute Treut.
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Edith Treut ist bestens mit der Geschichte Ruits vertraut

Ruit (ger) Schon von weitem sieht man Fackeln und eine Feuerschale leuchten. Bei Minusgraden haben sich einige Ruiter am Dreikönigsabend am Dorfbrunnen eingefunden, es gibt heiße Wurst und alle wärmen sich die Hände am Glühwein oder Kinderpunsch. „Das ist ganz typisch für Ruit“, sagt Ortsvorsteher Aaron Treut. „Das Fest ist ganz spontan entstanden, die Nachbarn haben es kurzentschlossen organisiert.“ Schon der Platz selber zeugt von der Verbundenheit und dem Miteinander der Dorfbewohner. Er entstand 1994 in Eigenleistung anlässlich der 750 Jahr-Feier des 1 500-Seelen-Ortes. Eine schmiedeeiserne Krähe krönt den Brunnen und spielt auf den Spitznamen der Ruiter an, die in der Region als „Krabbe“ (badisch für Krähe) bekannt sind.

Tochter des Bürgermeisters Robert Scheuble

Auch Edith Treut, Aaron Treuts Mutter, ist da. Sie ist mit der jüngeren Geschichte der Ortschaft Ruit bestens vertraut. Als Tochter des langjährigen Ruiter Bürgermeisters Robert Scheuble hat sie die Belange des Ortes schon von Kindesbeinen an hautnah mitbekommen. Von 1981 bis 2009 war sie zudem auf dem Rathaus in Ruit tätig. Bis 1989 arbeitete sie in der Ortsverwaltung als Sekretärin ihres Vaters, der ab 1951 als Gemeinderat, von 1966 bis zur Eingemeindung 1973 als Bürgermeister und danach als Ortsvorsteher fungierte. Alfred Leicht, seinerzeit Oberbürgermeister in Bretten, hatte sie damals gefragt, ob sie ein halbes Jahr lang einspringen könne. Aus dem halben Jahr wurden 28 Jahre, denn auch unter Scheubles Nachfolger Erich Hochberger behielt sie ihre Stelle. Nicht im Entferntesten hatte sie damals daran gedacht, dass Jahre später ihr Sohn in die Fußstapfen seines Großvaters treten wird und Freude daran hat, sich in der Kommunalpolitik zu engagieren und sich für seinen Heimatort einzusetzen. Ihr Vater verkörperte den Typus eines Dorf-Schultes, der sein Amt mit einer sprichwörtlichen Bauernschläue ausübte. Die Familie hatte früher eine große Landwirtschaft, die musste am Laufen gehalten werden. Auch die vier Kinder mussten schon frühzeitig ihre Pflichten erfüllen. „Er war sehr streng und sehr schaffig“, charakterisiert sie ihren Vater, der 1989 zum Ehrenbürger der Stadt Bretten ernannt wurde und 2015 im Alter von 91 Jahren starb. Heute nimmt Edith Treut das kommunalpolitische Geschehen nur noch als stille Beobachterin wahr. Ihr neues "Amt" als Großmutter hat jetzt Priorität.

Ortsfunk verbreitete öffentliche Bekanntmachungen

Der direkte Kontakt im Dorf war damals wie heute üblich. Generell lief man sich in den 60er Jahren aber täglich über den Weg. Man traf sich am Backhäusle, wo die Brotlaibe oder Kuchen zum Backen abgegeben wurden, am Milchhäusle, wohin mit dem Leiterwägele die großen Kannen gefahren wurden, oder in einem der drei Kolonialwarenläden, die es im Dorf gab. Dort fand dann ein reger Austausch über alles statt, was es Neues gab. Öffentliche Bekanntmachungen wurden über den Ortsfunk verbreitet. Die Anlage im Rathaus beschallte über Lautsprecher den ganzen Ort. Der langjährige Ortsdiener Hermann Veith, der die Bekanntmachungen verlas, hatte eine ganz eigene Art entwickelt, sie subtil zu kommentieren. War die Durchsage andernorts immer von der gleichen Melodie umrahmt, variierte Veith nach Gusto. Als einmal ein Dackel entlaufen war, der aufgrund seines häufigen Gebells nicht wohlgelitten war, schloss er den Vermisstenaufruf mit „Großer Gott, wir loben dich“.
1972 wurde die Salzach, der Bach, der durch Ruit fließt, im Zuge des Ortsstraßenbaus verdolt. Grund war einerseits die Geruchsbelästigung bei Niedrigwasser. Andererseits gab es damals schon bei starken Regenfällen Hochwasser, allerdings nur vom Bach, der über die Ufer trat. Damals wie heute war und ist der Hochwasserschutz ein Thema, heutzutage aber mit gestiegenen Anforderungen: Die Schlammwelle, die 2016 den Ort überrollte, kam zu einem großen Teil von den Feldern oberhalb des Ortes.

Schul-Neubau wurde als Kindergarten getarnt

Ungewöhnliche Wege ging die Ortsverwaltung unter Scheuble, um Anfang der 70er Jahre zu dem dringend notwendigen neuen Schulhaus zu kommen. Um die Genehmigung und entsprechende Förderung vom Land zu bekommen, wurde der Neubau kurzerhand als Kindergarten geplant und beantragt. Die Nutzung als Schule stellte der damalige Kultusminister bei einem Besuch in Ruit in Aussicht. Der Zufall (oder das Schicksal?) beschleunigte die ausstehende Genehmigung, als 1973 ein Hubschrauber Orstvorsteher Scheuble "entführte". Die gleichnamige Gemeinde Ruit bei Stuttgart feierte damals nämlich ihr 800jähriges Bestehen, wozu der Süddeutsche Rundfunk unter der Moderation des unvergessenen Hans Rosenthal eine Sendung ausstrahlte. Die Aufgabe eines Kandidaten war es, den Bürgermeister der Gemeinde Ruit bei Bretten, das oft mit dem anderen Ruit verwechselt wurde, herbeizuschaffen. Im Gespräch mit Rosenthal brachte Scheuble dann vor laufenden Kameras vor, dass die Gemeinde immer noch auf die offizielle Genehmigung für die Schule warte. Wenige Tage später lag sie vor.
Originelle Ideen haben die Ruiter auch heute noch. So veranstaltet die Ruiter Abteilung der Freiwilligen Feuerwehr jedes Jahr im Mai ein Traktortreffen. Auch die Gauditurniere im Rahmen der alle drei Jahre stattfindenden Dorffeste erfreuen sich großer Beliebtheit. So finden die Ruiter „Krabbe“ auch heute noch oft Gelegenheit zusammenzukommen.

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In Bretten zuhause 2017

Autor:

Katrin Gerweck aus Bretten

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