Wertheimer-Nachfahre begibt sich auf die Spur seiner Vorfahren
Marc und Roni Wertheimer sind extra von Amerika nach Bretten gereist, um nach den Wurzeln ihrer jüdischen Familie zu suchen. Heidemarie und Rüdiger Leins standen ihnen dabei zur Seite.
Bretten. (wh) Ein Stapel Papier liegt plötzlich auf dem Tisch des Oberbürgermeisters: Stammbäume, Notizen und Kopien von alten Rechnungen. Heidemarie Leins hat den Stoß auf dem Schreibtisch abgelegt und klappt eine der gefalteten A4-Seiten auf. „Das ist der Plan des jüdischen Friedhofs“, erklärt sie die miteinander verbundenen Kästchen mit den eingezeichneten Familienverbindungen. Interessiert neigen sich Marc und Roni Wertheimer herüber.
Die Eheleute haben sich auf den Weg von Maryland, USA, nach Deutschland gemacht, um mehr über Marcs Familiengeschichte zu erfahren. „Jeder will doch wissen, wo er herkommt“, sagt der Vater dreier Kinder, der vor der Reise fast nichts über die Herkunft seiner Eltern wusste. Die Spur führte ihn nach Bretten – hier wurden Marcs Großeltern, Sally und Bianka Wertheimer und sein Vater Manfred geboren – und nach Bauerbach, wo alle Brettener Werheimers ursprünglich herkommen. Manfred verließ Deutschland mit seiner Mutter Bianka, als er 13 Jahre alt war und zog nach New York. „Meine Eltern haben nie von Deutschland gesprochen, es war zu schmerzvoll für sie und sie wollten es vergessen. Wir wurden als Amerikaner aufgezogen“, berichtet Marc. Die Familie Wertheimer besaß eine Eisen-und Glashandlung. Das Geschäft mussten sie 1938 aufgeben.
Spurensuche um Rathaus
Im Büro von OB Wolff fliegen bei einer Tasse Tee englische und deutsche Sätze durch den Raum, während die zahlreichen Kopien, Zettel und Dokumente begutachtet werden. Wolff überreicht zwei Bücher über Bretten und Bauerbach als Geschenk an die Wertheimers, die sich sehr darüber freuen. Man plaudert über Amerika, den Herbst, die Kinder und die kurz zuvor in Bauerbach besichtigte Obstpresse, in die der Name des Urururgroßvaters eingekerbt ist. „Beeindruckend, dass sie noch funktioniert“, kommentiert Roni Wertheimer.
Nach dem Besuch beim OB wartet Stadtarchivar Alexander Kipphan auf die Gäste. Er hat schon einige Bücher herausgesucht: alte Geburts-, Heirats- und Sterbebücher, in denen die Einträge handschriftlich verfasst wurden, Handelskarten und ein altes Adressbuch – „das Telefonbuch von damals“ –, dessen Rückseite eine große Werbeanzeige für das Wertheimersche Unternehmen ziert. „Das Thema Holocaust berührt uns emotional immer noch sehr“, sagt Marc Wertheimer, als die Gruppe das Archiv verlässt. Aber die Zeit habe geholfen, meint das Ehepaar. Dass Deutschland die Geschichte des Dritten Reiches stetig aufarbeitet, sei richtig.
Die Geschichte ist präsent
Die bittere Familiengeschichte der Wertheimers ist präsent in Bretten. Man muss nur genau hinsehen. In der Melanchthonstraße 70, dort wo die Urgroßeltern mütterlicherseits ihr Geschäft hatten, liegen die Stolpersteine von Isak und Pauline Wertheimer, die 1940 nach Gurs deportiert wurden und dort im Juni 1941 starben. Es sind nicht einfach nur zwei Namen. Es sind die Vorfahren von Marc Wertheimer, dem Mann, der in Bretten nach seinen Wurzeln sucht.
Heidemarie und Rüdiger Leins, Mitglieder des Vereins für Stadt- und Regionalgeschichte, leisten einen großen Teil zur Aufarbeitung und Annäherung durch ihre beständige Beschäftigung mit der Geschichte der jüdischen Gemeinde in Bretten sowie dem Sammeln und Aufarbeiten vieler Details. „Ohne Heidi wäre all dies für immer verloren“, sagt Marc. „Die Menschen in Bretten waren wundervoll zu uns“. Mit den gesammelten Informationen wollen die Wertheimers jetzt ihre Familiengeschichte aufschreiben.
Eine Woche sind die Wertheimers in Deutschland. Ihre Tour führt sie noch nach Wiesloch und Lichtenau(/Baden-Baden). Begleitet werden sie von Hans-Georg Schmitz aus Malsch bei Wiesloch, von wo die Großeltern mütterlicherseits stammen. Marc und Roni möchten wiederkommen, vielleicht zu Peter und Paul. Dann wollen sie auch ihre Kinder mitbringen.
Autor:Wiebke Hagemann aus Bretten |
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