Gemeinderat Bretten hat Bebauung der Sporgasse mit einem Dienstleistungszentrum zugestimmt
Brettener Filetstück wird bebaut

Rund 70 Bürgerinnen und Bürger verfolgten im Hallensportzentrum die Diskussion des Brettener Gemeinderats zur Bebauung der Sporgasse. bea
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Bretten (swiz) Mit 14 Ja- und elf Nein-Stimmen hat sich der Brettener Gemeinderat in seiner jüngsten Sitzung am gestrigen Dienstag im Hallensportzentrum für die Bebauung der Sporgasse mit einem "Dienstleistungszentrum (DLZ) mit Arztpraxen" entschieden. Der Entscheidung, die auf Antrag von FWV-Rätin Sibille Elskamp in namentlicher Abstimmung erfolgte, waren diverse Vorträge der an der Planung beteiligten Personen vorausgegangen. So skizzierte Professor Gerd Baldauf vom Büro Baldauf Architekten den bisherigen Verlauf der Projektfindung, während Markus Geiser vom gleichnamigen Architekturbüro dem Rat sowie den rund 70 anwesenden Bürgern noch einmal den Status Quo der Planung erklärte.

62,1 Prozent des DLZ fest vermietet

Einblicke zum derzeitigen Vermarktungsstand gab der Leiter des Amts für Liegenschaften, Frank Bohmüller. Demnach könne man inzwischen auf verbindliche Mietverträge mit drei Fachärzten – einem Augenarzt, einem Hals-Nasen-Ohren-Arzt und einem Zahnarzt – sowie zwei Fachgeschäften – einer Apotheke und einem Optiker/Hörakustiker – verweisen. Zudem liegen laut Bohmüller zwei verbindliche Verträge mit nicht näher bezeichneten Dienstleistungsunternehmen mit einer Gesamtfläche von 750 Quadratmetern vor. Damit sind 62,1 Prozent des DLZ vermietet. Zusätzlich zu den festen Verträgen seien mit drei weiteren Praxen für Allgemeinmedizin, Orthopädie und Physiotherapie bereits ebenfalls Mietkontrakte abgeschlossen worden, so Bohmüller. Diese seien allerdings mit einem Rücktrittsrecht versehen. "Komplett frei sind danach nur noch drei Einheiten mit einer Gesamtfläche von 371 Quadratmetern", hatte Oberbürgermeister Martin Wolff bereits in einem Pressegespräch in der vergangenen Woche erklärt.

5,5 Millionen Euro für Tiefgarage

Nähere Einblicke in den Bau der unter dem Dienstleistungszentrum geplanten zweistöckigen Tiefgarage hatte zuvor noch Architekt Geiser gegeben. Mit dem Bau der Garage soll demnach im Juni 2021 begonnen werden, geplant ist mit einer Bauzeit von rund einem Jahr. Entstehen sollen in dieser Zeit Parkmöglichkeiten für 189 Fahrzeuge sowie diverse Ladestationen für Elektroautos. Bei der Kostenschätzung, so Architekt Geiser, sei man durch verschiedene Bauoptimierungen von 6,3 Millionen Euro auf rund 5,5 Millionen Euro gekommen.

Parkplatzkonzept soll Wegfall kompensieren

Um die wegfallenden Parkplätze während der Bauzeit auf der Sporgasse zu kompensieren, habe man sich, so Bohmüller, zudem ein Parkplatzkonzept überlegt. Kritik am geplanten Baustart der Sporgassen-Bebauung war in den letzten Wochen vor allem von Seiten der Einzelhändler in der Innenstadt und der Vereinigung Brettener Unternehmen (VBU) gekommen, die durch den Wegfall von Parkplätzen und die Begleiterscheinungen einer Großbaustelle Umsatzeinbußen fürchten. So sollen die während der Bauzeit wegfallenden 90 Parkplätze unter anderem durch 23 neue Stellplätze an der Straße Am Engelsberg, 20 Plätze auf dem Rathausvorplatz (Alfred-Leicht-Platz) und 15 auf der Straße Am Seedamm kompensiert werden. Dazu habe man in der Haushaltsklausur beschlossen, einen Parkplatz "Am Schänzle" mit 20 Plätzen provisorisch herzustellen. Eine weitere denkbare Maßnahme ist die Verlegung von 40 Dauerparkplätzen vom Parkplatz "Am Seedamm" auf den Parkplatz "Gleisdreieck". So würden insgesamt 118 zusätzliche Parkplätze entstehen. Darüber hinaus müsse das Potenzial des Parkhauses "Löwenhof" stärker ausgeschöpft werden. Die 96 Stellplätze des Parkplatzes an den Beruflichen Schulen seien ab Freitagnachmittag ebenso nutzbar. Abschließend wäre es laut Verwaltung denkbar, die derzeit 20 Stellplätze für Dauerparker auf dem Sporgassenparkplatz in das Parkhaus "Pfluggasse" zu verlegen.

"Jetzt müssen wir auch Farbe bekennen"

In der anschließenden Aussprache zum Projekt zeigte sich dann, wie erwartet, die große Uneinigkeit der Fraktionen. Als klarer Befürworter des Projekts hatte sich schon in den Wochen vor der Abstimmung die CDU gezeigt. Die vom Gemeinderat einst eingeforderte Quote an Mietverträgen von 50 Prozent sei mit dem derzeitigen Ergebnis bereits klar überschritten, betonte Fraktionssprecher Martin Knecht. "Jetzt müssen wir auch Farbe bekennen." Das DLZ bringe neben einer langfristigen Sicherung der medizinischen Versorgung auch den Erhalt und die Schaffung von Arbeitsplätzen sowie die Generierung von Kaufkraft. Zudem sei die Kommunalbau, die für die Realisierung des DLZ verantwortlich sein wird, eine vertrauenswürdige Gesellschaft, die nicht abhängig von Steuergeldern sei.

Zustimmung und Ablehnung

Klare Zustimmung kam auch von den Grünen. Während die vom Projekt zurückgetretene Firma Weisenburger nicht mit den Ärzten habe umgehen können, so Sprecher Otto Mansdörfer, habe die Kommunalbau nun "ein Bündel an Verträgen" vorweisen können. "Das Projekt kann starten", folgerte Mansdörfer. Dies sah Sibille Elskamp eher skeptisch: Die Kosten für das Projekt seien bisher nur Schätzungen und könnten noch steigen, so die FWV-Rätin. Man sei allerdings nicht grundsätzlich gegen einen Bau, aber in der momentanen Lage könne man dem Projekt nicht zustimmen. "Vielleicht ist das in einem Jahr anders", so Elskamp, "aber derzeit haben es Gastronomen und Händler so schwer, dass wir das nicht machen können."

"Als Tiger gestartet und als Bettvorleger gelandet"

Ablehnung kam auch, wie zu erwarten, aus der Fraktion "die aktiven". Man befürchte, so Sprecher Jörg Biermann, "falls die Stadt tatsächlich die Investitionen zusammen mit einer städtischen Tochter stemmen will, dass eine zweite Weißhofer Galerie entsteht und hier unnötig mit Steuergeldern eine zweite Gewerbeimmobilie mit ähnlich hohem Risiko gebaut wird, die jährlich mit einem sechsstelligen Betrag subventioniert werden muss". Man sei als "Tiger gestartet und als Bettvorleger gelandet", wurde Biermann dann deutlich, denn aus dem Ärztehaus eines Investors sei nun ein Dienstleistungszen-trum mit eigenem Vermarktungsrisiko geworden. Zudem befürchten "die aktiven" große Mehrkosten durch steigende Baupreise. Dies alles mache es der Fraktion unmöglich, der Vorlage der Verwaltung zuzustimmen. Ein klares "Nein" zum geplanten Projekt kam in einer knappen Stellungnahme in der Folge auch von AfD-Rat Andreas Laitenberger. Er habe den Bau auf der Sporgasse schon im Wahlkampf abgelehnt und bleibe nun auch dabei.

Gespaltene Fraktionen beim Thema Sporgasse

Gespalten sei indes die SPD-Fraktion, wie Sprecher Edgar Schlotterbeck betonte. Er sei allerdings optimistisch, dass auch die Vertragspartner mit Rücktrittsrecht ihren Weg in das Dienstleistungszentrum finden würden. Zudem glaube er an die Rendite des Objekts. Seine Fraktionskollegin Birgit Halgato warf dagegen ein, man müsse sich im Klaren sein, dass man die rund 100 Arbeitsplätze, die im DLZ entstehen sollen, nicht schaffe, sondern nur verlagere.
Hermann Fülberth (Aufbruch Bretten) sah vor allem die propagierte Kaufkraftbindung durch das neue Zentrum nicht gegeben. 70 Prozent der Kaufkraft konzentrierten sich in Bretten schon im Kraichgau Center und auf der Diedelsheimer Höhe, so Fülberth, ein großer Teil des Rests gehe in den Online-Handel. "Kaufkraftbindung durch ein Dienstleistungszentrum ist Schnee von gestern."

1,1 Millionen Euro zusätzliche Kaufkraft

Zuvor hatte Matthias Prüller von der Imakomm Akademie seine von der Stadt Bretten in Auftrag gegebene gutachterliche Stellungnahme zu den "Kaufkrafteffekten des DLZ mit Arztpraxen am Standort Sporgasse" vorgestellt. Demnach sei sehr wohl mit einer steigenden Kaufkraft durch die Besucher und Mitarbeiter des Zentrums zu rechnen. Ein tatsächliches, zusätzliches Kaufkraftpotenzial für die Innenstadt von mindestens 1,1 Millionen Euro pro Jahr, sei nach dem Bau des Dienstleistungszentrums als realistisch zu betrachten. Schaffe man an dieser Stelle "lediglich" Wohnraum, so Prüller in seiner Stellungnahme, würde dies nur zu einem zusätzlichen Kaufkraftpotenzial von weniger als 0,2 Millionen Euro führen.

Autor:

Christian Schweizer aus Bretten

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