Widerstand gegen geplante Windkraftanlagen in Weingarten/Walzbachtal
Bürgerinitiative will Bau verhindern

Weingarten/Walzbachtal (hk) Gegen den Bau des Industriewindparks innerhalb des Naherholungsgebietes am Standort Oberer Heuberg zwischen Weingarten und Walzbachtal-Jöhlingen formiert sich Widerstand. Die Ortsgruppe Walzbachtal der Bürgerinitiative „Gegenwind Obergrombach – Helmsheim – Kraichgau“ will den Bau verhindern und hat daher einen offenen Brief an die politischen Vertreter verfasst mit der Aufforderung zum Handeln.

Erzeugungskapazitäten werden vom Netz gehen

Bereits auf der letzten Gemeinderatssitzung in Walzbachtal vor der Sommerpause trug ein Vertreter der EnBW, Details zum geplanten Windkraft-Projekt vor. Dieses könne aus Sicht der EnBW zukünftig einen Beitrag zur Versorgung der umliegenden Kommunen und der Region mit Strom aus erneuerbarer Energie und damit auch zur Energiewende in Baden-Württemberg leisten. Gerade im Großraum Karlsruhe würden in den kommenden Jahren große Erzeugungskapazitäten planmäßig vom Netz gehen. Durch den geplanten Windpark in Weingarten sehe das Unternehmen die Möglichkeit, einen Teil dieser fehlenden Kapazitäten direkt vor Ort zu erzeugen und den Verbrauchern in der Region zur Verfügung zu stellen. Außerdem könne die Gemeinde von der regionalen Wertschöpfung durch die Standorte auf ihrer Gemarkung profitieren, so EnBW-Projektleiter Matthias Trenkel auf Anfrage der Brettener Woche/kraichgau.news.

„Projekt wird sich niemals amortisieren“

Die Bürgerinitiative befürchtet allerdings, dass die Größe der geplanten Anlagen und der Abstand zum Ort, auch einen negativen Einfluss auf Walzbachtal haben werden, auch wenn die Windkraftanlagen (WKA) auf Weingartener Gemarkung gebaut werden. Geplant sind fünf WKA mit jeweils einer Höhe von 247 Metern, die in weniger als einem Kilometer Entfernung zu Jöhlingen stehen und Ende 2023 in Betrieb gehen sollen. Die Gruppe betrachtet das Vorhaben äußerst kritisch, denn die Anlagen würden an der Stelle aufgrund der geringen Windhöffigkeit (durchschnittliches Windaufkommen an einem bestimmten Standort als Maßstab für die Gewinnung von Windenergie, Anm. der Redaktion) keinen Sinn ergeben. „Ohne horrende staatliche Subventionen – und damit unsere Steuergelder – wird sich dieses Projekt niemals amortisieren“, so ein Sprecher der Initiative.

Regenerative Energien ja, aber nicht um jeden Preis

In einem offenen Brief, der der Redaktion vorliegt, fordert die Bürgerinitiative eine zeitnahe, unabhängige und umfassende Aufklärung über das geplante Projekt. Der Walzbachtaler Bürgermeister Timur Özcan erklärte gegenüber der Brettener Woche/kraichgau.news, dass die Gemeinde Walzbachtal den Ausbau von erneuerbaren Energien grundsätzlich befürworte. Dennoch sei die Verhältnismäßigkeit stets zu überprüfen: „Wir wünschen regenerative Energien, aber nicht um jeden Preis. Die geplante Höhe von 247 Metern ist verhältnismäßig sehr hoch und damit mehr als doppelt so hoch wie unser Zementwerksturm in Wössingen. Daher kann ich den Unmut der betroffenen Bürgerinnen und Bürger verstehen und auch nachvollziehen“, so Özcan. Der Walzbachtaler Bürgermeister wiest aber auch darauf hin, dass die Flächen vom Regionalverband sowie dem Nachbarschaftsverband Karlsruhe schon vor längerer Zeit ausgewiesen worden seien und in einer öffentlichen Gemeinderatssitzung über den Abstand den WKA beschlossen wurde. „Wir als Gemeinde Walzbachtal haben insofern keine Entscheidungsbefugnis, ob die WKA gebaut werden oder nicht. Dies liegt vielmehr an der Entscheidung der Grundstückseigentümer der ausgewiesenen Flächen in Weingarten, unter anderem die Gemeinde Weingarten“, verdeutlicht Özcan.
Dazu sagt die Bürgerinitiative: „Ein derartig gewaltiges Projekt, das aufgrund der unmittelbaren Nähe zu Walzbachtal die Einwohner unserer Gemeinde unmittelbar betrifft, und das in einem Ausmaß, das viele noch nicht absehen können – das möchten wir nicht so einfach akzeptieren“, so die Initiative.

„In einem dicht besiedelten Gebiet höchst problematisch“

Aufgrund der Höhe und der Standorte hat sich auch CDU-Landtagskandidat Ansgar Mayr ablehnend zu den geplanten Windkraftanlagen geäußert. Mayr verweist auf den Windatlas für Baden-Württemberg, wonach die Region zu den eher windschwachen Gegenden gehört. Er vermutet, dass herkömmliche Anlagen an der geplanten Stelle nicht sonderlich effizient seien, weshalb man nun offensichtlich in die Höhe gehen wolle. „Diese Idee von Windrädern, die in ihrer Gesamtausprägung selbst den Stuttgarter Fernsehturm deutlich übersteigen, halte ich jedoch in einem dicht besiedelten Gebiet wie bei uns für höchst problematisch“, sagt Mayr.

„Aber auch klarmachen, warum Energiewende wichtig ist“

Im Gegensatz dazu sehe die grüne Landtagsabgeordnete Andrea Schwarz die Notwendigkeit, die Windenergie in Baden-Württemberg auszubauen, um die Klimaschutzziele zu erreichen. „Wer Klimaschutz ernst nimmt – und das sollten wir angesichts des dritten Hitzesommers und dem daraus resultierenden Zustand unserer Wälder – der verstrickt sich nicht in Abwehrkämpfe und ‚Ausschließeritis‘, sondern fragt, was man selbst vor Ort für die Energiewende tun kann“, so Schwarz. Wichtig bei den Planungen für neue Anlagen sei für die Abgeordnete aus Oberderdingen zwei Faktoren. Erstens müssten die rechtlichen Voraussetzungen für die Anlagen erfüllt sein. Dazu zähle, dass der Grundwasserschutz, Artenschutz und der Lärmschutz gewährleistet sind. Zweitens brauche es für Großprojekte wie die Windkraftanlagen auf dem Heuberg eine breite Öffentlichkeitsbeteiligung mit einem faktenbasierten Austausch. „Es ist mir wichtig, die Menschen vor Ort mitzunehmen. Wir müssen ihre Anliegen ernst nehmen, aber auch klarmachen, warum die Energiewende wichtig ist. Dazu brauchen wir die Bereitschaft, Argumente der anderen anzuhören und sachlich miteinander zu diskutieren. Mit der Vorstellung des Projekts im Gemeinderat von Weingarten wurde dieser Dialog begonnen und ich wünsche mir, dass er mit breiter Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger fortgeführt wird.“

Unruhe für Mensch und Tier

Die Argumente der Windkraftgegner beziehen sich auf einige wesentliche Punkte. Die exponierte Lage westlich von Jöhlingen erzeuge bewegte Rotorschatten über Terrassen, Balkonen und Grundstücken von Walzbachtal. Diese optische Beeinträchtigung könne die Gesundheit von Mensch und Tier belasten. Zum anderen werde das Landschaftsbild nachhaltig gestört. Unter dem Aspekt Naturschutz würden große Flächen für die Anlagen und deren Zufahrtswege verbaut und damit Flora und Fauna zerstört. Der streng geschützte Rotmilan zähle laut NABU zu den häufigsten Kollisionsopfern an Windenergieanlagen und diese Vogelart halte sich regelmäßig im Umfeld der geplanten Standorte auf. Hinsichtlich der Gefahren für die Gesundheit argumentieren die Windkraftgegner damit, dass der nicht hörbare Infraschall nachweisbare Beeinträchtigungen für die Gesundheit der umliegenden Bewohner berge. Anders als feststehende Objekte in der Landschaft würden Windkraftanlagen durch ihre Größe sowie Rotation und Nachtbeleuchtung Unruhe für Mensch und Tier bringen. Die Initiative ist zudem der Ansicht, dass Immobilienwerte in der Nähe von Windkraftanlagen stark sinken würden.

„Große Mehrheit geht leer aus und muss mit negativen Folgen leben“

„Mit Windkraft machen nur einige wenige Gewinne. Unter anderem durch großzügige Subventionen und auf Jahren garantierte und überhöhte Einspeisevergütungen. Aber die große Mehrheit in der Region geht leer aus und muss mit den negativen Folgen leben“, so der Sprecher. Wer sich persönlich informieren möchte, kann das am 26. September ab 9 Uhr auf dem Infostand beim Penny-Markt in Jöhlingen, am 10. Oktober auf dem Infostand beim REWE in Wössingen und am 17. Oktober um 15 Uhr bei einem Spaziergang auf dem Heuberg mit Start am Naturfreundehaus Alm in Jöhlingen tun.

Autor:

Havva Keskin aus Bretten

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