Online-Petition gegen privates Silvesterfeuerwerk
„Das Risiko ist einfach zu hoch“

Bretten (hk) Am 15. April 2019 blickte die ganze Welt in die Hauptstadt Frankreichs nach Paris: Lichterloh brannte die Kathedrale Notre-Dame de Paris. In den Abendstunden stürzte schließlich das höchste Bauteil der Kirche, der Vierungsturm, ein. Diese Ausnahmesituation hat wieder vor Augen geführt, wie schnell und gnadenlos loderndes Feuer jahrhundertealtes Holz zerstören kann. Könnte sich ein ähnliches Szenario in Bretten abspielen? Wenn es nach dem 65-jährigen Rainer Dosch geht, dann könnte das passieren. Der Brettener fragte sich, wie es mit der Brandgefahr in der Altstadt mit den zahlreichen Fachwerkhäusern aussieht. „Gerade an Silvester kann es durch unsachgemäße Handhabung von Feuerwerkskörpern zu gefährlichen Situationen kommen“, ist er der Meinung. „Es geht ja nicht nur um die Gebäude. Vielmehr sind in diesen Gebäuden auch Bücher und Schriftstücke aus der Reformationszeit von unschätzbarem Wert gelagert. Das Risiko ist einfach zu hoch“, betont er.

„Ist das nicht widersprüchlich?“

Tatsächlich gibt es in Bretten schon ein Abbrennverbot von Feuerwerkskörpern an Silvester im Bereich der Altstadt. In der Verordnung zum Sprengstoffgesetz, aus dem ein Auszug auf der Webpräsenz der Stadt Bretten zu lesen ist, heißt es: „In der unmittelbaren Nähe von Kirchen, Krankenhäusern, Kinder- und Altersheimen sowie Reet- und Fachwerkhäusern ist das Abbrennen von Feuerwerkskörpern und Knallkörpern verboten […] Mit stichprobenartigen Kontrollen muss gerechnet werden.“ „Die Realität sieht leider so aus, dass diese Kontrollen nicht greifen. Nach wie vor werden in der Altstadt, vor Kirchen und Altenheimen Feuerwerkskörper gezündet. Ist das nicht widersprüchlich?“, fragt Dosch.

„Anblick am Folgetag erinnert an einen Kriegsschauplatz“

13-fach über dem Grenzwert habe die Feinstaubbelastung in der Silvesternacht 2018 in Bretten laut seinen eigenen Messungen betragen, sagt der 65-Jährige, der sich einen Namen als „Feinstaub-Experte“ gemacht hat. „Und der Anblick am Folgetag erinnert an einen Kriegsschauplatz“, sagt Dosch, der auch den an Silvester verursachten Müll als Belastung empfindet. Und zu guter Letzt könne jeder Haustierbesitzer ein Lied davon singen, welche Angst und Panik die Tiere an Silvester mitmachen müssten. Eine klare Unterstützerin der Petition, die ehrenamtlich eine Wildvogelauffangstation betreibt, unterstreicht diesen Aspekt: „Wildvögel verlassen bei Feuerwerken vor Schreck ihre Schlafplätze und knallen in Panik blindlings gegen Hindernisse.“ Zudem sei es in Bretten und ganz besonders in den Ortsteilen mit „eigenen Gesetzen“ gang und gäbe an Festivitäten Feuerwerke abzubrennen. „Während der Brutzeit verlassen unsere Wildvögel vor Schreck ihr Gelege. Bis der Brutvogel morgens wieder zum Nest zurückfindet, ist das Gelege ausgekühlt und tot.“ Und auch der Ortsverband Bretten der Grünen/Bündnis90 meldet sich zu Wort. In einer Stellungnahme heißt es: „Rund 140 Millionen Euro werden in Deutschland jedes Jahr an Silvester für Feuerwerk ausgegeben. Damit könnte man sicher ‚Sinnvolleres‘ machen, wie der Slogan ‚Brot statt Böller‘ nahelegt.“

„Gehen Sie mit gutem Beispiel voran“

Aus den bereits genannten Gründen fordert Dosch von der Stadt Bretten mithilfe einer Online-Petition zum einen die Einhaltung des bereits bestehenden Verbots, das sich auf die Altstadt bezieht, zum anderen ein generelles Verbot von privatem Feuerwerk in Bretten. In der Online-Petition richtet der gelernte Elektroniker seine Worte an Oberbürgermeister Martin Wolff: „Sie reden immer von einer vorbildlichen Stadt, die in alle Richtungen Vorreiter sein will. Gehen Sie mit gutem Beispiel voran und verbieten Sie in Bretten das private Abfeuern von Silvesterböllern.“ In einer Mitteilung der Stadtverwaltung appelliert Oberbürgermeister Martin Wolff an einen maßvollen und verantwortungsbewussten Umgang oder an einen freiwilligen Verzicht zugunsten der Umwelt. Es werde in diesem Jahr allerdings kein grundsätzliches Verbot geben. Auch lässt Wolff wissen, dass am Silvesterabend Ordnungskräfte unterwegs seien, die ein Auge auf das Abbrennverbot im Bereich der Altstadt haben und entsprechende Kontrollen durchführen. „Leider ist eine strikte Kontrolle der geltenden Regelungen kaum zu bewältigen, da weder die Polizei noch der städtische Gemeindevollzugsdienst hierzu das nötige Personal hat“, heißt es seitens der Grünen. Deshalb gelte es vor allem, an die Einsicht der Bürgerinnen und Bürger zu appellieren, ihr persönliches Verhalten zu überprüfen.

Sinngemäß im „Zeitalter des Klimawandels“?

Dosch hofft auf ein umfassendes Verbot, wenn sich das Jahr 2020 dem Ende neigt. Bis dahin möchte er mit seiner Petition auch einen Denkanstoß geben: Feuerwerk an Silvester möge zwar schön sein, doch er bezweifle, dass es im „Zeitalter des Klimawandels“ überhaupt noch sinngemäß sei. Um die Aspekte Sicherheit, Silvestertraditionen und Umweltschutz in Einklang zu bringen, könnte sich der Feinstaub-Experte mit dem Kompromiss, ein zentral organisiertes Feuerwerk auszurichten, anfreunden. „Beim Peter-und-Paul-Fest klappt das ja auch wunderbar: Wo ein kontrolliertes und professionelles Feuerwerk ist, da ist die Feuerwehr schnell zur Stelle.“ Derweil hat die Online-Petition auf change.org schon mehr als 300 Unterstützer. Die Petition reiht sich in eine Vielzahl weiterer, ausgelöst durch die Kampagne der Deutschen Umwelthilfe, die auf www. feuerwerk-change.org Bundesbürger dazu aufruft, Petitionen in ihren Städten zu starten.

Autor:

Havva Keskin aus Bretten

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