Landwirte kritisieren Volksbegehren "Rettet die Bienen" als unverhältnismäßig
"Das würde Existenzen zerstören"

Auf den Feldern von Alexander Kern ist beides zu sehen: Der Widerstand gegen das Volksbegehren mit dem Kreuz und Insektenschutz mit dem "Komblü"-Streifen. | Foto: swiz
  • Auf den Feldern von Alexander Kern ist beides zu sehen: Der Widerstand gegen das Volksbegehren mit dem Kreuz und Insektenschutz mit dem "Komblü"-Streifen.
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Bretten (swiz) Mit der freien Sammlung von Unterschriften ist am Dienstag, 24. September, das Volksbegehren zum Schutz der Artenvielfalt, auch bekannt unter dem Titel "Rettet die Bienen", gestartet. Der Gesetzesentwurf, den die Stuttgarter Berufsimker David Gerstmeier und Tobias Miltenberger initiiert haben, stellt an die Politik sehr weitreichende Forderungen. Die Kernanliegen sind dabei, den Anteil der Flächen, auf denen Pestizide genutzt werden, bis 2025 zu halbieren und Artenvielfalt gefährdende Pestizide in Naturschutzgebieten gänzlich zu verbieten. Zudem soll die ökologische Landwirtschaft bis 2035 auf 50 Prozent ausgebaut werden – im Moment sind es rund 14 Prozent. Darüber hinaus sollen Streuobstflächen besser geschützt werden.

Modalitäten des Volksbegehrens

Jeder zehnte Wahlberechtigte in Baden-Württemberg – also rund 770.000 Menschen – muss seine Unterschrift abgeben, damit der Gesetzentwurf dem Landtag zur Abstimmung vorgelegt werden kann. Wenn dieser dem vorgelegten Entwurf dann nicht ohne Änderungen zustimmt, gibt es eine Volksabstimmung. Bei dieser müssen 20 Prozent der Wahlberechtigten ihre Zustimmung geben.

Zustimmung vom NABU Bretten

Zustimmung für die Forderungen des Volksbegehrens kommt vom NABU Bretten. 50 Prozent Öko-Landbau klinge natürlich erst einmal viel, aber es sei "die Aufgabe der Landesregierung, diesen für die Bauern attraktiv zu machen", so Martin Alb, zuständig für die Öffentlichkeitsarbeit. "Das geht nur durch die Umschichtung von Fördergeldern." Denn diese würden zur Zeit noch hauptsächlich in die reine Fläche gehen. Das fördere aber den Anbau von Monokulturen. Die Halbierung der mit Pestiziden belasteten Flächen ist für Alb alternativlos. "Wenn wir das nicht schaffen, dann ist die Artenvielfalt stark gefährdet."

"Wir leugnen den Klimawandel nicht"

Er leugne als Landwirt ja keineswegs den Klimawandel oder den Rückgang der Insekten, betont der Diedelsheimer Landwirt Alexander Kern im Gespräch mit der Brettener Woche. "Ich wehre mich aber dagegen, dass wir Bauern nun die alleinige Schuld dafür bekommen. Denn unser Berufsstand macht schon viel dafür, dass das Insektensterben gestoppt wird." So sei man in Diedelsheim unter anderem am "Komblü"-Programm der Stadt Bretten beteiligt und lege Blühstreifen für die Nahrungsgrundlage der Insekten, insbesondere von Wild- und Honigbienen an. "Dabei bauen wir unsere Nutzpflanzen in einer Fruchtfolge an, um auch die Nährstoffe im Boden zu halten." Als problematisch sehe er auch die Forderung der drastischen Pestizid-Reduktion an. "Das ist, als ob man vom Arzt eine Zehn-Tages-Ration an Antibiotika verschrieben bekommt und diese nur fünf Tage nimmt. So ein Verbot macht keinen Sinn, weil es bei den Schädlingen nur die Resistenzen fördert." Dazu nutzt Kern ohnehin möglichst wenig Pestizide: "Bevor wir spritzen, ziehen wir erst einmal alle anderen Register."

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Kritik am Ausbau der Öko-Landwirtschaft

Auch der Oberderdinger Bio-Bauer Heiko Leis steht dem Volksbegehren kritisch gegenüber. "Natürlich gibt es dabei auch Chancen, aber ich sehe diese eher für die Großbetriebe, die wahrscheinlich wachsen werden, da viele kleine und mittlere Familienbetriebe durch die zusätzlichen Auflagen des Volksbegehrens aufhören werden." Das treffe dann die Bio-Betriebe genauso wie die konventionellen Landwirte. Kritik entzündet sich auch bei Leis an der Forderung, die Öko-Landwirtschaft bis 2035 auf 50 Prozent auszubauen.

"Das würde Existenzen zerstören"

Bio-Produkte seien in der Erzeugung und Produktion aufwendiger und teurer und auch das Produktionsrisiko deutlich höher. "Ich glaube nicht, dass 50 Prozent der Bevölkerung bereit sind, die höheren Preise konsequent dauerhaft zu bezahlen." Kern sieht indessen vor allem das Problem eines Preisverfalls bei Bio-Erzeugnissen: "Es gibt schon jetzt das Problem, dass der Preis für Biogetreide stark gesunken ist, da das Angebot so zugenommen hat. Durch dieses Vorhaben wäre der Markt dann mit einem Stoß vernichtet und der Preis am Boden. Das würde Existenzen zerstören."

Markt muss attraktiv sein

Gegen diese Einschätzung wehrt sich der Koordinator des Volksbegehrens, Sven Prange, im Gespräch mit dieser Zeitung: "Unser Gesetzentwurf fordert ja nicht, dass jeder zweite Betrieb zwangsweise auf Öko umgestellt wird. Wir wollen lediglich die Landesregierung verpflichten, über eine Förderungsstrategie, den Öko-Landbau so attraktiv zu machen, dass möglichst die Hälfte der Landwirtschaftsflächen freiwillig ökologisch bewirtschaftet werden." Freiwillig würden die Landwirte das aber nur machen, wenn der Markt attraktiv genug sei. Insofern werde sich die Landesregierung um eine bessere Marktsituation kümmern müssen. Zudem ist Prange überzeugt: "Ein Preiskampf nach unten, wird durch unser Gesetz definitiv nicht ausgelöst".

"Viele hängen immer noch am Gedanken, Essen muss billig sein."

Einen differenzierten Blick auf die derzeitige Diskussion um das Volksbegehren hat der Bruchsaler Imker Achim Zimmerer. Wenn man einen Wandel wolle, dann müsse das Begehren umgesetzt werden, so Zimmerer. Auch wenn dadurch sein Beruf, die Imkerei, nicht einfacher werde. Er spielt dabei vor allem auf die Bedeutung der Pflanzenschutzmittel für den konventionellen Rapsanbau an. Schon 2018 wurde dieser durch das EU-Freilandverbot für drei Neonikotinoide stark getroffen. Dadurch wurde der Pflanzenschutz beim Raps ungleich schwieriger. Die Folge, kaum noch Raps auf den Feldern und so für die Bienen weniger Nahrung und für die Imker weniger Ertrag. Denn, so Zimmerer, "unser Frühjahrshonig ist Rapshonig". Durch die Halbierung der Pestizidflächen könnte dieser Trend sich noch ausweiten. Zum Nachteil der Imker. Er stehe dennoch hinter dem Begehren, betont der Bruchsaler Imker. "Wie der Name schon sagt, kommt das vom Volk und darauf muss auch die Politik hören." Es müsse sich aber dann nicht nur etwas in der Landwirtschaft, sondern auch im Bewusstsein der Kunden ändern. "Viele hängen immer noch an dem Gedanken, Essen muss billig sein."

"Das ist ein Selbstläufer"

Der Erfolg des Volksbegehrens ist für Prange indes so gut wie sicher: "Wir haben in der Antragsrunde statt der geforderten 10.000 fast 36.000 Unterschriften gesammelt, ohne aktiv dafür geworben zu haben. Die Menschen in Baden-Württemberg wollen ganz eindeutig endlich eine wirksame Umweltpolitik, nicht nur Gerede. Und sie wollen eine nachhaltige Agrarwende. Beides werden wir erreichen." Und auch Alb betont: "Das ist ein Selbstläufer".

Autor:

Christian Schweizer aus Bretten

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