Jährliche Gedenkfeier in Gurs, Südfrankreich
Eine Reise zu einem der traurigsten Kapitel der deutschen Geschichte

Stele mit hebräischer Aufschrift
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Die alljährlichen Feierlichkeiten zum Gedenken an die Deportation von Tausenden Juden aus Baden, dem Saargebiet und der Rheinpfalz führt die Arbeitsgemeinschaft zur Unterhaltung und Pflege des Deportiertenfriedhofs und die Israelitische Religionsgemeinschaft Baden nach Gurs in Frankreich, am Fuße der Pyreneen. Viele Jugendliche waren bei den Feierlichkeiten anwesend, denn dieses Wochenende war Teil der Jugend-Gedenkfahrt 2023, die die Arbeitsgemeinschaft ausgeschrieben hatte.

Die Stadt Emmendingen, vertreten durch Oberbürgermeister Schlatterer, hatte den Vorsitz in diesem Jahr. Heidemarie Leins vertrat die Stadt Bretten bei der Gedenkveranstaltung. Die Bundesrepublik Deutschland schickte Frau Generalkonsulin Stefanie Zeidler. Sie war es auch, die als erste den Blick von der Vergangenheit auf das Heute lenkte. „Antisemitismus ist keine Meinung, sondern eine menschenverachtende Straftat. Der Kampf gegen Hass und Hetze ist nicht nur eine Aufgabe für den Staat und die Polizei. Null Toleranz gegenüber Antisemiten und Antisemitismus - hier sind wir alle gefordert, als Bürgerinnen und Bürger“, mahnte sie. Die weiteren Redner schlossen sich dieser klaren Aussage uneingeschränkt an.

Am nächsten Tag wurden dann am Friedhof in Pau Stelen enthüllt. Drei Stelen. Der Text ist gleich. Jede Stele hat ihre eigene Sprache - Französisch, Hebräisch und Deutsch. Das sind die Sprachen der an der Katastrophe Beteiligten, Opfer und Täter. Frau Staatsekretärin Sandra Boser vom Kultusministerium in Stuttgart erinnerte an die gemeinsame Arbeit der betroffenen drei Bundesländer, den in den vielen Lagern Verstorbenen durch einheitliche Grabsteine ein deutliches Gesicht zu geben. „Der Zweck des Denkmals bleibt damit stets auch auf unsere Gegenwart bezogen. Indem wir an die Opfer von politischer Gewalt erinnern, beziehen wir selbst politische Position“, so ihre Worte. Weil das nicht immer möglich ist, wurden die Stelen angefertigt, um einen Platz des Gedenkens zu schaffen. Bretten gedenkt an dieser Stelle Pauline Wertheimer, Ignatz Helbarth (Vater von Lina Schmulewitz) und Emil Simon. Ihre Gräber sind auf dem Friedhof in Pau nicht mehr vorhanden.

Mehrere Brettener Bürgerinnen und Bürger sind aber auf dem Friedhof in Gurs bestattet. So waren es dieses Mal die Gräber von Moritz Lichtenberger und seiner Schwägerin Helene Lichtenberger, geb. Veis, deren Leben in Augenschein genommen wurde. Sie starben kurz hintereinander. Moritz Lichtenberger, der 1865 mit dem Vornamen Maier in Bauerbach geboren wurde, lebte mit seiner Frau in Mannheim, mit der er am 22.10.1940 von Mannheim aus deportiert, wie auch Sohn und Schwiegertochter, die in Izbica ermordet wurden. Nachdem Moritz im April 1941 in Gurs verstarb, wurde von vielen Seiten alles unternommen, um seine Frau Emma aus dem Lager zu befreien und die Ausreise in die USA vorzubereiten. Die Aktenlage im Archiv in Pau ist eindeutig. Sie war mittlerweile im Außenlager Masseube. Doch ihre Kräfte machten nicht mehr mit. Im Krankenhaus in Auch starb sie am 12.6.1943 und wurde auf dem dortigen Friedhof beigesetzt.

Moritz (Maier) hatte einen Bruder Moritz, geb. 1855, der sich aber später Max nannte. Er heiratete 1886 Helene Veis aus Bretten. 1925 zog das Ehepaar nach Freiburg, wo Moritz nach fünf Jahren starb. Seine Frau, seine Tochter mit Mann, wurden nach Gurs verschleppt. Helene starb schon nach sechs Wochen nach ihrer Ankunft.

Die diesjährigen Gedenkfeierlichkeiten boten wiederum die Gelegenheit, in den Archiven von Pau und Perpignan zu recherchieren. Überall sind Namen Brettener Bürger jüdischen Glaubens zu finden. Diese Namen mit Leben für die Zukunft zu füllen, ist die selbstgestellte Aufgabe von Heidemarie Leins und eine besondere Form der Erinnerungskultur.

HL

Autor:

Heidemarie Leins aus Bretten

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