Notfallplan vorgelegt
Erste Hilfe für den Wald

Stuttgart (Martin Oversohl/dpa/lsw) Deutlicher geht es nicht - eine "Katastrophe" erlebe der Wald, er sei im Klimastress, im Ausnahmezustand, warnen Politiker und Förster, Waldbesitzer und Naturschützer. Was tun? Welche Bäume setzen? Oder sollte man die Flächen einfach aufgeben, obwohl der Wald der große Hoffnungsträger gegen den Klimawandel ist? Verbände und Politiker haben beim Stuttgarter Waldgipfel einen Notfallplan des Forstministers Peter Hauk besprochen. Das Ergebnis in etwa: häufiger reden, schneller entscheiden, mehr bezahlen.

Die Lage

Zwei trockene Sommer in Folge und massive Schäden durch den Borkenkäfer - Tausenden Bäumen haben Hitze und Befall den Rest gegeben. Landesforstminister Peter Hauk (CDU) lässt kaum eine Gelegenheit aus, um auf die Krise im Wald hinzuweisen. Drastische Schäden gebe es vor allem an Buchen, im Rheintal falle die Kiefer auf großen Flächen aus, in weiten Teilen Baden-Württembergs seien die Tannen enorm beschädigt und den Fichtenbestand habe der Borkenkäfer angegriffen.

Das Ausmaß

Hauk schätzt, dass in den kommenden Jahren mindestens 30 Millionen Bäume allein in Baden-Württemberg gepflanzt werden müssen. Unklar ist allerdings, ob die Baumschulen überhaupt ausreichend Setzlinge anbieten können, um den Bedarf der kommenden Jahre an klimaresistenten Bäumen zu decken.

Das Gremium

All die, denen der Wald aus Naturschutzgründen und als Wirtschaftsfaktor wichtig sind, saßen im Landwirtschaftsministerium mit am Tisch. Neben Verbänden aus den Bereichen Wald, Erholung-, Umwelt- und Naturschutz waren die Bauernverbände eingeladen, auch Kirchenvertreter, kommunale Landesverbände, die Sägeindustrie und Wissenschaftler nahmen an der Debatte teil. Insgesamt saßen mehr als 50 Teilnehmer am Tisch.

Der Plan

Hauk will Klimaforschung und Krisenmanagement stärken, er schlägt außerdem vor, Waldbesitzer finanziell zu unterstützen und die Holzvermarktung zu erleichtern. Vorgesehen sind aber auch 200 neue Stellen in der Forstverwaltung, das Borkenkäfermonitoring wird durch angelernte Hilfskräfte verstärkt und die Bürokratie entschlackt. Zudem soll der Pakt für Ausbildung für die Forstwirte vom Land fortgeführt werden. Damit plant der CDU-Landwirtschaftsminister, bis 2024 pro Jahr 100 Forstwirte auszubilden.

Die Forschung

Die Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg (FVA) wird laut Notfallplan ihre Klimaforschung verstärken und intensiver bewerten, welche Forstpflanzen sich unter bestimmten Bedingungen wie entwickeln. Um einfacher über eine Wiederbewaldung entscheiden zu können, stellen die Forscher Eignungskarten für Standorte und Baumarten zur Verfügung.

Die Kosten

Hauk rechnet mit einem Volumen von jeweils 40 Millionen Euro in den Jahren 2020 und 2021, darunter 13 Millionen Euro pro Jahr für die neuen Stellen und 10 Millionen Euro für Schutzmaßnahmen zum Beispiel gegen Borkenkäfer. Das Geld soll in den neuen Doppeletat des Landes eingestellt werden. Bei einem Teil des Geldes handelt es sich um eine Kofinanzierung des Landes an den geforderten Notfallmitteln des Bundes. Bis zum Frühjahr 2020 soll auch ein "Masterplan Wald" ausgearbeitet werden - nach diesem könnten die Kosten über einen Zeitraum von zehn Jahren insgesamt rund eine halbe Milliarde Euro betragen.

Die Chancen

Wie das in einer Koalition so ist, muss der Partner noch zustimmen, bevor es losgehen kann. Die grün-schwarzen Beratungen für den Doppeletat 2020/21 des Landes gehen bald in die heiße Phase. Aber da der Klimaschutz in der politischen Agenda weit oben steht, sind die Chancen für Hauks Plan gut. "Es gibt Zeiten, in denen man Prioritäten setzen muss», sagte er. «Und ich halte die Lage im Wald derzeit für eine prioritäre Notwendigkeit." Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne), der auch von anderen Ressorts umfangreiche Wunschlisten vorgelegt bekommen dürfte, hat den gestressten Wald bereits zur Chefsache erklärt und erkannt, dass es eilt: Bei einer Waldbegehung im August im Schwarzwald sprach er von einer "echten Krisensituation".

Die Reaktionen

Verbände, Naturschützer und Wissenschaftler zeigten sich nach Einschätzung des Naturschutzbundes (Nabu) zufrieden mit Hauks Notfallplan. "Es gab insgesamt eine große Zustimmung", sagte Nabu-Landeschef Johannes Enssle. "Die Vorschläge sind grundsätzlich sinnvoll, sie sind zwar teuer, aber notwendig." Dietmar Hellmann von der Arbeitsgemeinschaft Wald forderte eine deutliche Erhöhung des Hilfsvolumens von derzeit 40 Millionen Euro. "Da sollte noch eine '0' dran", sagte er dem Südwestrundfunk.

Autor:

Kraichgau News aus Bretten

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