"Müssen mit weniger Umlagen rechnen"
Finanzielle Unsicherheiten aufgrund Zensus 2022

Foto: stock.adobe.com - whilerests
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Bretten/Region (hk) In vielen Gemeinden und Städten leben weniger Menschen als nach den Fortschreibungen der bisherigen Erhebungen angenommen. Das geht aus den Ergebnissen des Zensus 2022 hervor, die die Statistischen Ämter des Bundes und der Länder vorgelegt haben.
Zu den wenigen „Gewinnern“ des Zensus gehört zum Beispiel die Stadt Pforzheim. Mit einem Plus von 4,8 Prozent oder rund 6.000 Einwohnern mehr als bisher vermerkt, kann die Stadt auf eine Erhöhung ihrer Mittel aus dem kommunalen Finanzausgleich hoffen. Die neuen Bevölkerungszahlen könnten hingegen für manche Gemeinden schmerzliche Einbußen in ihren Haushalten bedeuten, falls sie künftig weniger Finanzmittel aus dem Finanzausgleich erhalten sollten. Weniger Geld im Haushalt bedeutet oft Kürzungen oder Verzögerungen bei dringend benötigten Investitionen und Projekten. Ende September sollen alle Kommunen ihre Feststellungsbescheide erhalten haben. Diese Bescheide können dann die finanziellen Veränderungen konkreter aufzeigen, die sich aus den neuen Bevölkerungszahlen ergeben. Wie sieht die Situation in Bretten und in der Region aus?

Bretten knapp unter 30.000 Einwohner – finanzielle Auswirkungen möglich

Am Stichtag des 15. Mai 2022 zählte die Stadt Bretten 29.871 Einwohnerinnen und Einwohner, wie die Pressestelle der Stadt schreibt. Dies seien 175 Personen weniger als bisher angenommen. Diese Abweichung nach unten gegenüber der Fortschreibung entspreche jedoch einem Rückgang von lediglich 0,6 Prozent, während der Bundesdurchschnitt bei 1,6 Prozent liegt. Damit bleibe die Veränderung in einem „sehr überschaubaren Rahmen“. Ein Rechtsbehelf gegen die Zensus-Daten für Bretten sei derzeit nicht vorgesehen, jedoch behalte sich die Stadt die Möglichkeit vor, nach Erhalt des Feststellungsbescheids im September gegebenenfalls Maßnahmen zu ergreifen.

Besonders im Bereich des Straßenrechts sei die offizielle Einwohnerzahl von weniger als 30.000 Einwohner nicht unerheblich. Sollte diese Grenze dauerhaft überschritten werden, gehe die Straßenbaulast für sämtliche Durchfahrtsstraßen von Land und Landkreis auf die Stadt über. Somit müsste die Stadt Bretten selbst die Kosten für Unterhalt und Sanierungen tragen.

Strategien, um auf demografische Veränderungen zu reagieren

Demgegenüber stünden mögliche Einnahmeausfälle nach dem Finanzausgleichsgesetz (FAG), für das der Zensus auch mittel- und langfristig die Grundlage bildet, zur Debatte. „Hier gab es beispielsweise zuletzt rund 1.700 Euro pro Einwohner und Jahr“, schreibt die Pressestelle. Aufgrund der Komplexität der Berechnungsgrundlage und der Tatsache, dass alle Städte und Gemeinden im Durchschnitt Einwohner „verloren“ hätten, lasse sich schwer hochrechnen, ob die verringerte Einwohnerzahl von Bretten tatsächlich zu Mindereinnahmen nach dem FAG führen wird.

Die Zensusergebnisse spielten eine untergeordnete Rolle bei der Frage, ob Planungen und Investitionen in kommunale Einrichtungen wie Kindertagesstätten, Schulen und Altenpflege beeinflusst werden. Meistens sei nicht die reine Einwohnerzahl entscheidend, sondern die Bedarfe der jeweiligen Alters- und Bevölkerungsgruppen. Diese Bedarfe würden beispielsweise über den Kindergarten- und Schulbedarfsplan oder im Bereich der Altenpflege über den Kreispflegeplan abgebildet werden. Strategien, um auf demografische Veränderungen zu reagieren, wurden bereits im Integrierten Stadtentwicklungskonzept (ISEK) sowie im Beteiligungsprozess „Zukunft: Bretten!“ „ausführlich diskutiert und dokumentiert“, lässt die Pressestelle zudem wissen. Wichtige Maßnahmen seien die Sicherstellung und der Ausbau der ärztlichen Versorgung sowie die Umsetzung der Barrierefreiheit im Hinblick auf eine alternde Gesellschaft.

"Blick in die Glaskugel"

Die Ergebnisse des Zensus 2022 beschäftigen auch die Fauststadt Knittlingen. Bürgermeister Alexander Kozel äußert sich dazu mit nüchterner Klarheit: „Leider ist das statistisch berechnete Ergebnis von Knittlingen schlechter als der Landesdurchschnitt. Somit müssen wir mit weniger Umlagen rechnen.“ Wie hoch die finanziellen Auswirkungen genau sein werden, könne man jedoch noch nicht abschätzen.

Kozel erklärt, dass der Zensus 2022 eine rein statistische Berechnungsgröße darstelle, "wie viele Menschen anscheinend in Knittlingen leben" – die Zensusergebnisse würden die Planungen und Investitionen in die kommunalen Einrichtungen daher wenig beeinflussen. „Die tatsächlichen Menschen, die hier leben, haben sich durch den Zensus nicht verändert. Wir haben immer noch genauso viele Menschen wie vorher, nur eine andere statistische Berechnung“, erklärt der Bürgermeister. Für die Kindergarten- und Schulbedarfsplanung greife die Stadt auf die statischen Berechnungen des Statistischen Landesamts Baden-Württemberg zurück. Kozel beschreibt die Prognosen als „Blick in die Glaskugel“: Niemand könne heute genau vorhersagen, wie viele Kinder im Jahr 2026 geboren werden oder wie viele Menschen 2027 in Knittlingen versterben oder umziehen würden.

"Zensus 2022 wirft erhebliche Fragen auf"

Dennoch versuche die Fauststadt, frühzeitig auf landesweite und regionale Trends zu reagieren. Knittlingen bleibe, so der Bürgermeister, eine „attraktive Wirtschaftsregion“, weshalb man weiterhin mit Zuzug und damit mit der Ausweitung von Wohngebieten und entsprechenden Kindergartenplätzen rechne. Wie aus Kraichtal zu erfahren ist, steht die Verwaltung zusätzlich vor einer besonders schwierigen Situation: Dort gibt es derzeit keinen Kämmerer. In Oberderdingen sorgt der Zensus 2022 ebenfalls für Unsicherheit. Die Stadtverwaltung äußerst sich zurückhaltend zu den Auswirkungen der neuen Bevölkerungszahlen: „Da der Zensus 2022 aktuell noch erhebliche Fragen aufwirft, möchten wir um Verständnis bitten, dass wir aktuell dazu noch keine konkreten Antworten geben können“, lautet die Stellungnahme.

Autor:

Havva Keskin aus Bretten

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