Ingenieure arbeiten an Starkregenkonzept für Bretten: Handlungsvorschläge für Schutzmaßnahmen Ende 2019 erwartet
Bei ruhigem Herbstwetter ist Starkregen normalerweise kein Thema. Aber das nächste Frühjahr kommt bestimmt. Deshalb tüfteln seit einiger Zeit Experten im Auftrag der Stadt Bretten an einem Starkregenkonzept.
BRETTEN (ch) Bei ruhigem Herbstwetter ist Starkregen normalerweise kein Thema. Aber das nächste Frühjahr kommt bestimmt. Wenn, wie in diesem Jahr in den Brettener Stadtteilen Bauerbach und Büchig, aber auch in Kraichtal, Oberderdingen, Sulzfeld, Kürnbach, Bruchsal und anderswo im Kraichgau geschehen, wieder heftige Gewitter Keller unter Wasser setzen und Straßen überfluten, denken die meisten zuerst an Hochwasserschutz. Dabei hat sich längst herumgesprochen, dass man mit den üblichen Hochwasserschutzmaßnahmen gegen Starkregen wenig ausrichten kann. Deshalb tüfteln seit einiger Zeit Experten im Auftrag der Stadt Bretten an einem Starkregenkonzept.
Auch Starkregen funktionieren nach Regeln
Der Weckruf für Bretten war das Jahr 2015. „Damals hat sich eine Gewitterzelle vollständig über Bretten abgeregnet“, erinnert sich Bürgermeister Michael Nöltner. „Das haben wir seit Beginn der Wetteraufzeichnungen in Bretten noch nicht gehabt.“ Anders als beim Hochwasser von 2013, das sich durch wochenlange Niederschläge und anschwellende Gewässer angekündigt hatte, schienen die Unvorhersagbarkeit und lokale Begrenztheit des Starkregens wirksame Gegenmaßnahmen unmöglich zu machen. Inzwischen ist die Erkenntnis gereift, dass auch Starkregen nach gewissen Regeln funktionieren, denen mit moderner Wissenschaft und Technik ein Stück weit beizukommen ist.
Wissenschaftler liefern Grundlagenstudie
Als nach der Starkregenkatastrophe im hohenlohischen Braunsbach 2016 die Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg (LUBW) Modell-Kommunen für eine Starkregenstudie suchte, entschied man sich im Brettener Rathaus laut Michael Nöltner für eine Teilnahme. Federführend war der Direktor des Instituts für Hydrologie an der Universität Freiburg, Professor Markus Weiler. Seine Mitarbeiter entwickelten für Bretten und eine andere vom Starkregen betroffene Kommune unter anderem mit punktuellen Beregnungsexperimenten sogenannte Abflussmodelle, die Versickerungskapazitäten bei Niederschlägen feststellen sollten. Anschließend verglichen sie ihre Modelle mit den tatsächlich beobachteten Niederschlägen und Schadensmeldungen vor Ort. „Unsere Modelle wurden bestätigt“, fasst der Professor auf Nachfrage zusammen. Folglich könne man sie anwenden, um noch extremere Niederschläge zu simulieren und deren Auswirkungen vorherzusagen. Bereits im März 2017 schlossen die Freiburger Wasserforscher laut Professor Weiler ihre Untersuchungen ab und stellten ihren Bericht mittlerweile auch im Rathaus vor.
Ingenieurbüro erstellt Handlungskonzept
Noch nicht beantwortet waren damit praktische Fragen wie: Wohin fließt das Starkregenwasser im Einzelnen, wo massiert es sich und mit welchen Wasserständen ist an neuralgischen Punkten zu rechnen? Diese Berechnungen sind Aufgabe eines Ingenieurbüros, das umgehend mit der praktischen Fortführung beauftragt wurde. Für Bretten ist seither laut Fabian Dickemann vom Amt für Umwelt und Technik das Heidelberger Büro „geomer“ tätig, zu dessen Spezialitäten kommunales Starkregen-Risikomanagement und Starkregen-Vorsorge zählen. Das Büro erstellt derzeit eine Gefährdungs- und eine Risikoanalyse, aus denen sich ein konkretes Handlungskonzept ableiten lässt. Teil der Analysen sind unter anderem Starkregen-Risikokarten, die Aufschluss über Fließwege des Regenwassers und seine Auswirkungen auf bebaute Bereiche, über Schadenspotenziale sowie Standorte kritischer Infrastruktur geben. Diese Risikokarten lassen sich wiederum mit Alarm- und Einsatzplänen kombinieren. Damit sich Hochwasserschutz auf der einen und Starkregenschutz auf der anderen Seite sinnvoll ergänzen, bedarf es nach den Worten von Karl Velte, Leiter des Amts für Umwelt und Technik, intelligenter Lösungen.
Erste Maßnahmen sind absehbar
Die Ergebnisse von „geomer“ sollen Ende 2019 vorliegen, sagt Sachgebietsleiter Helmut Petri. Nach den Worten von Bürgermeister Michael Nöltner zeichnen sich bereits erste Maßnahmen ab, andere wurden schon umgesetzt. Zum Beispiel in der Konrad-Adenauer-Straße in Gölshausen wurden zusätzliche Entwässerungsrinnen eingebaut und mit einem Landwirt Dauerbepflanzungen eines Hangs gegen Abschwemmungen vereinbart. Auch Auswirkungen auf künftige Bebauungspläne sind absehbar. „Bei künftigen Baugebieten in Ortsrandlage werden wir bestimmte Dinge vorschreiben“, kündigt OB Martin Wolff an. Vorgeschrieben werden könnten laut Helmut Petri unter anderem Wasserauffangzisternen, Schutzwälle, begrünte Flachdächer, ein Versiegelungsverbot für Gärten oder versickerungsfähiges Drainagepflaster. Darüber hinaus ist laut OB jeder Eigentümer gefordert, im Rahmen seiner Möglichkeiten selbst Schutzmaßnahmen gegen Starkregen zu ergreifen.
„Man kann sich nicht gegen alles schützen“
Abgesehen von diesen machbaren öffentlichen und privaten Vorkehrungen steuern die Freiburger Wissenschaftler eine bedeutsame Erkenntnis bei: Der Starkregen in Bretten 2015 war extremer als ein 100-jähriges Niederschlagsereignis, sagt Professor Weiler. Das Problem: Die meisten Sicherungsmaßnahmen in Baden-Württemberg sind nur auf ein Jahrhundertereignis, also auf einen pro Jahrhundert statistisch nur einmal vorkommenden extremen Niederschlag, ausgelegt. Natürlich könne man sich theoretisch auch gegen ein 1.000-jähriges Starkregenereignis absichern, meint der Professor. „Aber das wäre extrem teuer.“ Wenn die Kosten für den Schutz vor einem statistisch gesehen so seltenen Ereignis höher als der voraussichtliche Schaden seien, würde das niemand machen, ist er überzeugt. Seine ernüchternde Schlussfolgerung: „Man muss akzeptieren, dass man sich nicht gegen alle Ereignisse schützen kann.“
Autor:Chris Heinemann aus Bretten |
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