Landwirt aus Diedelsheim kritisiert Eckpunktepapier der Landesregierung
Landwirt und Bezirksobmann Alexander Kern sieht Artenschutz-Pläne als zu übereilt
Bretten/Region (swiz) Nachdem das Volksbegehren zum Schutz der Artenvielfalt, auch bekannt unter dem Titel "Rettet die Bienen", von vielen Seiten als vollkommen überzogen und gerade von Landwirten auch als existenzgefährdend (die Brettener Woche berichtete) kritisiert wurde, hat die grün-schwarze Koalition der Landesregierung ein Eckpunktepapier entwickelt, das laut Umweltminister Franz Untersteller und Landwirtschaftsminister Peter Hauk wichtige Ansatzpunkte des Volksbegehrens aufgreift, aber auch den bäuerlichen Familienbetrieben eine „verlässliche Zukunftsperspektive“ bieten soll. Demnach sollen unter anderem 30 bis 40 Prozent der Ackerfläche bis zum Jahr 2030 ökologisch bewirtschaftet werden. Im Volksbegehren waren ursprünglich 50 Prozent gefordert worden. Zudem soll laut dem Eckpunktepapier der Einsatz chemisch synthetischer Pflanzenschutzmittel bis 2030 um 40 bis 50 Prozent in der Menge reduziert werden. Nach Vorlage des Papiers der Landesregierung hatten Naturschützer und Bienenfreunde die Mobilisierung für das Volksbegehren beim Stand von 6.444 geleisteten Unterschriften gestoppt – zunächst bis Mitte Dezember. Ein scharfer Kritiker des Eckpunktepapiers sowie des ursprünglichen Volksbegehrens ist der Diedelsheimer Landwirt Alexander Kern. In seiner Funktion als Bezirksobmann des Bauernverbandes Landkreis Karlsruhe ist er für Bretten, Walzbachtal und Gondelsheim zuständig und spricht damit auch für rund 50 Landwirte, die in seinem Gebiet wirtschaften.
"Pauschale Reduzierung von Pflanzenschutzmitteln für die Landwirte untragbar"
Dabei, so Alexander Kern, bilden diese Bauern eine große Bandbreite der Landwirtschaft ab. „Die Landwirte kommen aus allen Bereichen, wie zum Beispiel Ackerbau, Sonderkulturen, Biobetrieb, Schweinehaltung oder sind Lohnunternehmer, Landschaftspfleger oder auch Apfel- und Weinbauern.“ Ein wesentlicher Kritikpunkt für Kern ist die strikte Vorgabe der Umstellung auf Bio-Landwirtschaft. „Das ist eine Zwangsumstellung, die wir nicht wollen. Wenn die Nachfrage steigt, dann steigt die Zahl der Biobetriebe von ganz alleine. Durch Zwang zerstören wir den mühsam aufgebauten Markt.“ Das Eckpunktepapier der Landesregierung sei in dieser Hinsicht ebenso inakzeptabel, da „dort aus 50 Prozent Biobetriebe lediglich 30 bis 40 Prozent gemacht wurde“. Ebenso sei die pauschale Reduzierung von Pflanzenschutzmitteln (PSM) um bis zu 50 Prozent für die Landwirte untragbar, so Kern. „Durch eine Verminderung des Aufwands auf diesem Gebiet fördern wir nur Resistenzen. Wir Landwirte sind ständig bestrebt, den Verbrauch an PSM zu senken, zum Beispiel durch Fruchtfolge, neue resistente Sorten und integrierten Pflanzenbau. Jedoch ist das nicht in so kurzer Zeit möglich.“
"Das wäre eine Katastrophe"
Damit die Reduktion sehr schnell eine effektive Wirkung bei der Artenvielfalt entfalte, sollen die geplanten flächenhaften Maßnahmen „prioritär innerhalb der Landschaftsschutzgebiete, der Biosphärengebiete, der Natura 2000 Gebiete, in gesetzlich geschützten Biotopen und bei Naturdenkmalen umgesetzt werden“, heißt es in dem Papier der Landesregierung. Für Kern wäre das „eine Katastrophe“. „In Baden-Württemberg sind mehr als 30 Prozent der landwirtschaftlichen Flächen in Schutzgebieten. Denn auch Biobetriebe brauchen Pflanzenschutzmittel. Gerade im Obst und Weinbau.“ Damit gäbe es keinen Wein mehr aus dem Kaiserstuhl und kein Obst mehr vom Bodensee, prognostiziert der Diedelsheimer Landwirt. „Übrigens auch keine Schnakenbekämpfung mehr am Rhein. Weil auch hier Wirkstoffe gegen Insekten eingesetzt werden.“
"Wir machen schon viel für den Artenschutz"
Nach Meinung des Bezirksobmanns brauche es das Volksbegehren für den Schutz der Artenvielfalt vor allem aber aus dem Grund nicht, da die Landwirte schon sehr viel für eben diesen Artenschutz machen würden. „Zuallererst bietet jeder Landwirt mit all seiner Fläche die er hat, allen Insekten und Vögeln ein Paradies zum Leben, vollkommen egal was oder wie angebaut wird.“ Siedlungs- und Industrieflächen sowie Straßen könnten das nicht, so Kern. Dennoch gelte es natürlich zu unterscheiden, welche Wertigkeit die einzelnen Flächen hätten. Beste Voraussetzungen für alle Tierarten hätten natürlich die Blühstreifen. Da habe die Stadt Bretten mit dem Förderprogramm „KomBlü“ eine „tolle Aktion“ gestartet. Dort könnten Insekten und Vögel Nahrung und Brutstätten über das ganze Jahr finden. Und auch das Niederwild nehme diese Flächen sehr gut an. Sehr gut seien auch die neu geschaffenen Gewässerrandstreifen. Neben jedem noch so kleinen Bachlauf oder Graben hätten die Landwirte, so Kern, fünf Meter Grünland angelegt. Zudem würden die Wiesen und Streuobstwiesen die Landschaft durchschneiden. „Dort gibt es die unterschiedlichsten Mäh-Termine, je nach Bedarf des Futters. So gebe es immer irgendwo eine blühende Wiese. Viele Landwirte legten zudem Lerchenfenster an. „Aber auch ganz normalen Getreide-, Rüben- oder Maisfelder bieten Nahrung für Vögel, Insekten und Wildtiere.“
Striegel statt Pflanzenschutzmittel
Bei der Vermeidung von Pflanzenschutzmitteln probiere man ebenfalls sehr viel aus. „Ich selbst habe einen Versuch unternommen, die Zuckerrüben mit der mechanischen Hacke zu säubern. Das ist aber sehr aufwendig und kostet Geld. In Gondelsheim hat ein Jungbauer Sojabohnen gestriegelt (ein Striegel ist ein der Egge ähnelndes, landwirtschaftliches Arbeitsgerät zur Unkrautbekämpfung; Anm. d. Red.), um auf diese Weise auf Pflanzenschutzmittel zu verzichten.“ Biobetriebe arbeiteten mittlerweile zudem auch für konventionelle Betriebe mit ihren Striegeln, da diese auf Pflanzenschutzmittel verzichten wollten. Das Problem sei aber, so Kern, „mit jedem Striegel- oder Hackgang zerstören wir unsere Bodenstruktur, die wir mühsam versuchen, zu verbessern. Bei Starkregen läuft uns das Wasser dann mitsamt der aufgehackten Erde davon“. Mit Pflanzenschutzmitteln passiere das nicht.
"Einige Hardliner werden wir nie erreichen"
Die Verbraucher, mit denen er als Landwirt ins Gespräch komme, sagt Kern, reagierten auf diese Argumente eigentlich durchweg positiv. „Einige Hardliner, die komplett gegen uns Bauern sind, werden wir natürlich nie erreichen.“ Eines stehe für ihn aber fest: „Wir Landwirte brauchen das Vertrauen der Bevölkerung, denn wir sorgen für ihr Essen.“
Autor:Christian Schweizer aus Bretten |
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