"Schnellschuss von der Politik"
Mehrere Impfpassfälschungen bei Apotheken in der Region aufgefallen

Bretten/Region (bea) Acht Fälle von Impfpassfälschungen hat es bereits in der vergangenen Woche im Raum Bretten gegeben. Das bestätigte das Polizeipräsidium Karlsruhe auf Anfrage der Brettener Woche/kraichgau.news. Diese Fälschungen seien von Apothekenmitarbeitern entdeckt worden, müssten jedoch noch verifiziert werden, was einige Zeit in Anspruch nehmen werde, heißt es aus dem Polizeipräsidium. Von diesen Fällen sind allein drei bei Apothekerin Ariane Maaß von der Hirsch Apotheke in Bretten aufgetaucht, wie sie selbst berichtet. Bereits vor dem 24. November, als das Vorzeigen eines gefälschten Impfpasses strafbar wurde, habe es "öfters kritische Fälle" gegeben, bei denen die Apothekerin eine Eintragung der Daten in den digitalen Impfpass schlichtweg ablehnte. "Die Fälschungen waren nicht schwer zu erkennen", sagt Maaß. So seien zwei Impfungen in einem Impfpass angeblich in Berlin vorgenommen worden. "Das habe ich nicht geglaubt und die Eintragung ins digitale Impfzertifikat verweigert.",

Überprüfung der Impfpässe ein "riesiger Aufwand"

Dennoch sei die Überprüfung der Impfpässe ein "riesiger Aufwand". Die Apotheken müssten Kontakt zu Impfstoffherstellern aufnehmen und nach den im Impfpass angegebenen Chargennummern fragen. Oder auch – mit Zustimmung der Kunden – bei einer Arztpraxis anrufen, um sich die Echtheit der Impfung bestätigen zu lassen. Bislang wurden in der Hirsch Apotheke "mehrere tausend" digitale Impfpässe ausgestellt, sagt Maaß. Doch in der Vergangenheit habe es auch immer mal wieder Probleme mit dem Zugriff auf den Server des digitalen Impfpass-Portals gegeben. Eine einfache Eintragung dauere pro Impfung rund fünf Minuten. Doch bei auffälligen Impfpässen sei der Aufwand größer. "Es wäre gut gewesen, von Anfang an ein Zentralregister anzulegen, in dem die Apotheken die Chargen direkt überprüfen können", sagt Maaß.

Überzeugungsarbeit für die Impfung

Noch besser wäre es, wenn lediglich die Stellen eine Eintragung durchführen würden, bei denen die Impfung durchgeführt wurde, also zum Beispiel Impfzentren und Arztpraxen, sagt Apotheker Patrick Brauch von der Melanchthon-Apotheke in Walzbachtal. Bislang ist bei ihm nur ein gefälschter Impfpass aufgefallen, das allerdings, bevor die Vorlage desselben strafbar wurde. Der Impfpass sei ihm seltsam vorgekommen, da er zu akkurat gefälscht wurde, sagt er. Da Brauch den Kunden jedoch kannte, versuchte er Überzeugungsarbeit für die Impfung zu leisten und überredete den Kunden letztendlich dazu, dass dieser gemeinsam mit ihm den gefälschten Impfpass durch den Schredder laufen ließ. Jetzt hofft Brauch, dass ihm keine weiteren bekannten Kunden einen gefälschten Impfpass vorlegen, denn: "In einem solchen Fall gehört eigentlich Anzeige erstattet", sagt er. Doch auf der anderen Seite wolle er seinen Mitarbeitern auch keine Eskalation aufgrund eines gefälschten Impfpasses zumuten. Denn neben der Eintragung der digitalen Impfpässe gebe es ohnehin viel Betrieb in den Apotheken. Manche Fälschungen seien mitunter auch schwer zu erkennen, daher "kann ich mir vorstellen, dass auch viel durchgeht". Einen falschen digitalen Impfnachweis zu besitzen, sei aber nicht zu rechtfertigen, da dies auch die Anzahl der Impfdurchbrüche verfälsche, gibt er zu bedenken.

Nachbar einer Mitarbeiterin mit gefälschtem Impfausweis

In einer anderen Apotheke im Landkreis Karlsruhe (Name der Redaktion bekannt) sind von insgesamt drei dem Personal bekannten Personen gefälschte Impfpässe vorgelegt worden. Darunter sei ein Nachbar einer Mitarbeiterin gewesen. Diesem habe die Apothekerin gesagt, dass die im Impfpass angegebene Charge nicht freigegeben sei und habe die Eintragung in das digitale Impfzertifikat verweigert. "Da überlegt man sich aber schon, mit wem man sich anlegt", sagt sie im Gespräch mit dieser Zeitung. Eine Anzeige habe sie in allen drei Fällen nicht gestellt.

Schwierige Rückverfolgung der Impfchargen 

In einer Apotheke im Enzkreis (Name der Redaktion ebenfalls bekannt) hat sich die Anzahl von vorgelegten, gefälschten Impfpässen verstärkt, seitdem 3G am Arbeitsplatz gilt, sagt der dortige Apotheker. In letzter Zeit erkannte er acht gefälschte Impfpässe. "Doch ich denke, dass es eine nicht zu vernachlässigende Dunkelziffer gibt." Die bei ihm aufgetauchten, gefälschten Impfpässe seien teilweise "stümperhaft", unter anderem mit Buchstabendrehern, gefälscht worden. Dennoch müsse jeder Impfpass, der auffällig sei, stets geprüft werden. Das sei aber oft schwierig, wenn der Kunde auf die Eintragung warte. Die Charge müsse bei Hersteller, Polizei oder Impfzentrum verifiziert werden. "Der Aufwand steht in keinem Verhältnis zur Vergütung", so der Apotheker. Hinzu komme, dass die Polizei, die zwar Einblick in die Chargennummern habe, keine Anfragen seitens der Apotheken mehr beantworte. Somit seien diese nur noch auf das Paul-Ehrlich-Institut oder die Hersteller angewiesen. Bei Letzteren erfolge eine Rückmeldung durchschnittlich erst einen Tag später.

"Politik muss sich etwas einfallen lassen"

"Die Politik müsste sich etwas einfallen lassen", sagt der Apotheker. "Es war ein Schnellschuss von der Politik, dass eine dritte Stelle, die nicht an der Impfung beteiligt war, diese bestätigen soll." Für Unverständnis sorgt bei ihm auch, dass er bei den meisten "Erwischten" kein Schuldbewusstsein erkennen könne. "Bislang haben alle Kunden, denen ich die Eintragung verweigert habe, sehr ruhig reagiert." Dennoch hat auch er Bedenken, dass einmal etwas passieren könnte. "Ich kann keinem anderen Apotheker verdenken, wenn er eine Eintragung doch vornimmt, weil er Angst vor der Reaktion der Kunden hat." Schließlich bleibe es jedem Apotheker selbst überlassen, wie er mit der Verantwortung umgehe, die ihm überlassen wurde. Denn ein solches Handeln würde wohl ohnehin nicht entdeckt werden, sagt er.

Verstöße direkt der Polizei melden

"Wenn ein Apotheker absichtlich einen gefälschten Impfpass in das digitale Portal einträgt, ist das ein Verstoß", sagt hingegen Pressesprecher Frank Weber vom Polizeipräsidium Pforzheim. Wenn ein Apotheker den Verdacht habe, dass ihm ein gefälschter Impfausweis vorliege, sollte er unter der Rufnummer 110 die Polizei verständigen. Dabei gelte jedoch der Grundsatz, sich selbst nicht in Gefahr zu bringen. Die Polizei würde in der Regel im Rahmen der notwendigen Fristen zur Apotheke fahren, da ein gefälschter Impfpass einen zügig zu bearbeitenden Fall darstelle und somit höher priorisiert werde als beispielsweise eine Beschwerde wegen Ruhestörung durch zu laute Musik.

Apotheken sollen Foto von gefälschten Ausweisen machen

Um der Unsicherheit bei einigen Apothekern vorzubeugen, rät Weber für die Bearbeitung von gefälschten Impfausweisen dazu, ein Foto des Dokuments zu machen und anschließend mit der Polizei über eine eventuelle Datenübermittlung zu sprechen. So würde es keine datenschutzrechtlichen Probleme geben. Auch sei es nach seiner Einschätzung kein Verstoß eines Apothekers, wenn dieser die Vorlage eines gefälschten Impfpasses nicht anzeige. Bisher konnte beim Polizeipräsidium Pforzheim im Verbreitungsgebiet der Brettener Woche im Enzkreis eine einstellige Zahl von Fällen im Zusammengang mit gefälschten Impfausweisen registriert werden. "Weiterhin rechnen wir mit einem entsprechenden Dunkelfeld", so Weber. Das Wichtigste sei jedoch, dass Apotheker nicht absichtlich ein falsches digitales Impfzertifikat erstellen würden.

Autor:

Beatrix Drescher aus Bretten

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