OB-Wahl in Bretten: Letzter "Show-down" vor dem Wahlsonntag

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Zur letzten von insgesamt drei Vorstellungsrunden mit den vier Kandidaten zur Oberbürgermeisterwahl am kommenden Sonntag in Bretten haben gestern Abend die „Brettener Nachrichten“ in den Großen Saal der Kinostar Filmwelt Bretten eingeladen.

BRETTEN (ch) Aller guten Dinge sind drei: Nach zwei vorangegangenen Vorstellungsrunden im Alten Rathaus und im Hallensportzentrum Im Grüner ( wir berichteten ) haben gestern Abend über 200 Brettenerinnen und Brettener die letzte Gelegenheit vor dem kommenden Wahlsonntag genutzt, um sich im Brettener Kino ein Bild von den Kandidaten zu machen. Auf Einladung der „Brettener Nachrichten“, lokale Ausgabe der Tageszeitung "Badische Neueste Nachrichten" (BNN) erlebten die Besucher eine von Sachlichkeit, Fairness und, so der als Moderator fungierende BNN-Gesamtredaktionsleiter Klaus Gaßner, von fast schon „beängstigender“ Disziplin geprägte Gegenüberstellung der Positionen, bei der sich nach Meinung einiger Zuhörer im Vergleich zu den früheren Runden alle vier Bewerber in ihrer Selbstdarstellung noch einmal steigern konnten.

Zum Auftakt persönliche Einblicke

In den folgenden nicht nur informativen, sondern immer wieder durch launige Einwürfe aufgeheiterten „100 Minuten Kommunalpolitik“ ging es überwiegend um Fragen, die in den Vorveranstaltungen noch nicht angesprochen wurden. Zum Auftakt erfuhr das Publikum Persönliches: dass ein Brand mit einem Toten in der Pforzheimer Straße und ein Chemieunfall in Gölshausen die unangenehmsten Vorkommnisse in der bisherigen Amtszeit von Martin Wolff waren, dass Andreas Leiling für eine neue Herausforderung gerne ein Stück seines Privatlebens preisgeben würde, Aaron Treut auch noch nach acht Jahren eine Rückkehrgarantie in seinen lukrativen Ingenieursjob hätte, und Heinz-Peter Schwertges nach 100 Tagen im Amt Transparenz auf allen Ebenen und die Stärkung des Gemeinderats verkünden würde.

Bürgernähe in verschiedener Lesart

Das anschließende Stichwort „Bürgernähe“ erlaubte erste Vergleiche zwischen den Bewerbern. So würde Treut bei neuen Vorhaben „zuerst die Bürgerschaft informieren“, um eine Meinungsbildung zu ermöglichen. Auch eine Bürgersprechstunde würde er „wieder einführen“. Ähnlich äußerte sich Leiling, der jedoch die Informationen „bündeln“ und in regelmäßigen Veranstaltungen informieren würde. Worauf der Amtsinhaber konterte, er habe die Bürgersprechstunde deshalb nicht eingeführt, weil man bei ihm „jederzeit einen Termin haben“ könne, „gerne mal auch bei einem Kaffee“. Ob das nicht „ein hehres Anliegen“ sei, hakte der Moderator nach. Darauf Wolff: „Die Zeit nehm´ ich mir.“ Auch der bekennende Ultramarathonläufer Schwertges versteht unter Bürgernähe neben der Einrichtung einer „Bürger- und Sozialberatung“ den direkten Kontakt, den er bei seinem Lauf durch die Ortsteile auch schon hergestellt habe. „Solange Sie von den Bürgern nicht verlangen, mitzulaufen…“, meinte der Moderator zur Erheiterung des Saals.

Angebote für eine alternde Einwohnerschaft

Auf die Frage, wie Bretten in einer alternden Gesellschaft in 20 Jahren aussehen müsse, verwies Schwertges auf seine Leitlinien „ökologisch, sozial, solidarisch“: Senioren sollten in der Stadt bleiben können, unter den Bedingungen einer nachhaltigen Mobilität. Wolff hält angesichts der zu erwartenden Verdreifachung der Zahl der über 90-Jährigen bis 2030 unter anderem seniorenfreundliche Vorgaben in den Baugebieten, Barrierefreiheit in der Stadt und mehr betreutes Wohnen in verschiedenen Wohnformen für nötig. Darüber hinaus forderte Leiling auch ein entsprechendes Freizeitangebot, denn: „Wir sind auch länger aktiv.“ Nach Treuts Vorstellung sollen alternde Menschen in ihren Ortsteilen bleiben können und dort dezentral, „vielleicht in kleineren Einheiten“ ambulant versorgt werden. Auf Treuts Idee eines Seniorencafés im Stadtpark erwiderte Wolff, in der Planung für die Stadtbücherei auf der Sporgasse sei bereits eine „Begegnungsmöglichkeit für Ältere“ vorgesehen.

Bürger fragen die Kandidaten

Dann waren die Bürger an der Reihe, die bereits im Vorfeld aufgefordert waren, Fragen an die Kandidaten einzusenden. Neben Leserfragen präsentierte BNN-Lokalchef Thilo Kampf auch Fragen von Besuchern, die diese auf ausliegenden Kärtchen notiert hatten. Zum Beispiel: „Braucht Bretten eine Mehrzweckhalle, eventuell im Steinzeugpark?“ Eine Frage, die Kandidat Treut entschieden bejahte: Die vorhandenen Hallen seien „oft belegt“, über die Größe müsse man sich unterhalten und wirtschaftlich rechnen müsse sie sich auch. In dieselbe Kerbe schlug Leiling mit seinem Vorschlag, die neue Halle „das ganze Jahr über als Eventhalle“ zu vermarkten. Skeptischer dagegen der Amtsinhaber: „Wir haben Turnhallen, das sind Mehrzweckhallen.“ Aber vielleicht mache es Sinn, die im Steinzeugpark angedachte Halle mit einem privaten Betreiber zu realisieren, „die wir zu bestimmten Zeiten buchen – das würde das Stadtsäckel schonen.“ Wenn er OB wäre, würde er sich mit Wolff zusammensetzen und eine Umsetzung diskutieren, verkündete Schwertges.

Wo man sich einig ist

Alle Kandidaten erklärten, Bretten auch für Jugendliche attraktiver machen zu wollen. Anders als Leiling, der ein neues Jugendhaus ins Spiel brachte, denkt Wolff eher an ein Jugendforum, um erst einmal die Wünsche der Jugendlichen abzufragen. Das habe er bereits getan, verkündete Treut. Die Jugendlichen wünschten sich unter anderem einen „Ort in der Stadt“, wo sie „unter anderen Rahmenbedingungen“ und „mit mehr Eigenverantwortung“ zusammenkommen könnten. In den Worten von Schwertges: „Autonom gestalten.“ Ein eindeutiges Bekenntnis war von allen Vieren auch zur Beibehaltung der Ortschaftsräte zu hören. Mit der Bemerkung, der Ortsvorsteher sei der Stellvertreter des OB im Ortschaftsrat, er wünsche sich, dass Treut „noch sehr lange“ sein Stellvertreter bleibe, sorgte Wolff für amüsierte Lacher.

Fiktive Szenarien

Auch zwei fiktiven Szenarien des Moderators mussten sich die Kandidaten stellen. So der Frage, wo denn ihr Platz am nächsten Morgen sei, wenn ein großer Arbeitgeber nachmittags die Entlassung seiner halben Belegschaft bekannt gäbe. Der Antwort von Wolff „um 11 Uhr bei der Konzernzentrale, morgens bei der Belegschaft“ schlossen sich die anderen mit kleinen Variationen an. In dem ebenfalls fiktiven Fall, dass der landesweite Christopher Street Day in Bretten gefeiert werden sollte, gingen die Sichtweisen von Herausforderern und Amtsinhaber auseinander: Während der Rheinländer Schwertges gerne die Schirmherrschaft übernehmen und Leiling und Treut sogar ins Kostüm schlüpfen würden, stünde für Martin Wolff die Sicherheit der Veranstaltung an erster Stelle.

„Alleinstellungsmerkmale“ einzelner Kandidaten

Weitere Bürgerfragen zielten auf bezahlbaren Wohnraum für junge Familien und Singles, auf mögliche Windräder in Sprantal, flächendeckendes Tempo 40 sowie die Belebung der Innenstadt. Darüber, dass in jedem Bebauungsplan künftig auch bezahlbarer Wohnraum vorgesehen sein soll, war man sich weitgehend einig. Allerdings würde Wolff auch die Sanierung älterer Häuser bezuschussen und Schwertges lehnt Neubaugebiete auf der grünen Wiese ab. Zugleich bekannte er sich als Einziger zu einer „Bürgerenergiewende, möglichst dezentral vor Ort“ („da gehört Windenergie dazu“), während die anderen einem möglichen Windpark in Sprantal eine klare Absage erteilten. Dafür war es dann Treut, der beim Thema „Tempo 40 in ganz Bretten“ allein blieb. Unterschiedliche Ansätze waren auch bei der Attraktivitätssteigerung der Innenstadt erkennbar: mehr Firmen anwerben, mehr Grün (Leiling), mehr Werbung für das vorhandene Angebot durch die neue Stadtmarketingkraft (Wolff), Erfassung historischer Bausubstanz für den Tourismus (Schwertges) und mehr Sauberkeit sowie verlängerte Tourist-Info-Öffnungszeiten (Treut).

Kandidaten duzen sich

„Sehr sympathisch“ fand Moderator Gaßmann die „Harmonie“ zwischen den Kandidaten, die sich gelegentlich auch duzten. Dennoch wurden mittels gezielter Fragen an einzelne Bewerber noch ein paar Unterschiede herausgearbeitet. Dass der Linke-Kandidat noch nie am Peter- und Paulfest teilgenommen hat, quittierte der Saal mit einem enttäuschten „Ohhhhhhh“. Dafür könnte er sich Neibsheim mit seinem „netten Ortsvorsteher“ („obwohl´s ein Schwarzer ist“) gut als künftigen Wohnort vorstellen. „Geschmacklos“ fand eine Fragerin die Äußerung von Treut, die Stadtmauer wieder zu errichten, was dieser als „Spaß“ bezeichnete.

Gewerbegebiete, Wohnraum und Verkehr

Zum Teil weit auseinander gingen die Meinungen der Protagonisten auch bei der Frage, was sich in der Stadt in 40 Jahren verändert haben muss. Während Treut mehr Tempo für eine Verkehrsumgehung, weitere Wohngebiete, dezentrale Gewerbegebiete und einen Masterplan forderte, lehnt Schwertges Gewerbegebiete als „nicht mehr zeitgemäß“ ab und kann sich auch einen Freizeitpark in Sprantal „nicht vorstellen“. Er plädierte für regionale Produktion, sanften Ökotourismus und die Herrichtung alter Ortskerne. Für Leiling hingegen müssen Gewerbegebiete, schon wegen der Einnahmen, sein, ebenso bezahlbarer Wohnraum und ein Masterplan, der bei ihm „Leitbild“ heißt. Allerdings ist für Wolff mangels Flächen „die Zeit der großen Gewerbegebiete vorbei“. Allenfalls in den Stadtteilen wie aktuell in Dürrenbüchig gebe es noch kleine Flächen. Das Verkehrsproblem will er mit einem guten Verkehrslenkungskonzept auflösen. Ansonsten müsse die Stadt eine gute Infrastruktur bieten, wozu auch neue und die Erhaltung bestehender Arbeitsplätze sowie eine gute medizinische Versorgung, siehe Sporgasse, zählten.

Wünsche, Mögliches und bereits Vorhandenes

Wie die Jugend vor dem florierenden Drogenhandel geschützt werde, wollte ein Frager wissen. Antwort des OB: „Hinweise möglichst schnell der Polizei mitteilen.“ Zur Stärkung des Ehrenamts möchte Treut mit einem besonderen Projekt wie zuletzt der Pfeiferturmrestaurierung ein Gemeinschaftsgefühl wie in den Stadtteilen schaffen, während Leiling an eine Ehrenamtsbörse und Kostenvergünstigungen, zum Beispiel freien Eintritt ins Schwimmbad, denkt. Dann hätte man angesichts der vielen Ehrenamtlichen bald keine Einnahmen mehr, hielt Wolff dagegen. Wichtiger sei es, danke zu sagen, deshalb habe er den Ehrenamtsabend eingeführt. Und eine Ehrenamtsbörse gebe es schon auf der städtischen Homepage. Über die Form der Wertschätzung würde Schwertges gerne mit Ehrenamtlichen diskutieren.

Gewisse „Vorlieben“ der Kandidaten

Volle Unterstützung gäbe es von ihm für den Vorschlag einer Bürgerin, analog zur 1250-Jahrfeier auch 1250 Bäume in Bretten zu pflanzen. „Ein bissle ambitioniert“, fand Wolff und würde lieber weiter mit dem NABU arbeiten. Auch Leiling sieht Schwierigkeiten bei der Pflege so vieler Bäume. Aber vielleicht könne ja Herr Schwertges helfen, meinte er in Anspielung auf dessen Beruf als Landschaftsgärtner. Treut andererseits würde die Bäume auch zur Verstärkung des Stadtwalds einsetzen. Es zeichneten sich ja bereits gewisse Vorlieben ab, verkündete der Moderator dem amüsierten Publikum: Wolff wünsche sich Treut als Ortsvorsteher und Leiling bevorzuge Schwertges als Gärtner.

Nüchternheit versus Leidenschaft

Zum Schluss hatten die Kandidaten je drei Minuten, um zu erklären, warum man gerade sie wählen solle. Eine Aufgabe, die Schwertges und Leiling eher knapp, Wolff und Treut dagegen ausführlicher lösten. Der eine, indem er nüchtern und sachlich in Form von Stichpunkten das bereits Gesagte zusammenfasste und mit einem Appell zum Wählengehen schloss. Der andere, indem er seiner Rede eine biografisch gefärbte, leidenschaftliche Note gab, die mit dem Eingeständnis gelegentlicher Ungeduld sogar ein wenig Selbstkritik aufblitzen ließ. Der Zuhörerschaft waren die Plädoyers der Bewerber in eigener Sache jeweils einen kräftigen Applaus wert. Von der ausdrücklich angebotenen Möglichkeit, anschließend noch im persönlichen Gespräch einzelnen Kandidaten auf den Zahn zu fühlen, machten indes nur sehr wenige Gebrauch.

Alle Fotos: wod

Alles über die Brettener OB-Wahl auf unserer Themenseite OB-Wahl Bretten

Autor:

Chris Heinemann aus Bretten

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