"FFH-Gebiet auf Jahrzehnte entwertet"
Ortsumfahrung Bretten als "Verkehrsentlastung der Autobahn"

Von links kommend soll die geplante Trasse mit Tunnel durch den Rechberg führen. | Foto: ch
  • Von links kommend soll die geplante Trasse mit Tunnel durch den Rechberg führen.
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  • hochgeladen von Chris Heinemann

Bretten (bea) "Landschafts-, Umwelt- und Klimaschutz dulden keinen Aufschub, davor können wir auch in Bretten unsere Augen nicht mehr verschließen", heißt es in einer Erklärung der Bürgerinitiative Verkehrsentlastung Bretten (BIVEB) zur Ablehnung der Brettener Südwesttangente. Letztere war einmal mehr Thema in der jüngsten Gemeinderatssitzung in Bretten. Die Aussage unterstützt auch der BUND Bretten, der gegen die geplante Umfahrung Einwände eingelegt hat. Ebenfalls meldeten sich auf Anfrage der Brettener Woche die Bürgerinitiative Pro Südumfahrung (BIPS), der Nabu, das Regierungspräsidium (RP) Karlsruhe, Stefan Wammetsberger, Geschäftsführer und Planer des Büros Köhler und Leutwein und der Brettener Oberbürgermeister Martin Wolff zu Wort.

"FFH-Gebiet wird auf Jahrzehnte entwertet"

Durch das gigantische Ausmaß der Baumaßnahmen beim Projekt „B294 Südwesttangente Ortsumfahrung Bretten“ werde die Naturlandschaft südwestlich von Bretten dauerhaft zerstört, so die BIVEB. Dies begründet die Initiative mit der Vermutung, dass die angedachte Untertunnelung durch eine geringe Erdüberdeckung wohl ausschließlich in Offenbauweise realisiert werden könne. Das hatte Stadtrat Aaron Treut (die aktiven) bereits angedeutet (wir berichteten). Dies wiederum bedeute einen massiven Eingriff in den Naturraum mit Baustelleneinrichtung, Baustraßen, geböschten Baugruben und massiven Erdbewegungen während der Bauzeit, so die Initiative. Somit werde das dortige FFH-Gebiet auf Jahrzehnte entwertet.

Umgehung löst keine Brettener Verkehrsprobleme

"Der Bund baut die Brettener Umgehung nicht für uns, sondern zur Verkehrsentlastung der Autobahn", so die BIVEB. Das RP sei zudem für die Belange des überregionalen Verkehrs zuständig und die Umgehung ziehe mehr Verkehr an. Dies habe das Regierungspräsidium in der Gemeinderatssitzung bestätigt. Die Ortsumfahrung löse daher keines der Brettener Verkehrsprobleme. Somit helfte der Innenstadt nur eine konsequente Verkehrswende und die Umsetzung des Mobilitätskonzeptes.

Kapazitäten nicht ausreichend für Menschen- und Gütertransport

Jegliche Infrastruktur- und Straßenplanungen seien stets im "Spannungsfeld der verschiedenen Faktoren wie volkswirtschaftliche Bedeutung, Auswirkungen auf Mensch und Umwelt zu bewerten und abzuwägen", so das RP. Die Schienen- und Wasserstraßenkapazität sei auf absehbare Zeit nicht ausreichend, um sämtliche Transportbewegungen von Menschen und Gütern abzuwickeln. Die als notwendig erkannten Infrastrukturmaßnahmen hätten daher Eingang in den Bundesverkehrswegeplan (BVWP) gefunden, bei der Brettener Umgehung sei der vordringliche Bedarf festgestellt worden. Inwieweit der Bundesverkehrswegeplan durch die neue Bundesregierung hinsichtlich der Klimaziele überprüft werde, bleibe abzuwarten.

Alternativtrasse der BIVEB würde nicht genutzt werden

Die von der BIVEB vorgeschlagene Alternativ-Trasse zwischen Bretten und Ruit (wir berichteten), werde im weiteren Verfahren berücksichtigt, gehört jedoch zu den frühzeitig ausgeschiedenen Variantengehöre jedoch zu den frühzeitig ausgeschiedenen Varianten, da sie für den maßgeblichen Verkehrsstrom auf der Achse Bruchsal – Pforzheim "verkehrlich nicht wirksam" sei und der Verkehr weiterhin durch Bretten fahren würde.

Umfahrung hat regionale Bedeutung

Die BIPS verweist währenddessen auf die regionale Bedeutung der im Brettener Südwesten geplanten und vom RP favorisierten Umfahrung und die dadurch entstehende Verkehrsentlastung für die Stadt. "Bei der Zunahme des Verkehrs wird es ansonsten Staus vom Rothenberger Hof bis nach Gondelsheim geben", prognostiziert BIPS-Initiator Aaron Treut. Natürlich wird sich die Initiative dafür einsetzen, dass der geplante Tunnel wegen der Grillhütte und dem Waldkindergarten in Rinklingen verlängert wird. Dennoch erachtet der Bund die Südwestumgehung als wichtig für die gesamte Region und auch die Brettener sollten die Chance nutzen 10.000 Fahrzeuge aus der Stadt herauszubekommen. Diese Möglichkeit sei von Stefan Wammetsberger, Geschäftsführer und Planer des Büro Köhler und Leutwein, in der Gemeinderatssitzung aufgezeigt worden. Allerdings könne nur durch eine gemeinsame Umsetzung von Umgehungsstraße, Rückbau der Wilhelmstraße und Änderung des Mobilitätsverhaltens der Bürger mehr Freiraum für Bretten geschaffen werden, so Treut. Würde dies nicht umgesetzt, generiere der in rund zehn Jahren gestiegene Verkehrsandrang weitere Probleme in der Stadt.

Bei Umbau vor der Umgehung: Längerer Stau auf der Wilhelmstraße

Den Rückbau der Wilhelmstraße auf insgesamt zwei Spuren für die Gartenschau werde in jedem Fall erfolgen auch wenn die Umgehungsstraße noch nicht fertiggestellt sei, hatte Oberbürgermeister Martin Wolff in der vergangenen Gemeinderatssitzung angekündigt. Dieser Schritt erfolge natürlich nur mit Zustimmung des Gemeinderats. Sollte dies der Fall sein, werde es natürlich längere Staus auf der Wilhelmstraße geben. "Diese stauen sich allerdings aus Bretten heraus und so wird auch die Abgasgbelastung für die Wilhelmstraße nicht größer." Wichtig sei die Umgehungsstraße jedoch auch für die geplanten Gewerbegebiete in Rinklingen und Diedelsheim sowie für das bestehende Gewerbegebiet in Gondelsheim, da der Verkehr dann nicht mehr durch die Stadt laufen müsstei, so Wolff. Auch der Binnenschwerverkehr, beispielsweise der der Firma Harsch, die große Betonbauteile transportierten, könnte so umgeleitet werden.

Stadt Bretten will ambitioniertes Ziel erreichen

Das Gutachen des Karlsruher Büros Köhler und Leutwein habe erstmalig die Komponenten Wilhelmstraße, Umgehung und Mobilitätsveränderung der Bürger gemeinsam betrachtet und eine Verbindung der Einflüsse untereinander hergestellt. Doch ob die Umsetzung des Mobilitätskonzepts bis zur Gartenschau gelinge, will Wolff nicht bestätigen. Ebenfalls stünden noch keine Termine für die Einführung von "On demand" (Auf Abruf)-Angeboten, wie einem Bürgerbus, fest. Mit dem Jugendgemeinderat sei die Verwaltung gerade bei der Informationsfindungsphase dieser Angebote angelangt. "Manchmal kommt eine Entwicklung langsam, aber manchmal kommt sie dann auch schnell", so Wolff. Doch zum Umdenken der Bürger, vermehrt den Öffentlichen Nahverkehr (ÖPNV) zu nutzen, gehörten auch andere Überlegungen wie Verknappung oder Verteuerung von Treibstoffen. Laufe alles normal weiter, habe sich sie Stadt mit der Änderung des Verkehrsverhaltens der Bürger bis zur Gartenschau ein ambitioniertes Ziel gesetzt.

Massiver Ausbau der Infrastruktur notwendig

"Realistisch betrachtet, ist dies schon eine extreme Herausforderung", sagt auch Wammetsberger. Ob die Umsetzung bis 2030 möglich sei, hänge von vielen Faktoren ab." Dazu gehörten ein massiver Ausbau der Radinfrastruktur, Barrierefreiheit im öffentlichen Raum, Rückbau von einzelnen Straßen, wie in der Wilhelmstraße, Umgestaltung von Straßen, Ausbau des öffentlichen Verkehrs und Umstrukturierung des Angebotes für ruhenden, motorisierten Verkehr. Außerdem müsse sich der Fuß- und Radverkehr um 23 Prozent erhöhen und der ÖPNV von neun auf 18 Prozent verdoppeln. "Das alles wäre nur unter der Voraussetzung eines massiven Ausbaus der entsprechenden Infrastruktur möglich", so Wammetsberger. Daher sollte seine Annahme von einer 25-prozentigen Verlagerung des Modal-Split vom motorisierter Verkehr "erst einmal als Zielvorstellung" angesehen werden.

Alle Maßnahmen müssen kombiniert gesehen werden

Bei einem Umbau der Wilhelmstraße ohne Umgehung käme es während der Hauptverkehrszeiten zu Problemen im Verkehrsablauf, "zumal realistisch betrachtet für LKW nur bedingt Ausweichstrecken vorhanden sind". Als Übergangszeit bis zur Realisierung der Umgehungsstraße wäre das kein Problem. Dann müssten wohl weitere Maßnahmen im Verkehrsnetz gut durchdacht werden. Nur wenn alle Maßnahmen kombiniert würden, "können die Ziele erreicht werden, die sich Bretten selbst gesetzt hat."

"Der Boden ist das Tafelsilber unseres Landes"

Generell spricht sich Gerhard Dittes vom BUND Bretten gegen die Versiegelung neuer Flächen, insbesondere von Ackerböden aus: "Das Hauptproblem ist der ungebremste Flächenverbrauch." Baue man diese durch die geplante Umgehung weiter zu, werde man noch abhängiger von Lebensmittelimporten. Dabei sollte eigentlich berücksichtigt werden, welche Bedeutung guter Boden für die Versorgung der Menschen direkt vor Ort hat. "Der Boden ist das Tafelsilber unseres Landes." Auch für die Verkehrswende benötige man keine weiteren Straßen, sondern weniger Autos. Die Instandhaltung von Brücken und Straßen, damit auch der Umfahrung, würde viel Geld verschlingen, das besser beim ÖPNV aufgehoben sei. Auch zerschneide die Südwestumfahrung Lebensräume auf dem Rechberg, auf dem es ein FFH-Gebiet gebe. "Eine solche Zerschneidung ist die Hauptursache für den Verlust der Artenvielfalt." Doch mit der Zerschneidung der Landschaft erreiche man auch in Bruchsal und Bauschlott genau das Gegenteil.

"Langgezogene Herdplatte" führt zu Temperaturerhöhungen in der Stadt

Auch die Einflüsse der Straße auf das Klima dürfe man nicht vernachlässigen. So bedeute die rund zwei Kilometer lange Straße eine Flächenversiegelung von etwa 20.000 Quadratmetern mit schwarzem Asphalt. Dieser absorbiere 90 Prozent des Sonnenlichts und heize sich im Sommer bis 60 Grad auf. Diese "langgezogene Herdplatte", wie Dittes sie nennt, erhitze die Luft in Brettens Westen und sorge bei vorherrschendem Westwind zu einer Erhöhung der Temperatur und somit auch zusätzlichen "Tropennächten" in der Stadt. Im laufenden Verfahren würde auch nicht das Urteil des Bundesverfassungsgerichts berücksichtigt, in dem es heiße, dass Klimafolgen nicht der nächsten Generation aufgebürdet werden sollten. Doch momentan stecke man bei der Verkehrspolitik leider noch in der Vergangenheit fest, so Dittes. "Alle Straßenbauprojekte gehören im Hinblick des Natur- und Klimaschutzes sowie der Mobilitätswende unter den Prüfstand."

 Scheuerwiesen-Tunnel vermeidet neue Versiegelung und Zerschneidung der Landschaft

Auch der Nabu hatte sich für die Ostumfahrung ausgesprochen für die sich die BIVEB einsetzt, teilt der Umweltverband mit. So würde die Tunnelführung unter den Scheuerwiesen die geringsten negativen Auswirkungen auf Natur und Landschaft haben und vermeide durch einen Tunnel mit 940 Metern Länge eine neue Versiegelung und Zerschneidung der Landschaft. Letztere sei nach dem neuen Naturschutzgesetz vom Juli vergangenen Jahres bis 2030 auf 15 Prozent der Landesfläche zu sichern oder zu entwickeln, so die Stellungnahme.

Autor:

Beatrix Drescher aus Bretten

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