Schwere des Notfalls richtig einschätzen
RKH Kliniken führen "Symptom-Checker" ein

Die Notaufnahmen der RKH Kliniken, hier die Rechbergklinik, sollen mit einem innovativen Service entlastet werden. Foto: Archiv
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Bretten/Region (hk) Überfüllte Notaufnahmen stellen für Krankenhäuser ein zunehmendes Problem dar. Unter dem Druck steigender Patientenzahlen stoßen die Mitarbeiter an ihre Belastungsgrenzen, Patienten warten ungeduldig und sorgenvoll. Die RKH Gesundheit reagiert als Antwort auf die überlasteten Notaufnahmen mit einem neuen Ansatz, der Menschen schon vor ihrem Gang ins Krankenhaus unterstützen soll. In einem Pressegespräch erläuterten die RKH-Kliniken das nach eigenen Angaben "innovative und einzigartige" Serviceangebot.

Baustein eins ist der Einsatz einer KI-basierten Software der Leipziger Firma DOCYET. Nach Fragen zur Person und den akuten Beschwerden erhalten Hilfesuchende mit dem „Symptom-Checker“ eine erste Ein-schätzung ihrer Erkrankung und Dringlichkeit sowie einen Vorschlag für einen geeigneten Behandlungspartner, an den sich der Patient wenden kann. „Dieses automatisierte, auf einer Selbstauskunft basierende Ersteinschätzungsverfahren ist ein innovatives Hilfsmittel, um vielen Menschen einen Hinweis auf die Schwere ihres Notfalls und den richtigen Ansprechpartner zu geben und so manchem einen Besuch mit langer Wartezeit in der Klinik zu ersparen“, beschreibt Professor Jörg Martin, Geschäftsführer der RKH Gesundheit, den "Symptom-Checker".

Telefonische Beratungs-Hotline und Wartezeit-Anzeige

Baustein zwei und in der "deutschen Krankenhauslandschaft einzigartig", so Martin weiter, ist das sogenannte "RKH Care Team". Dieses Team aus medizinischen Fachkräften steht von 6 bis 23 Uhr für eine telefonische Beratung zur Verfügung. „Mit dem RKH Care-Team etablieren wir auf Krankenhausseite ein in dieser Form neues Lotsensystem, das dem Patienten eine schnellere, adäquate Behandlung im Notfall gewährleistet, ihn durch das komplexe Gesundheitssystem navigiert und damit auch die Kliniknotaufnahmen entlastet“, so Martin. Dorothee Hüppauf, Leiterin der ambulanten Medizin bei der RKH Gesundheit, ergänzt: „Wenn die gleichen Daten wie bei der Selbstanalyse eingegeben werden, ist das Ergebnis dasselbe." Die Ergebnisberichte aus beiden Anwendungsfällen stehen laut Hüppauf den weiter behandelnden Ärzten zur Verfügung.

Der dritte Baustein wurde in Zusammenarbeit mit der Firma Informatikwerk aus Bietigheim entwickelt: Es handelt sich dabei um eine Veröffentlichung der aktuellen Warte- und Behandlungszeiten in den Notaufnahmen der Kliniken, die im Abstand von etwa zehn Minuten automatisch aktualisiert werden. Betroffene können sich im Internet darüber informieren, wie viele Patienten sich zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Notaufnahme eines Krankenhauses befinden und mit welcher Gesamtbehandlungszeit sie rechnen müssen. Dieser Baustein wird bereits für das RKH Klinikum Ludwigsburg angeboten und soll dann sukzessive auf alle anderen Klinikstandorte – darunter auch die Rechbergklinik in Bretten und die Fürst-Stirum-Klinik in Bruchsal – ausgeweitet werden. Mit diesem Tool, so Hüppauf, könne man auch Trends für zukünftige Spitzenzeiten erkennen und entsprechend reagieren.

Kritik an verkürzten Öffnungszeiten der Notfallpraxen

Jörg Martin fasste die Hintergründe zusammen: Die Maßnahmen der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Baden-Württemberg, die Öffnungszeiten der Notfallpraxen zu verkürzen oder diese sogar zu schließen, hätten zu einem weiteren Anstieg der Patienten in den Notaufnahmen der Kliniken um zehn bis 15 Prozent geführt. Schätzungen würden davon ausgehen, dass etwa 20 bis 40 Prozent dieser Patienten eigentlich in eine andere Versorgungsebene gehören und nicht die spezifischen Leistungen der Notaufnahme benötigten. Martin sprach im Zusammenhang des neuen Angebots der RKH Kliniken vom "Wartezimmer der Notaufnahme im eigenen Wohnzimmer".

Dr. Holger Kugel, ärztlicher Leiter der Notaufnahme im RKH Krankenhaus in Mühlacker, bestätigte im Pressegespräch die Dringlichkeit dieses Ansatzes: „Die Unzufriedenheit durch sehr lange Wartezeiten belastet nicht nur das Team. Und gleichzeitig haben wir nicht mehr Personal zur Verfügung.“ Auch Martina Grzenkowski, ärztliche Direktorin des Notfallzentrums Bruchsal und Bretten, bestätigte die wachsenden Herausforderungen. Im vergangenen Jahr wurden in den zentralen Notaufnahmen der Fürst-Stirum-Klinik in Bruchsal und der Rechbergklinik in Bretten 48.000 Patienten versorgt. Insbesondere in den Zeiten ab 22 Uhr bis in die frühen Morgenstunden sei ein deutlicher Anstieg der Patientenzahlen zu verzeichnen.

Ergänzung der Notfall-Homepage um englischsprachige Infos

Im Zuge der Überarbeitung der Notfall-Homepage ist diese nun auch in englischer Sprache verfügbar. „Wir stehen mit unserem Projekt erst am Anfang und wollen es sukzessive verbessern“, so Hüppauf weiter, etwa durch telemedizinische Ergänzungen und Kooperationen mit Rettungsleitstellen. Sie stellte aber auch klar, dass man mit dem neuen Serviceangebot keinesfalls in Konkurrenz zum Patientenservice der Kassenärztlichen Vereinigungen unter der Telefonnummer 116 117 treten wolle. „Was wir jedoch immer wieder feststellen, ist, dass Patienten das Angebot der KV nicht kennen." Eine Entlastung der Notaufnahmen durch das Angebot unter der 116 117 sei daher nicht zu spüren.

Hüppauf machte auch deutlich, dass das Angebot der RKH Kliniken auf Freiwilligkeit beruhe. Gleichwohl erhalte man unter www.rkh-gesundheit.de/notfall künftig erst nach dem Symptom-Check die Kontaktdaten der Notaufnahmen. Durch die zusätzliche Anzeige der Wartezeit erhoffen sich die Mediziner, dass die Patienten – sofern es sich tatsächlich nicht um einen Notfall handelt – einen anderen Weg wählen. Dr. Oliver Hautmann, ärztlicher Leiter der Notaufnahme in der RKH Klinik Ludwigsburg, brachte es auf den Punkt: "Es werden hoffentlich nur noch diejenigen in die Notaufnahme kommen, die auch wirklich einen Notfall haben."

Autor:

Havva Keskin aus Bretten

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