Interview mit Alexandra Grenzhäuser
Brettener Verein Lasso hat sich aufgelöst

Alexandra Grenzhäuser war die Vorsitzende von Lasso. | Foto: privat
  • Alexandra Grenzhäuser war die Vorsitzende von Lasso.
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Bretten (kuna) Der Brettener Verein „Lasso – Hilfe für Menschen in Bretten und Umgebung“ hat sich nach vier Jahren aufgelöst. Wie die ehemalige Vorsitzende, Alexandra Grenzhäuser, in einem Brief mitteilt, konnte bei der letzten Mitgliederversammlung kein neuer Vorstand gebildet werden. Im Gespräch mit der Brettener Woche/kraichgau.news spricht sie über die Arbeit des Vereins und darüber, was von Lasso bleiben wird.

Frau Grenzhäuser, was war der Anstoß zur Gründung des Vereins?
Hilfesuchende wissen oft nicht, an wen sie sich wenden können, um die Unterstützung zu bekommen, die einem zusteht. Behörden, Kranken- und Pflegekassen sind teils selbst schlecht informiert, teils wenig motiviert oder auch zum Sparen angehalten. Es gibt auch viele Menschen, die sich nicht trauen, bei offiziellen Stellen vorzusprechen. Mit Lasso wollten wir einen Verbindungsknoten zu vielen Hilfsorganisationen, Behörden, Kranken- und Pflegekassen und vielen weiteren Stellen bilden. Wir haben auch umfangreiche Informationen gesammelt und weitergegeben, woher auch der Name Lasso kommt: Einfangen von Informationen.

Lasso hat sich Menschen mit Problemen jeglicher Art angenommen. Wie kann man sich das vorstellen?
Der Verein wurde häufig auf das Thema Barrierefreiheit reduziert. Aber an uns haben sich viele verschiedene Hilfesuchende gewandt, auch Kinder und Jugendliche oder Firmen. Unser Einsatz war also sehr vielfältig. Dazu zählt zum Beispiel auch, dass wir uns für den Erhalt der Gottesackermühle in Bretten stark gemacht haben. Oder für die Errichtung von Tempo 30 in der Jöhlinger Straße in Gondelsheim. Dafür habe ich mich direkt an den Kreistag gewandt. Ich habe immer versucht, andere Wege zu gehen.

In Bretten waren Sie eine Konstante in den Sitzungen des Gemeinderates. Gab es auch Aktivitäten über die Melanchthonstadt hinaus?
Für mich war Lasso eine gute Gelegenheit, kommunalpolitisch aktiv zu werden. Ich wäre auch gerne öfter in anderen Gemeinderäten gewesen, zum Beispiel in Oberderdingen oder Gondelsheim, aber die Sitzungen finden ja meistens zeitgleich statt. Ich war aber auch bei einigen Sitzungen des Sozialausschusses in Karlsruhe oder bei Kreistagssitzungen dabei. Als Verein waren wir aber hauptsächlich in Bretten und Umgebung tätig. Einmal hat uns aber sogar eine Anfrage aus der Nähe von Augsburg erreicht.

Wie haben Sie die Zusammenarbeit und die Diskussionskultur in Bretten erlebt?
In der Anfangszeit war die Reaktion auf Lasso sehr unterschiedlich. Von vielen Organisationen und aus der Bevölkerung gab es sehr viel Zustimmung. Wir haben durch unsere Vernetzung eine große Lücke geschlossen. Kleinere Vereine waren sehr interessiert an einer Zusammenarbeit. Die Stadt hat sich dagegen schon schwerer getan. Ich bin von Anfang an sehr selbstbewusst aufgetreten und habe einen respektvollen, toleranten und fairen Umgangston gepflegt. Es war mir immer wichtig, sachlich zu bleiben und Polemik zu vermeiden. Mit der Zeit entwickelte sich im Gemeinderat und mit den Ämtern eine überwiegend gute Zusammenarbeit. Von vielen Gemeinderäten habe ich immer wieder lobende Worte erhalten. Und auch in den Stadtteilen wollte ich unterstützend tätig werden und habe mich an die Ortsvorsteher gewandt, von denen gute Resonanz kam. Ebenso wie im Kreistag, wo unsere Anfragen und Bitten sehr ernst genommen wurden. Am schwierigsten war es für mich mit unserem OB. Da habe ich teilweise kämpfen müssen, um Gehör zu finden. Letztendlich hat auch er meinen Ton begrüßt und mich als wichtige Kraft in Bretten gelobt.
Schade finde ich es aber immer noch, dass die Themen aus der Bürgerfragestunde im Gemeinderat nicht im Amtsblatt erwähnt werden. Viele wissen ja gar nicht, dass die Sitzungen öffentlich sind und man als Bürger teilnehmen kann. Ich habe immer wieder angeregt, dass die Anliegen der Bürger erwähnt werden – das kann ja auch ohne Name sein.

Was waren die größten Herausforderungen für Sie als Vorsitzende von Lasso?
Ich muss ehrlich sagen, die Arbeit hat mir sehr großen Spaß gemacht. Mir hat auch die Einstellung geholfen, dass Probleme da sind, um sie zu lösen. Meine Energie habe ich aus der Resonanz von denen genommen, die für unsere Hilfe dankbar waren. Die größte Herausforderung waren die fehlenden Hände. Wobei ich den über 30 Mitgliedern ausdrücklich für ihre Unterstützung danken möchte. Aber es wäre schön gewesen, wenn wir mehr junge Menschen für die Arbeit im Verein hätten begeistern können. Das ist aus Zeitgründen leider auf der Strecke geblieben.

Was waren die größten Erfolge des Vereins?
Da fallen mir spontan vier Dinge ein. Erstens haben wir es mit Ihrer Hilfe als Brettener Woche geschafft, die Gottesackermühle, die fast vergessen und deren Abriss schon beschlossen war, zu bewahren. Ihre Geschichte ist vermutlich so alt wie die der Stadt Bretten. Ich hoffe, dass sie zur Gartenschau mit einem Wasserrad ein schöner Anblick für die Besucher sein wird. Als zweites haben wir erreicht, dass die „Toilette für alle“ im Gemeinderat zur Abstimmung gelangt. Drittens war da unser Einsatz bei der Landesregierung wegen des Polizeireviers. Mit einem offenen Brief, etlichem Schriftverkehr und dutzenden Anrufen haben wir uns für einen Neubau eingesetzt. Als viertes fällt mir die große Zustimmung aus der Bevölkerung und auch von Institutionen ein, die das gut fanden, was wir gemacht und erreicht haben.

In der Öffentlichkeit war Lasso für den Einsatz für Menschen mit Behinderung sehr präsent. Wie steht es aus Ihrer Sicht um die Barrierefreiheit in Bretten?
Es müssen noch viele Barrieren in den Köpfen abgebaut werden. Die Aussage des OBs „Bretten ist barrierefrei, halt nicht komfortabel“ zeigt das sehr deutlich. Barrieren, egal in welcher Form, führen zu Ausgrenzung. In unzähligen Gesprächen haben wir erfahren, wie viele Betroffene zuhause bleiben, weil ihnen der Kampf um die Teilnahme am öffentlichen Leben zu anstrengend ist. Einen kleinen Beitrag konnten wir mit unserem Treppenstuhl leisten: Den konnte man bei uns ausleihen, wenn zum Beispiel eine Familienfeier ansteht und die Treppe ein Hindernis darstellt.
Ein wichtiges Beispiel dafür, was in der Stadt noch getan werden muss, ist die Parkmöglichkeit für Behinderte. Gerade an einer der wichtigsten Stellen von Bretten, auf dem Marktplatz, stehen ausgerechnet an Veranstaltungen die beiden Behindertenparkplätze oft nicht zur Verfügung. Wichtig wäre auch, dass die Stadt an der Behindertentoilette am Marktplatz eine automatische Tür installiert.
Was ich natürlich sehr begrüße, ist der Umbau des Bahnhofes. Wir hätten uns aber zusätzlich zu den geplanten Fahrstühlen eine Rampe gewünscht. Bei einem Defekt des Fahrstuhls würden Reisende, die keine Treppen laufen können, so trotzdem vom Bahnsteig herunterkommen. Außerdem gibt es auch Rollstuhlfahrer, die Panik haben, mit dem Fahrstuhl zu fahren. Ein letzter Punkt, der mir einfällt, sind die vielen niederschwelligen Barrieren, oft nur einen Zentimeter hoch, die für ältere Menschen mit Rollator teilweise aber ein großes Problem darstellen.

Was wird von Lasso bleiben?
Wie in der Satzung festgehalten, wird das Vermögen des Vereins an eine gemeinnützige Organisation weitergegeben. Unser gesammeltes Geld geht an einen Mobilitätstrainings-Parcours, der mittlerweile auf Kreisebene geplant ist. Dabei handelt es sich um einen mobilen Parcours, den man ausleihen kann. Menschen, die in ihrer Mobilität unsicher sind, können damit im geschützten Raum üben. Das Projekt wird schon seit Jahren von den Behindertenbeauftragten des Landkreises verfolgt, beteiligt ist auch die Lebenshilfe Bruchsal-Bretten. Die Lebenshilfe wird auch unseren Treppenstuhl bekommen.

Die Fragen stellte Brettener Woche-Redakteurin Kathrin Kuna.

Autor:

Kathrin Kuna aus Bretten

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