Hebammen - Starke Begleiterinnen: Angelika Haupt im Interview
Angelika Haupt ist schon seit 45 Jahren als Hebamme tätig. 16 Jahre lang hat sie im Kreißsaal Frauen geholfen, ihre Kinder auf die Welt zu bringen. Heute gibt sie freiberuflich vor allem Geburtsvorbereitungskurse und Rückbildungsgymnastik. Im Interview mit Ratgeber Zukunft erzählt sie, wie vielseitig der Beruf der Hebamme ist.
Frau Haupt, warum haben Sie den Beruf der Hebamme ergriffen?
Ich hatte eine Großtante, die als Hebamme tätig war und irgendwie hat mich der Beruf fasziniert. Ich konnte mir das als Alternative zur Krankenschwester sehr gut vorstellen, weil man auch sehr selbstständig arbeiten kann und muss. Das ist eine Herausforderung. Dann habe ich ein Freiwilliges Soziales Jahr in Heidelberg gemacht und so in vier verschiedene Bereiche Einblick bekommen – Chirurgie, Psychiatrie, Innere Medizin und eben auch in die Frauenklinik. Diese Erfahrungen haben mich in meinem Berufswunsch bestärkt.
Wie sieht der Arbeitsalltag einer Hebamme aus?
Angestellte Hebammen arbeiten im Kreißsaal, meist in einem Dreischichtsystem. Das hat den Vorteil, dass man nach acht Stunden das Krankenhaus verlassen kann, um sich zu regenerieren. Manche arbeiten freiberuflich als Beleghebammen und begleiten die von ihnen betreuten Frauen zur Entbindung. Beleghebammen müssen unter Umständen 24 Stunden fit sein und das ist natürlich sehr anstrengend hat aber den Vorteil, dass die Frauen keinen Wechsel in der Betreuung hinnehmen müssen. Dies gilt auch für freiberuflich tätige Hebammen, die heute noch Hausgeburten durchführen. Viele Hebammen sind freiberuflich aber ausschließlich in der in der Vor- und Nachsorge tätig. Manche geben Kurse zu festen Zeiten, andere sind schwerpunktmäßig in der Wochenbettbetreuung tätig in Form von unterschiedlich vielen Hausbesuchen täglich. Man muss dabei aber zeitlich sehr flexibel sein, denn man weiß nie, was kommt. Es können immer unerwartete Komplikationen auftreten, zum Beispiel eine Brustentzündung. Es ist ein Beruf, der einen sehr vereinnahmt.
"Zuversicht und das Selbstvertrauen der Frauen hinsichtlich der Geburt ihres Kindes stärken"
Wie viel Raum nimmt die Arbeit mit Kindern ein?
Man arbeitet als Hebamme eigentlich nicht mit Kindern, sondern mit den Müttern. Es gibt auch Kolleginnen, die Babymassagen oder Babyschwimmen anbieten. Das kann man machen, aber es ist die eigentliche Aufgabe einer Hebamme. Mir geht es vor allem darum, in der Geburtsvorbereitung die Zuversicht und das Selbstvertrauen der Frauen hinsichtlich der Geburt ihres Kindes zu stärken, denn das Gespür für die eigenen Kräfte und Fähigkeiten brauchen sie auch später in der Fürsorge und Erziehung ihrer Kinder.
In den Medien wurde viel über finanzielle Belastungen für freiberufliche Hebammen, vor allem durch hohe Beiträge für die Berufshaftpflichtversicherung, berichtet. Ist die Situation wirklich so schlecht?
Das Problem betrifft vor allem Hebammen, die Hausgeburten durchführen. Die Versicherungsbeiträge für Freiberufliche, die ausschließlich die Vor-und Nachsorge anbieten, sind bezahlbar. Aber generell ist es schwierig, freiberuflich tätig zu sein, denn man muss auch Engpässe, zum Beispiel durch Krankheit oder Urlaub, selbst auffangen. Das große Handicap ist die geringe Bezahlung. Nach allen Abzügen bleiben etwa 10 Euro netto pro Stunde. Darum sind ein gutes Zeitmanagement und eine hohe Belastbarkeit sehr wichtig in dem Beruf. Die Berufserfahrung macht es einem leichter.
Was muss man Ihrer Meinung nach mitbringen, um Hebamme zu werden?
Man muss mindestens einen guten Realschulabschluss haben. Manche Hebammenschulen nehmen sogar nur Abiturientinnen. Aber gute Noten sind nicht alles: Man braucht vor allem auch ein gutes Gespür für Menschen und ein großes Einfühlungsvermögen, sowie ein vertrauensvolles und zuversichtliches Auftreten. Man braucht viel Kraft und muss physisch und psychisch gesund sein, denn man wird auch mit schweren Schicksalen konfrontiert. Gerade dann ist es wichtig, dass eine Hebamme eine starke Begleiterin für die Frauen ist.
Was ist für Sie das Schöne an Ihrem Beruf?
Es ist ein sehr vielseitiger Beruf mit vielen Facetten. Es ist etwas Ganzheitliches. Man wird mit den elementarsten Dingen des Lebens konfrontiert – Geburt, Liebe und auch Tod. Das macht demütig und dankbar für das, was man im Leben hat. Und es schafft Vertrauen in die natürlichen Abläufe.
"Ehrlich und realistisch bleiben"
Sie haben später auch noch ein Psychologiestudium absolviert und eine therapeutische Ausbildung gemacht. Inwiefern hat Ihnen das in Ihrem Beruf geholfen?
Es hat sehr geholfen, denn das Wissen um das Zusammenspiel von Körper, Geist und Seele spielt eine große Rolle in der Geburtsvorbereitung. Es wurde leichter, Schwieriges in die richtigen Worte zu verpacken – ehrlich und realistisch zu bleiben, was die Herausforderungen des Gebärens anbelangt und die möglichen selbststärkenden Verhaltensweisen. Das Studium war eine Bereicherung, aber nicht ausschlaggebend. Ganz wichtig war die Geburt meiner eigenen Tochter. Dadurch konnte ich mich noch besser in die Situation der Frauen hineinversetzen.
Können auch Männer Hebammen werden?
Es gibt nur ganz wenige Entbindungspfleger in Deutschland. In der Geburtshilfe gibt es viele Situationen, die sehr intim sind und bei denen sich Frauen bei Frauen wohler und besser verstanden fühlen. Aber prinzipiell kann die Tätigkeit auch von einem Mann geleistet werden.
Die Fragen stellte Wiebke Hagemann.
Ausbildung zur Hebamme
In Deutschland gibt es 58 Schulen, die die schulische Ausbildung zur Hebamme anbieten, zum Beispiel in Karlsruhe, Stuttgart oder Heidelberg. Die Ausbildung besteht aus einem theoretischen Teil und einem praktischen, den man hauptsächlich in einer Klinik absolviert. Die Ausbildung endet mit einem staatlichen Examen.
Autor:Wiebke Hagemann aus Bretten |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.