Vortrag zum Umgang mit queeren Jugendlichen
"Nuancen statt feste Schubladen"

Denis Hasani berichtet aus seiner Arbeit als Berater bei pro familia Karlsruhe. Foto: kuna
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Bretten (kuna) Wie kann man Jugendlichen, die mit ihrer geschlechtlichen Identität hadern, ein sicheres Umfeld bieten? Diese Frage erörterte Denis Hasani, Berater der pro familia Karlsruhe, bei einem Vortrag anlässlich des Welttags der seelischen Gesundheit im Hohberghaus in Bretten. Dass es ein reges Interesse an der Thematik gibt, war an dem Abend offenkundig. Christoph Röckinger, Leiter des Hohberghauses, erklärte zu Beginn des Vortrags, dass er „überwältigt“ sei über das zahlreiche Kommen. Auch im Hohberghaus würden sich demnach Fragen nach dem „richtigen und sensiblen Umgang“ mit jungen Menschen stellen, die sich auf der Suche nach ihrer geschlechtlichen Identität befinden würden.

"Nuancen statt feste Schubladen"

Bei pro familia Karlsruhe würden ratsuchende junge Menschen bei der LSBTTIQ-Beratung eine Anlaufstelle finden, erklärte Hasani. LSBTTIQ steht dabei für lesbische, schwule, bisexuelle, transsexuelle, transgender, intersexuelle und queere Menschen. Er selbst bevorzuge die Bezeichnung „queer“. Darunter würden alle Personen fallen, die sich mit den „starren Geschlechternormen“ nicht identifizieren könnten. Es handle sich dabei in erster Linie um "Nuancen statt um feste Schubladen". Begriffe wie "demigender", "agender" oder "genderfluid" seien dennoch für viele Betroffene wichtig, um die innere Befindlichkeit benennen und greifbar machen zu können.

Jugendliche stehen unter "enormem Stress"

Hasani kam außerdem auf das Transsexuellengesetz (TSG) zu sprechen, das viele Probleme von queeren Jugendlichen verstärken würde. Das Gesetz regelt die Rahmenbedingungen, die für eine Änderung des Vornamens und des Geschlechtseintrages notwendig sind. Bis 2011 hätten dazu auch eine Sterilisation und die Scheidung vom Ehepartner gezählt, berichtete Hasani. Und auch heute würden sich Betroffene durch das TSG erniedrigt fühlen. Laut Hasani sind die notwendigen Behandlungen oftmals "mit enormem Stress" verbunden, da die Jugendlichen ihr Anders-Sein "permanent performen" müssten. „Das TSG muss verändert werden“, so seine klare Meinung, „damit Hilfe schnell erreichbar ist, wenn sie notwendig ist.“

"Es braucht zuerst ein inneres Coming Out"

Den Kampf, den queere Menschen führen, sei in erster Linie nicht gegen gesellschaftlichen Normen, sondern gegen das eigene Selbst gerichtet. Kinder und Jugendliche, die spürten, dass sie nicht in die Geschlechternormen hineinpassen, seien von Scham begleitet – einer Scham davor, zu sein, wie sie sind. „Daher braucht es zuerst ein inneres Coming Out“, erklärte Hasani, „um sich selbst annehmen zu können.“ Zu der Beratung kämen die Jugendlichen erst dann, wenn sie diese Scham zumindest teilweise überwunden hätten.

"Gesunde und wohlwollende Neugier"

Um queeren Jugendlichen ein sicheres Umfeld zu bieten, helfe eine „gesunde und wohlwollende Neugier“, so Hasani. Außerdem sei es wichtig, „keine lösungsorientierte Haltung“ einzunehmen. „Das fällt besonders Männern schwer“, musste Hasani zugeben. Er berichtete auch von den eigenen Schwierigkeiten, das geschlechtliche Empfinden der Ratsuchenden nur wenig fassen zu können oder mit den queeren Begrifflichkeiten zunächst einmal nichts anfangen zu können. „Was es bedeutet, nicht-binär zu sein, habe ich selbst vielleicht erst zu 20 Prozent verstanden“, gestand er.

"Queer-Sein kann auch Inspiration sein"

Danach wurde darüber beratschlagt, wie mit Anfeindungen gegenüber queeren Menschen umgegangen werden kann. Hasani betonte, dass die Ablehnung von queeren Menschen vor allem zu Misstrauen bei den Intoleranten selbst führe. „Antworten auf alles können wir nicht haben“, meinte er. In der Wissenschaft gebe es noch keine Klarheit darüber, warum Menschen homosexuell oder transgeschlechtlich sind. Das Queer-Sein könne aber auch eine Inspiration sein, selbst mehr zu sich zu stehen – egal wie man sich identifiziere.

Autor:

Kathrin Kuna aus Bretten

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