Gottesdienst in aramäischer Sprache
Ökumene der etwas anderen Art
Gondelsheim. -roal- Die Ökumene als Bestreben, die inhaltlich getrennten Konfessionen der evangelischen Christen und der Katholiken wieder zusammenzuführen, ist auf der oberen Ebene zum Stillstand gekommen. Vor Ort ist das anders, deutlich sicht- und spürbar im Raum Bretten. Am Ostermontag finden in der Kirche St. Mauritius in Neibsheim und am Pfingstmontag auf dem Dorfplatz Bauerbach ökumenische Gottesdienste statt, jeweils anschließend mit Imbiss ('Agape') und gemütlichem Beisammensein. Das ökumenische Forum Neibsheim-Gondelsheim-Büchig hatte jetzt zu einem besonderen Gottesdienst eingeladen, nämlich in aramäischer Sprache. Der Einladung sind über 80 Christen verschiedener Konfessionen gefolgt. Den Gottesdienst zelebrierte Pfarrer Kakjona, angereist aus Wiesbaden. Er kennt sich im Raum Karlsruhe-Heidelberg aus, weil er hier auch Aramäer betreut. Diese treffen sich zu ihren Gottesdiensten in Bruchsal.
Die Aramäer
Reste der aramäisch sprechenden christlichen Minderheit leben im Nahen Osten und sehen sich selbst als Nachfahren der antiken Aramäer. Sie werden auch Assyrer oder Chaldäer genannt. Ihre ursprüngliche Heimat ist Mesopotamien; heute leben sie in der südöstlichen Türkei, im nordöstlichen Syrien und im nördlichen Irak. In Folge des Syrischen Bürgerkriegs und der damit verbundenen Ausbreitung des Islamischen Staates waren zahlreiche Christen in Syrien und im Irak gezwungen, ihre Heimat als Flüchtlinge zu verlassen.
Ihre Liturgie feiern sie in Aramäisch, der Sprache von Jesus.
Gondelsheim und die Aramäer
Naderah Abou, die Mesnerin der katholischen Kirche zum guten Hirten, musste die Bagdader Gegend mit ihrer Familie Hals über Kopf verlassen, wenn sie als aktive Christin überleben wollte. Der Diktator Saddam Hussein hatte Angehörige anderer Religionen in seinem Land mehr oder weniger in Ruhe gelassen. Nach seinem Sturz begann der Bürgerkrieg. Die Milizen wollten alle Menschen, die nicht zu Allah beten, 'entfernen'. Wiederholt sich die Geschichte? Etwa 500.000 bis 750.000 Aramäer wurden ab 1916 im Südosten der Türkei von den Osmanen und kurdischen Truppen getötet. Bis heute erkennt die Türkei den Völkermord nicht an. Frau Abou und ihre Familie hatten wohl einen guten Schutzengel. Sie lebt voll integriert in Gondelsheim, bereichtert die Neibsheimer Filialpfarrei in vielfältiger Hinsicht.
Der evangelische Thomas Dittes aus Neibsheim und die Katholikin Roswitha Vollmer aus Gondelsheim vom ökumenischen Forum nahmen diesen Hintergrund zum Anlass, den Blick durch einen Gottesdienst auf das Schicksal der aramäischen Christen zu lenken. Es ist ihnen gelungen.
Der Gottesdienst
Der Gottesdienst unterscheidet sich inhaltlich nicht von der Eucharistiefeier in der Erzdiösese Freiburg zu welcher die Kirchengemeinde Bretten-Walzbachtal und damit auch die Pfarrei Neibseim/Gondelsheim gehört. Für regelmäßige Kirchgänger sind allerdings Unterschiede im Ablauf zu erkennen. Zum Beispiel: Die Hostie, eine dünne Oblate, die bei der Kommunion den Leib Christi darstellt, wird bei den Aramäern in einen Kelch mit Wein getaucht, bevor sie der Priester dem Kommuniziernden auf die Zunge oder die Hand legt. Häufiger als in unseren Gottesdiensten wird das Kreuzzeichen gemacht, wohl immer wenn in den Texten das Wort 'Gott' fällt, und die Ministranten geizen nicht mit Weihrauch. Und die Gesänge? Sie sind irgendwie anders als bei uns gewohnt: Vorgetragen von Frauen und Männern als Sologesang ohne Musikbegleitung. Der Priester hat seine Predigt nicht als 'Rede' vorgetragen, sondern als Sprechgesang. Das nennt man psalmodieren, wie die Besucher nach dem Gottesdienst von dem Gondelsheimer Künstler Karl Vollmer erfahren haben. Durch die intensiven mit Inbrunst vorgetragenen Gesänge der Solisten und insbesondere des Priesters entstand im Verlauf der Feier zunehmend eine besondere Atmosphäre im Gotteshaus. Man kann durchaus von Gänsehautfeeling sprechen.
Gemütliches Beisammen sein mit Agape
In der frühen Kirche war die Agape ein Synonym für die Eucharistie. Die Christen brachten Lebensmittel und Wein mit. Diese wurden nach der Segnung gemeinsam verzehrt. Damit erfüllte die Agape neben dem Ritus auch eine karitative Aufgabe.
Das ökumenische Forum und insbesondere Frau Abou hatten für nach dem Gottesdienst vieles aufgetischt. Die Bilder zeigen es. Zum Beispiel auch Baklava, eine auf der Zunge zergehende Blätterteigpastete.
Die Gespräche waren informativ, meist bedrückend aber auch hoffnungsvoll. Aramäer sind keine Wirtschaftsflüchtlinge, die sich ins deutsche Sozialnetz fallen lassen wollen, sondern wegen ihrem christlichen Glauben Vertriebene, in etwa vergleichbar mit den Waldensern. Sie fallen dem Staat nicht zur Last, integrieren sich, sobald ihr Asylgesuch genehmigt ist. Rosmarie Vollmer hat sich im Zusammenhang mit der Einarbeitung von Naderah Abou als Mesnerin mit der Situation der Aramäer heute befasst. Amand Georges, eine Frau, die in einer katholischen Kirche im Raum Pforzheim mitwirkt, hat ihr berichtet: "Nach dem Sturz des Diktators ist Chaos ausgebrochen. Wir Christen mussten entweder zu Moslems konvertieren, monatlich Geld bezahlen oder wurden umgebracht." Das war eine unerträgliche Situation, insbesondere für Familien mit Kindern. Was damals in drei Dörfern im Qalamungebirge geschah, kann man nur mit dem Begriff 'Ausrottung' beschreiben. Auch deutsche Staatsmedien haben darüber berichtet. Frau Vollmer weiß auch, dass das reine Aramäisch immer weniger Leute sprechen. Die Sprache sei mit dem Arabischen zu vergleichen, etwa so wie deutsch mit schwyzerdütsch.
Ein Gesprächspartner, gefragt, wie es so sei in Deutschland, zögerte. Er arbeite bei einer großen Firma in Bruchsal. Der Arbeitsplatz sei gut und werde so bezahlt wie für Deutsche. Mit dem Lernen der Sprache wollte er mit seinen Kollegen nach und nach auch über Religion und die Bibel sprechen. Das habe man ihm sehr schnell ausgetrieben: "Mir schwätze iwwer Fußball, schelte iwwer d`Bolidik un jammere generell. Mit der Kerch henn mir nix am Hut", bekam er zu hören. Das ist wohl eine treffende Zustandbeschreibung unserer Gesellschaft. Der aramäische Familienvater ist nachdenklich.
.. und weiter?
Thomas Dittes und Roswitha Vollmer unisono: "Nach diesen Erfahrungen muss es eine Wiederholung geben. Wir sehen: Ökumene zwischen Menschen unterschiedlicher Herkunft und Kulturen kann weiter helfen". So ist es!
Autor:Kirche St. Peter Bauerbach aus Bretten |
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