Schuldnerberatung des Diakonischen Werks
"Ratsuchenden auf Augenhöhe begegnen"
Bretten (ger) Arbeitslosigkeit, Krankheit und Trennung, das sind die häufigsten Ursachen für eine Überschuldung. „… und plötzlich überschuldet“ ist auch das Motto der Aktionswoche der Schuldnerberatung, die von 30. Mai bis 3. Juni bundesweit auf das Thema aufmerksam macht. In Bretten bietet das Diakonische Werk in der Heinrich-Beuttenmüller-Straße gegenüber dem Kraichgau-Center eine Schuldnerberatung an für alle Menschen mit Schulden, die ihre Situation aus eigener Kraft nicht mehr bewältigen können. Der Sozialpädagoge Jörn Schulze und die ehrenamtlichen Berater Uwe Bahlinger, Werner Frisch, Rüdiger Pehle und Ulrich Wiegand bilden das Team, das Ratsuchende in Sachen Schulden fachkundig berät und unterstützt. Das Angebot ist kostenfrei, steht für alle Menschen offen, und die Mitarbeiter unterliegen der Schweigepflicht.
In Krisen kann die Verschuldung zur Überschuldung werden
Sich zu verschulden, sei zuerst einmal ein ganz alltäglicher Vorgang, erläutert Jörn Schulze im Gespräch mit der Brettener Woche/kraichgau.news. Wer ein Haus oder eine Wohnung kauft, eine große Anschaffung wie ein Auto tätigt oder sich selbstständig macht, nimmt in der Regel ein Darlehen auf. Bei Lebenskrisen, wenn man zum Beispiel den Arbeitsplatz verliert oder schwer erkrankt, kann die Verschuldung in eine Überschuldung übergehen, die man allein nicht mehr in den Griff bekommt. Überschuldet ist man zum Beispiel dann, wenn das Einkommen nicht mehr zum Leben reicht, wenn die anstehenden Ausgaben die Einnahmen übertreffen oder wenn Ratenzahlungen für Kredite nicht mehr abbezahlt werden können.
"Thema von emotionaler auf sachliche Ebene bringen"
Im Prinzip kann es jeden treffen. Stärker gefährdet sind Menschen, deren Einkommen gerade so zum Leben reicht und die keine oder nur geringe Rücklagen haben. Bei betriebsbedingter Kündigung und einem fortgeschrittenen Alter ab 50 ist es oft schwer, einen neuen Arbeitsplatz zu finden. Mit dem Arbeitslosengeld I kommen Betroffene meist noch zurecht, wenn aber das Arbeitslosengeld II, besser bekannt als Hartz IV, greift, bricht das System zusammen. Nach einer Trennung, wenn statt einem zwei Haushalte finanziert werden müssen und Unterhaltszahlungen anstehen, besteht ebenfalls die Gefahr einer Überschuldung. Und auch Altersarmut erhöht das Risiko: Wird beispielsweise die Wohnung gekündigt, findet man mit einer kleinen Rente auf dem angespannten Mietmarkt nur schwer etwas Bezahlbares. „Unser erstes Anliegen ist es, das Thema von der emotionalen auf eine sachliche Ebene herunterzuholen“, erläutert Ulrich Wiegand die Grundlage der Beratung. „Wir begegnen den Ratsuchenden auf Augenhöhe und zeigen ihnen auf, dass sie nicht minderwertig sind.“
"Möglichst früh Hilfe holen"
Denn Überschuldung ist oftmals eine Folge von externen Faktoren, auf die die Betroffenen keinen Einfluss haben, und kann eine Spirale aus Scham und Angst lostreten, die schlimmstenfalls gar in einer psychischen Erkrankung mündet. Zu existenziellen Ängsten kommt die Angst vor der Ausgrenzung: Betroffene versuchen, die prekäre Situation vor Familie, Freunden und Arbeitgeber zu verschleiern. Gleichzeitig bemühen sie sich, es den Gläubigern recht zu machen, und gehen dabei unter Umständen auf Forderungen ein, die sie nur noch tiefer in die Misere ziehen. „Daher ist es wichtig, sich möglichst früh Hilfe zu holen“, betont Rüdiger Pehle. Das Team der Schuldnerberatung bietet Hilfe zur Selbsthilfe und zeigt Perspektiven aus der Überschuldung. „Wir ermitteln gemeinsam mit den Ratsuchenden den Schuldenstand und prüfen, ob die Forderungen von Gläubigern und Inkassounternehmen gerechtfertigt sind“, erklärt Uwe Bahlinger das konkrete Vorgehen. Auch Sozialleistungsansprüche wie Wohngeld werden geprüft und geltend gemacht.
"Mensch mit ganzer Lebenssituation betrachten"
Drohe die Pfändung, habe der Erhalt von Wohnung sowie Wasser-, Gas- und Stromanschluss Priorität. Die Ratsuchenden werden befähigt, mit den Gläubigern zu verhandeln, oder die Berater übernehmen diese Verhandlungen selbst. Sie bieten fachkundige Orientierung in dem rechtslastigen Sachgebiet und fungieren auch als „Übersetzer“ bei Behördenschreiben. Als anerkannte Stelle ist die Schuldnerberatung behilflich bei außergerichtlichen Vergleichen, die die Zahlungsmöglichkeiten der Betroffenen berücksichtigen. Scheitern diese, unterstützt sie auch bei der komplexen Beantragung und Durchführung eines Verbraucherinsolvenzverfahrens. „Auch die Feststellung der dauerhaften Zahlungsunfähigkeit ist eine Möglichkeit“, ergänzt Werner Frisch.
Auch wenn etwaige Vergleiche oder Verfahren abgeschlossen sind oder der Insolvenzantrag abgegeben ist, findet bei Bedarf noch eine Nachbetreuung statt. Dabei wird eine langfristige Lösung der prekären Situation angestrebt. Jörn Schulze formuliert die Besonderheit der Schuldnerberatung des Diakonischen Werks so: „Bei uns wird der Mensch mit seiner ganzen Lebenssituation betrachtet.“
Mehr Informationen zur Schuldnerberatung finden Sie auf der Homepage des Diakonischen Werks Bretten.
Autor:Katrin Gerweck aus Bretten |
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