Volkshochschule organisiert Führung zur Geschichte der jüdischen Gemeinde Flehingen
Mesusa, Mikwe und Schabbat: Spuren der Erinnerung
Oberderdingen-Flehingen (kn) Mitglieder der Historischen Gruppe "Fünf Schneeballen" erarbeiteten im Jahr 2020 fünf Rundwege und Wanderungen unter anderem zur Flehinger und Sickinger Ortsgeschichte. Daraus hatte die Volkshochschule Karlsruhe Land den Weg „Auf den Spuren jüdischen Lebens in Flehingen“ in ihr Programm aufgenommen. Am Flehinger Kerwesonntag machten sich zehn Interessierte zusammen mit Sabine Obhof und Wolfgang Schönfeld aus Zaberfeld, einem Experten über jüdisches Leben im Kraichgau, auf den Weg. Entlang der in Flehingen verlegten Stolpersteine führte der Weg durch den alten Teil des Dorfes. Flehingen war über einige Jahrhunderte Heimat, Lebensmittelpunkt und wichtiger Religionsausübungsort für jüdische Bürger im Kraichgau. An siebzehn Stationen machte die Gruppe Halt und erfuhr dabei viel über die Schicksale einzelner Familien. Wolfgang Schönfeld hatte in akribischer Arbeit diese Daten recherchiert.
Jüdisches Leben blühte in Flehingen auf
Bereits seit dem Spätmittelalter lebten Juden in Flehingen, doch besonders nach der gezielten Ansiedelung durch die Grafen von Metternich blühte nach dem 30-Jährigen Krieg das jüdische Leben in Flehingen auf, bis es während der NS-Zeit gänzlich ausgelöscht wurde. Die politische Unterdrückung der jüdischen Bevölkerung sorgte bereits vor 1933 auch in Flehingen für etliche Auswanderungen, die letzten neun noch in Flehingen lebenden jüdischen Mitbürger wurden am 22. Oktober 1940 in das Internierungslager Gurs deportiert und schließlich ermordet. Die im Gehweg angebrachten Stolpersteine geben Zeugnis davon, wo der letzte selbst gewählte Wohnort der einzelnen jüdischen Personen war, ihr Name ist auf einer kleinen Messingplatte zu lesen. Anhand einer Computersimulation zeigte Schönfeld wie das alte jüdisches Bad, die Mikwe am Ufer des Kohlbachs ausgesehen haben könnte. Ganz in der Nähe gab es eine Judenschule und die alte Synagoge. Die neue Synagoge mitten im Dorf wurde 1874 unter Beteiligung der ganzen Gemeinde feierlich eingeweiht. Sie wurde in der Reichspogromnacht 1938 durch ein gelegtes Feuer zerstört und nie wieder aufgebaut.
Erklärung zu aufwendig gestalteten Grabsteinen
Ein weiteres zeitgenössisches Merkmal jüdischer Häuser ist nur noch an einem Hauseingang zu finden: In der Hauseingangsleibung war eine sogenannte Mesusa angebracht. Dies ist eine kleine Metallrolle, die einen auf Pergament verfassten Psalm enthielt. Davon erhalten ist nur noch die Gesteinsvertiefung.
Nach dem Dorfrundgang begab sich die Gruppe zum israelitischen Friedhof, der an der alten Straße nach Gochsheim liegt. Er wurde bereits 1688 eingerichtet und existiert bis heute, wird allerdings seit der Deportation der jüdischen Gemeinde nicht mehr belegt. Schönfeld erklärte vor der Besichtigung Details der teils aufwendig gestalteten Grabsteine mit hebräischen Beschriftungen und Symbolen.
Autor:Kraichgau News aus Bretten |
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