Erster Bürgerentscheid in Neulingen
Bürger stimmen gegen Flüchtlingsunterkunft in Göbrichen

Beim ersten Neulinger Bürgerentscheid fanden 2.444 Einwohner den Weg zur Wahlurne. | Foto: votemanager.de
  • Beim ersten Neulinger Bürgerentscheid fanden 2.444 Einwohner den Weg zur Wahlurne.
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Neulingen (kuna) Die Bürgerinnen und Bürger von Neulingen haben entschieden: Im Nordweg 6/1 im Ortsteil Göbrichen soll keine Flüchtlingsunterkunft gebaut werden. Am gestrigen Sonntag, 20. Oktober, fanden 2.444 Einwohner den Weg zur Abstimmung ins Rathaus in Bauschlott. Mit 1.320 Stimmen stellten sich 54,37 Prozent gegen den Bau der Unterkunft. Bei 1.108 Ja-Stimmen (45,63 Prozent) fiel das Ergebnis jedoch denkbar knapp aus.

Wahlbeteiligung von 46,28 Prozent

Die Wahlbeteiligung bei dem ersten Neulinger Bürgerentscheid lag bei 46,28 Prozent. Insgesamt waren 16 Stimmen ungültig. Die konkrete Frage lautete: "Soll das gemeindeeigene Grundstück, Flst. Nr. 7381/1, Nordweg 6/1 in Neulingen-Göbrichen, mit einer Flüchtlingsunterkunft bebaut werden?".

Unterschiedliche Ergebnisse je nach Ortsteil

Ein Blick in die Ergebnisse zeigt: Je nach Ortsteil haben die Bürger diese Frage recht unterschiedlich beantwortet. In Göbrichen etwa, wo die Unterkunft gebaut werden soll, stimmten 78,41 Prozent dagegen. In Nußbaum waren 83,62 Prozent der Wählerinnen und Wähler für den Bau der Unterkunft. In Bauschlott hielten sich die beiden Seiten die Waage: 50,89 Prozent stimmten dafür und 49,11 Prozent dagegen.

Auf dem Grundstück steht bereits eine Flüchtlingsunterkunft

Das Ergebnis des Bürgerentscheids ist nun wie ein Gemeinderatsbeschluss von der Verwaltung umzusetzen. Im Februar dieses Jahr hatte der Gemeinderat beschlossen, dass auf dem Grundstück im Göbricher Gewerbegebiet eine Flüchtlingsunterkunft für 32 Personen gebaut werden soll. Dort steht schon jetzt eine Unterkunft für Geflüchtete – ein Holzhaus, das jedoch wenig Platz bietet und schon in die Jahre gekommen ist. Die Gemeinde rechnet außerdem damit, noch in diesem Jahr weitere Geflüchtete aufnehmen zu müssen.

Verwaltung sieht gute Voraussetzungen des Grundstücks

Ausschlaggebend für den mehrheitlichen Beschluss des Gemeinderates waren die Voraussetzungen des Grundstückes: Es befindet sich im Besitz der Gemeinde, außerdem grenzt es nicht direkt an Wohnbebauung an und liegt dennoch relativ zentral. 

Bürgerbegehren mit mehr als 700 Unterschriften

Am 6. März hatte die Verwaltung den Beschluss auf der Website der Gemeinde bekannt gegeben. Daraufhin reichte eine Bürgerinitiative am 23. Juni ein Bürgerbegehren ein. Mit 706 gültigen Unterschriften richteten sie sich gegen den Bau der Unterkunft und begründeten dies damit, dass das Grundstück für eine Flüchtlingsunterbringung ungeeignet sei. „Wir stehen für bessere Unterbringungsmöglichkeiten“, erklären die Initiatoren.

Gegner sehen Grundstück als ungeeignet an

Die Bürgerinitiative räumt ein, dass die Politik vorgibt, Asylsuchende aufzunehmen. Sie werbe jedoch für eine humane Unterbringung. „Dazu gehört Integration, keine Ballung auf engem Raum“, so die Initiatoren. Das 478 Quadratmeter große Grundstück im Gewerbegebiet sei ungeeignet für eine Wohnbebauung. So verweist die Bürgerinitiative etwa auf „unzureichende Zufahrtswege“, „fehlende Aufenthaltsbereiche“ sowie eine Kostenprognose von rund 1,5 bis zwei Millionen Euro pro Jahr.

Bürgermeister "nicht sonderlich überrascht"

Bürgermeister Michael Schmidt ist über das Ergebnis "nicht sonderlich überrascht". Mit einer flächendeckenden Zustimmung für den Bau einer Asylunterkunft habe er nicht gerechnet. „Wir entscheiden hier nicht über die Flüchtlingspolitik in Deutschland – das wurde den Bürgern auch deutlich gemacht – es spielte aber wohl auch mit rein“, resümiert er am Tag nach dem Bürgerentscheid.

Eine "kleine Sensation" in Nußbaum

Der Blick nach Nußbaum, wo sich trotz allem eine Mehrheit für den Bau ausgesprochen hat, zeige aber auch: Nicht alles ließe sich mit gesamtgesellschaftlichen Trends erklären. Eine pauschale Erklärung für das Abstimmungsverhalten will der Bürgermeister nicht wagen, dass die Nußbaumer sich offen für die Argumente der Verwaltung gezeigt hatten, sei aber eine „kleine Sensation“.

"Absoluter Baustopp"

Mit dem Bürgerentscheid sei nun der Grundsatzbeschluss gefallen, dass es im Nordweg 6/1 in Bezug auf eine mögliche Flüchtlingsunterkunft einen „absoluten Baustopp“ geben wird. Diese Entscheidung sei nur durch einen erneuten Bürgerentscheid wieder umkehrbar – und das sei ziemlich unrealistisch, meint Schmidt.

Einen Plan B für die Unterbringung von Geflüchteten gebe es in Neulingen nicht, auch wenn die Initiatoren des Bürgerentscheids dies wiederholt suggeriert hätten, dementiert Schmidt. „Alternativen haben wir nicht“, so der Bürgermeister.

Fehlbelegungsabgabe könnte fällig werden

Aber: Nimmt Neulingen nicht die vorgeschriebene Anzahl an Geflüchteten auf, ist eine Fehlbelegungsabgabe fällig. „Das sind 1.000 Euro pro Monat für jede abgelehnte Person“, verdeutlicht Schmidt. Ein erheblicher finanzieller Schaden für die Gemeinde. „Nun muss man wohl verstärkt mit der Anmietung von Objekten ins Spiel gehen“, so der Bürgermeister, „und Angebote annehmen, die vorher undenkbar gewesen wären.“ Dabei spielt er etwa auf die Anmietung von Wohnraum in Neubaugebieten an.

"Wird immer knapper"

Derzeit leben in Neulingen 83 Personen in einer Anschlussunterbringung und 20 Personen in einer vorläufigen Unterbringung. Mit dem jetzigen Entscheid spitze sich die Lage weiter zu: „Bis Jahresende wird es noch knapp machbar“, so Schmidt in Bezug auf die Unterbringung von weiteren Geflüchteten, „dann wird es aber immer knapper.“

"Jetzt muss man vorwärts schauen"

In dem Holzhaus im Nordweg 6/1 leben aktuell zwei Personen. Auch für diese sei der Entscheid suboptimal, meint Schmidt. „Man hätte auch für die dortigen Einwohner besseres erreichen können“, sagt er mit Blick auf den abgelehnten Neubau. Den Kopf in den Sand stecken werde er aber nicht: „Jetzt muss man vorwärts schauen“, sagt er. Für ihn ein schwacher Trost: „Wir sind nicht alleine – es geht auch anderen Gemeinden so.“

Autor:

Kathrin Kuna aus Bretten

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