Vorstellung der Kandidierenden für die Bürgermeisterwahl in Kraichtal
Fünf- statt Siebenkampf um Chefsessel im Rathaus
Kraichtal (hk) Die Bürgermeisterwahl in Kraichtal am Sonntag, 14. März, geht in die heiße Phase. In einer ungewohnt leeren Mensa der Markgrafen Gemeinschaftsschule in Kraichtal-Münzesheim haben sich am gestrigen Freitagabend fünf von sieben Kandidaten den Wahlberechtigten in Kraichtal online live vorgestellt. Neben Tobias Borho, Lucien Kacsányi, Jonas Lindner, Susanne Lindacker und Michael Fischer, die an der Online-Vorstellung teilgenommen haben, bewerben sich auch Thomas Kurz und Samuel Speitelsbach um das Amt des Bürgermeisters. Wie der amtierende Bürgermeister Ulrich Hintermayer und Moderator des Abends zu Beginn informierte, habe Thomas Kurz seine Teilnahme abgesagt, während es seitens Speitelsbach keine Rückmeldung gegeben hätte, ob er teilnehmen werde oder nicht. Weiter gab Hintermayer Auskunft darüber, dass für die Online-Vorstellung mit dem Gesundheitsamt ein Gesundheitskonzept abgestimmt worden sei. Das aufgezeichnete Video wurde anschließend auf der Webpräsenz der Stadt Kraichtal veröffentlicht. Die Vorstellungsrunde fand in der Reihenfolge statt, in der zuvor die Bewerbungen abgegeben worden waren.
Monatliche Sprechstunden in allen Stadtteilen
So durfte der 27-jährige Tobias Borho, der als stellvertretender Geschäftsführer beim Job-Center für den Kreis Karlsruhe tätig ist, mit seiner Vorstellung vor etwa 500 Zuschauern beginnen. Bürgerbeteiligung sei eines seiner obersten Gebote. Daher wolle er monatliche Sprechstunden in allen Stadtteilen einrichten. Zudem wolle er einen Jugendgemeinderat sowie einen Seniorenbeirat ins Leben rufen. Hinsichtlich der leerstehenden Immobilien in den Stadtteilen, zumeist in schlechtem Zustand, müssten gezielt Fördermöglichkeiten für Sanierungsarbeiten gesucht werden. „Wir müssen mit der Zeit gehen und für schnelles und stabiles Internet sorgen – zur langfristigen Sicherung der Gewerbegebiete“, so Borho. Die Nahversorgung wolle er über die Förderung von Hofläden und Lebensmittel-Automaten gewährleisten.
Für den 41-jährigen Lucien Kacsányi, Betriebswirt aus Menzingen, sei es wichtig, Bauprogramme zu fördern und den Defizit im Bereich Kinderbetreuung „wett“ zu machen. Es brauche eine Infrastruktur, gerade für junge Familien, die zeitgemäß ist, die aber derzeit „leider nicht existiert“. Der Breitbandausbau sei ein essenzielles Thema: „Wir müssen im hier und heute ankommen“, so Kacsányi. Zur Entlastung des Verkehrs wolle er sich für ein Lkw-Durchfahrtsverbot und Geschwindigkeitsbegrenzungen in und zwischen den Ortsteilen einsetzen.
Ärztehaus in Aussicht gestellt
Der 30-jährige Polizist Jonas Linder lobte, dass das große Bewerberfeld beweise, dass Kraichtal eine attraktive Stadt sei. Für ihn seien die Einrichtung eines Jugendforums und eines Seniorenbeirats eine „Selbstverständlichkeit“. Die Arbeitsabläufe im Rathaus müssten so optimiert werden, wie in einem modernen Unternehmen. Die vielfältige Vereinslandschaft sei ein Ausdruck der Tatkraft der Kraichtaler*innen. Die wolle er, im Falle seiner Wahl, aktiv unterstützen, auch in finanzieller Hinsicht. „Daseinsvorsorge und Nahversorgung sind für mich ein Standortfaktor, die gesichert werden müssen“, betonte Linder. Die ärztliche Versorgung wolle er durch ein Ärztehaus in Kraichtal sicherstellen. Wohnraum wolle er durch die Gründung einer Wohnungsbaugesellschaft aktiv fördern. Spielplätze sollen seiner Ansicht nach fit und sicher sein. Ihm schwebe zudem ein Skatepark für Jugendliche vor. Er plädiere für eine langfristige Gewerbestrategie und damit einhergehend ein Gründerzentrum in Kraichtal. „Der Durchgangsverkehr ist eine unerträgliche Belastung“, sagte Linder und weiter: „Ich werde mich bei Entscheidungsträgern dafür einsetzen, dass wir mittelfristig entlastet werden.“ Der Lkw-Verkehr gehöre nicht in die Ortsteile.
Potenzial in Radinfrastruktur
Im Falle ihrer Wahl, wäre Susanne Lindacker die erste Bürgermeisterin der Stadt Kraichtal. Sie wolle es zur Chefsache machen, die Attraktivität zur Ansiedelung von Unternehmen zu steigern. Die Schaffung neuer und hochwertiger Arbeitsplätze müsse forciert werden. Außerdem wolle sie sich für die interkommunale Zusammenarbeit mit Nachbargemeinden, faire Mieten und ein Flächenmanagement einsetzen. Die Wiederbelebung der innerörtlichen Ortskerne liege ihr am Herzen, ebenso wie die Wiederbelebung von regional erzeugten Lebensmitteln. Beim Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs gelte es, über die Grenzen hinaus zu denken. Beim Ausbau der Radinfrastruktur sehe Lindacker ein großes Potenzial, das ausgeschöpft werden müsse.
Der 53-jährige Stadtrat aus Schwaigern, Michael Fischer will, basierend auf den Erfahrungen aus seiner Tätigkeit im Schwaigerner Gemeinderat, eine doppelte Hausführung in der Kraichtaler Haushaltsführung etablieren. Man müssen den Mut haben, bei der Ausweisung von Bauland, auch längere Verfahren anzugehen. „Leider werden wir nicht alle Baugebiete für Einfamilienhäuser abgeben können“, räumte Fischer ein. Er strebe zudem eine gute Zusammenarbeit mit dem Kraichtaler Gemeinderat an, denn als Bürgermeister habe er keine Chance, wenn ein Gremium gegen den Bürgermeister arbeite. Zudem brachte Fischer die Idee ein, in Kraichtal einen „Vielfachladen“ ins Leben zu rufen, in dem regionale Erzeugnisse von verschiedenen Kraichtaler Höfen zum Verkauf angeboten werden könnten. Neue Gewerbegebiete müssten im Einklang mit der Natur sein und daher von vornherein zum Beispiel begrünte Dächer haben.
Energetisch autarke Wohngebiete
Bei der anschließenden Fragerunde wurde die Reihenfolge, in der die Kandidierenden zu Wort kommen, in jeder Runde neu ausgelost. Hintermayer wies darauf hin, dass Randthemen aufgrund der Zeit außen vor gelassen werden mussten. Zum Thema Bauen und Wohnen stellte Lindner die Gründung einer Wohnungsbaugesellschaft in den Raum, wodurch man die Möglichkeit hätte innerörtliche, leerstehende Immobilien aufzukaufen. „Vielleicht schaffen wir es als Stadt, die 150 Baulücken in Kraichtal zu erwerben“, sagte er. Lindacker betonte, dass man mit den Eigentümern ins Gespräch kommen müsse. „Man muss sehr vorsichtig taktieren, denn das ist ein sehr schwieriges Terrain“, sagte die 57-Jährige, die im Landratsamt im Enzkreis tätig ist. Diskutiert wurde anschließend über die Frage, ob der oder die neue Bürgermeister*in sich vorstellen könne, in ein Klimabündnis einzutreten. Borho erinnerte zunächst daran, dass Kraichtal die größte Flächengemeinde im Landkreis Karlsruhe ist. Den Beitritt zu einem Klimabündnis müsse man überprüfen. Als ersten Schritt auf städtischer Ebene schlug er vor, ein Konzept für alle städtischen Immobilien hinsichtlich deren CO2-Neutralität zu erarbeiten. Lindner versprach, erneuerbare Energien ausbauen zu wollen. Wohnbaugebiete, die neu erschlossen werden, sollten seiner Meinung nach energetisch autark sein. Auch Lindacker wolle sich dafür einsetzen, dass „Kraichtal dem Klimaschutz Rechnung trägt.“
Gründerzentrum und Breitbandausbau
Wie könnte eine Unterstützung für Start-ups aussehen, so lautete die nächste Frage, die Bürgermeister Hintermayer vorlas. Lindacker schlug vor, vorhandenen Leerstand wiederzubeleben. Kacsányi stimmte dem zu mit der Ergänzung, dass das bedingen würde, den Breitbandausbau voranzutreiben. Das habe er aus Gesprächen mit Bürger*innen aus den vergangenen Wochen erfahren. Fischer sehe ein Gründerzentrum als Unterstützungmöglichkeit, in dem auch Begegnungen zwischen Start-ups und erfahrenen Unternehmen aus der Region möglich wären. Borho sprach sich ebenso für die Unterbringung in leerstehenden Immbolien aus. Lindner sagte, man müsse sich "Fördergelder unter den Nagel reißen". Er wolle zudem eine Gewerbestrategie zusammen mit einem Kompetenzteam auf die Beine stellen und ein Gründerzentrum sowie "Handwerkerhöfe" etablieren.
Bürger sollen über Windkraftanlage entscheiden
Wie zu erwarten, kam im Laufe des Abends auch das Thema erneuerbare Energien und Windkraft auf. Auf dem „Landskopf“, der Anhöhe zwischen den Kraichtaler Stadtteilen Menzingen, Gochsheim, Bahnbrücken und Münzesheim, sollen, wenn es nach dem Investor, die Prokon Regenerative Energien eG, ginge, vier Windkraftanlagen entstehen. Lindner betonte, dass seiner Meinung nach Windkraft die "allerletzte Option" sein müssen, wenn keine Alternativen zu finden seien. Fischer sagte, einer Windkraftanlage wie sie aktuell geplant ist, könne er "definitiv nicht" zustimmen. Kacsányi sagte, man müsse, vor dem Hintergrund des Urteils des Mannheimer Verwaltungsgerichts, die nächsten Planungen abwarten. Als Bürgermeister wolle er mittels einer Bürgerbeteiligung entscheiden, ob "wir dafür oder dagegen sind. Und das ist dann auch das, was Bürgermeister Kacsányi umsetzen wird", sagte der 41-Jährige Kandidat aus Menzingen. Borho ergänzte: "Wir müssen abwarten, was der Regionalverband vorbringt." Auch er wolle in einen Bürgerdialog treten un gemeinsam "zum besten Ergebnis kommen". Lindacker sprach sich für eine Windkraftanlage aus. Sie erklärte, wenn die Planung zulässig werde. könne sich sich durchaus Windräder in Kraichtal vorstellen. "Damit können wir 50 Prozent unseres Energiebedarfs decken", so Lindacker.
Autor:Havva Keskin aus Bretten |
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