Lärmschutz versus fließender Verkehr
Gemeinderat spricht sich für Tempo 30 im Innenstadtbereich aus

Trotz viel Verkehrs ist an der zentralen Kreuzung in Knittlingen Tempo 50 erlaubt. Der Gemeinderat wünscht dort Tempo 30, doch die Entscheidung liegt beim Landratsamt.  | Foto: hk
  • Trotz viel Verkehrs ist an der zentralen Kreuzung in Knittlingen Tempo 50 erlaubt. Der Gemeinderat wünscht dort Tempo 30, doch die Entscheidung liegt beim Landratsamt.
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Knittlingen (ger) Mit Tempo 30 durch den Ort? Was der Autofahrer, der schnell von A nach B kommen möchte, eher als störend empfindet, wünschen sich Anwohnerinnen und Anwohner in vielen Orten. So auch in Knittlingen. Laut Bürgermeister Alexander Kozel, der seit Januar im Amt ist, war das auch immer wieder ein Thema während seines Wahlkampfs. In seiner Sitzung im März sprach sich der Gemeinderat erneut für die Durchsetzung von Tempo 30 im unmittelbaren Innenbereich der Durchgangsstraßen im Rahmen eines Lärmaktionsplans aus. Frank Rogner vom Ingenieurbüro für Verkehrswesen Koehler und Leutwein informierte über die möglichen Verkehrsabschnitte und weitere Maßnahmen, die zu einer Lärmreduktion führen könnten.

Kleine Kreisverkehre an zentralen Kreuzungen vorgesehen

Der Vorschlag des Büros sieht Tempo 30 vor auf der Brettener Straße zwischen Wiesenstraße und Bahnhofstraße, auf der Stuttgarter Straße bis zur Schillerstraße, auf der Freudensteiner Straße bis zur Hohenklingenstraße, auf der Wetterkreuzstraße bis zur Uhlandstraße sowie auf der Friedrichstraße bis zur Esselbachstraße. Die Brettener Straße könnte zwischen den zentralen Kreuzungen mit der Wetterkreuzstraße und der Freudensteiner Straße, die zu kleinen Kreisverkehren umgestaltet werden sollen, zusätzlich verschmälert und die Wetterkreuzstraße mit einem lärmoptimierten Fahrbahnbelag ausgestattet werden. Auch die Ortsteile sind in den Planungen berücksichtigt: In Freudenstein würde die Tempo-30-Zone an der Knittlinger Straße zwischen Schulstraße und Maulbronner Straße beginnen und über die Diefenbacher Straße bis zum Ortsschild weitergeführt werden. In Kleinvillars begänne sie auf der Hauptstraße ab der Kreuzung mit dem Sommerhaldenweg und würde weiter über die Ölbronner Straße bis zum Ortsschild reichen.

Komplexes Thema, das Menschen aus unterschiedlichen Perspektiven bewegt

In den Redebeiträgen der Gemeinderäte und des Fachplaners kam zum Ausdruck, dass die Verkehrsbehörde des Landratsamts Enzkreis nicht so leicht für Tempo 30 zu gewinnen sei. „Die Behörde kann nur im Rahmen der Gesetze agieren“, kontert der Leiter des Straßenverkehrs- und Ordnungsamts im Enzkreis Oliver Müller auf Nachfrage der Brettener Woche/kraichgau.news den Vorwurf. Er räumt aber gleichzeitig ein, dass es einen gewissen Spielraum gebe. „Da würde ich mir wünschen, dass die Politik es eindeutiger festlegt, damit es überall einheitlich umgesetzt wird, wie beispielsweise in Spanien.“ Tempo 30 sei ein komplexes Thema, das die Menschen aus unterschiedlichen Perspektiven bewege und entsprechend polarisiere: Anwohner-Interessen im Hinblick auf Lärmschutz prallten auf die Interessen des fließenden Verkehrs. Bei überregionalen Umfragen, wie sie beispielsweise schon der ADAC durchgeführt hat, spreche sich immer eine Mehrheit gegen Tempo 30 aus, so Müller.

Geschwindigkeitsbeschränkung für Lärmschutz 

In der Straßenverkehrsordnung sei festgelegt, wann die Behörde Geschwindigkeitsbeschränkungen anordnen dürfe. Das sei einerseits bei Ausnahmesituationen der Fall, wenn zum Beispiel ein Unfallschwerpunkt vorliege. „Dabei muss es nicht zwingend sein, dass dort schon Unfälle passiert sind, sondern es kann auch an unübersichtlichen Stellen wie an einer Kurve oder Kuppe angeordnet werden, um die Verkehrssicherheit zu gewährleisten“, erläutert Müller. Andererseits – und hier kommt der Lärmaktionsplan ins Spiel – seien Geschwindigkeitsbeschränkungen zum Lärmschutz angezeigt. Dabei müsse, so Müller, das Gefahrenpotential durch Lärm größer sein als an vergleichbaren Orten. Denn generell gehörten „die Auswirkungen von Verkehr bei uns dazu und müssen in Kauf genommen werden.“

Lärmteppich, nicht einzelne Geräusche sind ausschlaggebend

Zuständig für die Lärmermittlung sei die Gemeinde, die dafür in der Regel ein Büro beauftrage. Es werde gemessen, welcher Lärm an welchem Gebäude entsteht, und geschaut, wie viele Menschen betroffen sind: Seien viele Menschen über eine längere Strecke von Lärm betroffen, wiege deren Interesse höher als das des fließenden Verkehrs. Der Grenzwert liege bei 70 dB(A), wobei es sich um einen Durchschnittswert, sozusagen einen Lärmteppich handle. „Da ist nicht das einzelne Motorrad entscheidend, das morgens um halb sechs durch den Ort knattert und alle wachmacht“, verdeutlicht Müller. Das Landratsamt prüfe anschließend die Vorlage der Stadt.

30 Ortsdurchfahrten mit Tempo 30 im Enzkreis

Dabei spielten auch die Gegebenheiten vor Ort eine Rolle. In Knittlingen, wo die B35 tangential wie eine Ortsumfahrung vorbeilaufe, sei die Situation eine andere als zum Beispiel in Bauschlott, durch das täglich 15.000 Fahrzeuge fahren. Mittlerweile gebe es bei den 26 Gemeinden, für die die Behörde zuständig sei, schon über 30 Ortsdurchfahrten mit Tempo 30. Müller bitte um Verständnis, dass sich die Behörde die Entscheidung nicht einfach mache: „Wo wir Tempo 30 verhängen, müssen wir auch die Einhaltung überwachen, was uns immer wieder den Vorwurf der Abzocke einbringt.“ Wie es in Knittlingen ausgehe, sei völlig offen.

Autor:

Katrin Gerweck aus Bretten

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