Keine dritte Amtszeit für Kraichtaler Bürgermeister Ulrich Hintermayer
„Konstruktives Miteinander vermisst“
Bretten (hk) Nach 16 Jahren will sich Ulrich Hintermayer, Bürgermeister von Kraichtal, von der politischen Bühne verabschieden und sich nicht mehr als Bürgermeister-Kandidat aufstellen lassen. Die Wahl in der Stadt mit neun Stadtteilen und 15.000 Einwohnern findet am 14. März 2021 statt. Im Interview mit der Brettener Woche/kraichgau.news spricht das noch amtierende 54-jährige Stadtoberhaupt über die Gründe für seinen Rückzug, über gewonnene Erfahrungen und über seine Parteikollegen aus der Kraichtaler CDU-Fraktion – die ihm Anfang des Jahres ihre Unterstützung für eine mögliche Kandidatur entzogen hatten.
Herr Hintermayer, warum haben Sie sich dazu entschieden, nicht erneut für das Bürgermeisteramt zu kandidieren?
Es war ein Entscheidungsprozess. Was ich aber betonen möchte ist, dass die CDU-Schmutzkampagne gegen mich zu Beginn dieses Jahres nicht der ausschlaggebende Punkt für meinen Verzicht auf das Bürgermeisteramt war, sondern ausschließlich persönliche Gründe. Ich habe mich mit meiner Familie beraten und das nicht nur einmal. So bin ich mit meiner Frau und meinen beiden Kindern übereingekommen, dass wir uns neue Lebensschwerpunkte setzen.
Was hat sich in den letzten Jahren verändert?
Berufliches und Privates haben sich immer mehr miteinander vermischt, was natürlich nicht vermeidbar ist, wenn man im Fokus der Öffentlichkeit steht. Auch das politische Klima ist im Laufe der Jahre ein anderes geworden, das insbesondere im Verhältnis zwischen Gemeinderat und Verwaltung zum Ausdruck kommt. Da habe ich immer mehr das konstruktive Miteinander vermisst und ich sehe im Hinblick auf die bevorstehenden Herausforderungen die Entwicklung der Stadt mit Sorgen. Der Gemeinderat hält oftmals zu sehr an bestimmten Dingen fest, trotz mehrmaliger Warnungen der Verwaltung. Und das Stadtteildenken dringt immer mehr durch. Kriegt der eine das, wollen die anderen es genauso. Daran leidet der Zusammenhalt und das merkt man, wenn es unendliche Diskussionen gibt. Man muss aber auch bedenken, dass ich, bedingt durch die unechte Teilortswahl, seit Bestehen der Stadt, mit 30 Stadträten in vier Fraktionen den größten Gemeinderat habe.
Was haben Sie daraus gelernt?
Als Bürgermeister ist man nicht nur Chef der Verwaltung und Stadtoberhaupt. Ich wage sogar zu behaupten, was mein Verhalten betrifft, dass ich auch Impulsgeber, Moderator und Mediator bin.
Welche Entscheidungen waren für Kraichtal in den letzten rund 16 Jahren am wichtigsten?
Das größte, mit rund 15 Millionen Euro – davon fünf Millionen Euro öffentlich gefördert – auch finanziell wichtigste Thema für die Stadt war die Gemeinschaftsschule Kraichtal im Stadtteil Münzesheim. Damals schon hatte ich die CDU-Fraktion gegen mich und das bis zum heutigen Tag. Ich bin zwar schon seit Jahrzehnten CDU-Mitglied, aber ein Bürgermeister für alle.
Die CDU ist im Kraichtaler Gemeinderat die größte Fraktion, aber die Gemeinschaftsschule wurde trotzdem gebaut.
Die Gemeinschaftsschule kam nur dadurch zustande, dass mehrheitlich dafür gestimmt wurde, also indem die anderen drei Fraktionen im Gemeinderat und ich für dieses Projekt gestimmt haben. Die CDU-Fraktion hat sich im Abstimmungsbeschluss entweder enthalten oder dagegen gestimmt. Und das Projekt wird mir bis heute angekreidet. Inzwischen ist die Gemeinschaftsschule aber in Kraichtal angekommen.
Wie wichtig ist die Gemeinschaftsschule für Kraichtal?
Man muss wissen, die Stadt Kraichtal hat, auch schon vor meiner Zeit, unter den beiden jeweiligen Landesregierungen die Realschule abgelehnt bekommen. Mit der Gemeinschaftsschule gibt es nun den vollwertigen Realschulabschluss in Kraichtal. Wenn wir die Gemeinschaftsschule nicht hätten, müssten alle ab Klasse fünf aus allen Stadtteilen auf auswärtige Schulen gehen.
Was denken Sie, warum sich die CDU-Fraktion so vehement dagegen gewehrt hat?
Ich glaube, die CDU in Kraichtal orientiert sich diesbezüglich an der Politik der Landes- und Bundes-CDU.
Welche weitere Themen waren in Kraichtal wichtig?
2007 haben wir mit dem damaligen baden-württembergischen Verkehrsminister Heribert Rech in der Münzesheimer Ortsmitte den Verkehrskreisel eingeweiht. 2018 haben wir in Menzingen die Ortsentlastungsstraße gebaut. Hintergrund war, dass der örtliche Schwerlastverkehr, der insbesondere in das Gewerbegebiet im Bereich der Mehrzweckhalle fährt, den Verkehr dort belastet hat. Da wird sich mancher fragen, was mit Unteröwisheim ist – aber das sind zwei Paar Schuhe. In Unteröwisheim ist die Ortsdurchfahrt eine Landesstraße und in Menzingen handelt es sich um eine Ortsstraße, für die wir als Kommune zuständig sind. Vor zwei Jahren mussten wir die Landhausener Grundschule schließen, weil die Lehrerversorgung nicht mehr gewährleistet war. Die Kinder werden seither nach Menzingen in die dortige Grundschule mit dem Bus gebracht – und das funktioniert. Bis 2013 gab es in jedem Stadtteil ein Bürgerbüro im Rathaus. Durch Stichproben zur Nutzung der Bürgerbüros haben wir dann festgestellt, dass bereits zum damaligen Zeitpunkt viele vor Ort angebotenen Dienstleistungen von der Bevölkerung nicht mehr genutzt wurden und gleich das Bürgerbüro in Münzesheim aufgesucht wurde. In der Folge haben wir dort das Angebot erweitert, zum Beispiel mit längeren Öffnungszeiten und Ausweitung unseres Internetangebots und alle anderen Bürgerbüros aufgelöst. Besonders schöne Erinnerungen verbinde ich darüber hinaus mit zahlreichen Vereinsfesten und Besuche bei Jubilaren. Das hat meinen Job so interessant gemacht. Man wusste nie, was einem den Tag über erwartet, abgesehen von den geplanten Terminen. Und es gibt mit Sicherheit nicht viele Berufe, bei denen man so viele Gestaltungsmöglichkeiten wie als Bürgermeister hat.
Wie würde Ihr Fazit zu zwei Amtszeiten lauten?
Ich bin zufrieden. Ich denke, meine Bilanz kann sich sehen lassen.
Welche Themen werden auf Ihre/n Nachfolger/in zukommen?
Man muss sich mit Sicherheit über die Entwicklung der Schullandschaft Gedanken machen. Nächstes Jahr stehen zudem einige Jubiläen an: 50 Jahre Stadt Kraichtal, 1.250 Jahre Unteröwisheim, 1.250 Jahre Oberöwisheim sowie 1.250 plus ein Jahr Menzingen. Dieses Jubiläum hätte dieses Jahr stattfinden sollen, aber coronabedingt musste es ausfallen und wird 2021 nachgeholt.
Und was würden Sie der- oder demjenigen mit auf den Weg geben wollen?
Egal, ob Nachfolgerin oder Nachfolger, die Person muss sich in der größten Flächenkommune des Landkreises Karlsruhe ganz schön ins Zeug legen, denn es wird zunehmend schwerer werden, dieses besondere Stadtkonstrukt zu führen. Das Stadtteil-Denken ist ein Generationenprozess und hat in den letzten Jahren wieder zugenommen, auch im Gemeinderat. Auch bedingt durch die große Infrastruktur wird es der Nachfolger nicht einfach haben. Aber das ist auch das Besondere: Wir haben neun Stadtteile und somit neun verschiedene Mentalitäten.
Die Fragen stellte Redakteurin Havva Keskin.
Autor:Havva Keskin aus Bretten |
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