Verkehrsclub Deutschland BW reagiert mit Enttäuschung
Maulbronner Gemeinderat lehnt Bahnlinien-Machbarkeits-Studie ab

Noch fährt nur der RadExpress "Kloster Maulbronn" Sonn- und Feiertags nach Maulbronn Stadt/Kloster . | Foto: VCD\Michael Frank
  • Noch fährt nur der RadExpress "Kloster Maulbronn" Sonn- und Feiertags nach Maulbronn Stadt/Kloster .
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Maulbronn (kn) Am 9. Juni hat der Maulbronner Gemeinderat mit knapper Mehrheit die Beauftragung einer Potenzial-/Machbarkeitsstudie für die Maulbronner Bahnstrecke abgelehnt. Dies teilt der Landesverband Baden-Württemberg des Verkehrsclubs Deutschland aktuell mit. Zuvor habe Bürgermeister Andreas Felchle seine Zustimmung zur Beauftragung einer Machbarkeitsstudie ausführlich begründet. "Denn damit sollte nach 25 Jahren Diskussionen über die Bahnlinie nach Maulbronn Klarheit geschaffen werden, ob eine zukünftige Reaktivierung der Bahnlinie für den täglichen Betrieb möglich oder ob das Potenzial doch nicht ausreichend ist", so der VCD-Landesverband. Diese Position sei bei drei von vier Fraktionen allerdings nicht mehrheitsfähig gewesen. "Andererseits gab es anschließend ein Patt beim Beschluss, dass keine Studie beauftragt, aber die Strecke als Eisenbahnanlage erhalten bleiben soll", erklärt der Landesverband. Damit werde sich der Gemeinderat in nächster Zeit nochmals mit dem Thema beschäftigen müssen. Insbesondere stehe noch die Beschlussfassung über die weitere Finanzierung der Stichstrecke nach 2021 aus.

„Anbindung der Klosterstadt an das Eisenbahnnetz nicht gelöst“

Matthias Lieb aus Mühlacker, Landesvorsitzender des ökologischen Verkehrsclubs VCD, zeigte sich enttäuscht über die Ablehnung der Beauftragung der Machbarkeitsstudie durch eine knappe Mehrheit der anwesenden Gemeinderäte. Der VCD-Vorsitzende engagiere sich nach eigenen Angaben seit 25 Jahren für die Reaktivierung der Bahnlinie und hatte 1997 den sonntäglichen Ausflugszug „Klosterstadt-Express“, jetzt „Radexpress Kloster Maulbronn“, organisiert. „Die Entscheidung reiht sich in eine lange Folge halbherziger Entscheidungen des Gemeinderates zum Stichgleis ein. Einerseits hatte 1996 der Gemeinderat mit der Bezuschussung eines Aktionstages von VCD und PRO BAHN die Einführung der Stadtbahn Mühlacker – Bretten überhaupt erst angestoßen. Andererseits gab es 1996 bis 1999 kein Bekenntnis zur Einbeziehung der Stichstrecke in das Stadtbahnsystem. Die Stilllegung der Nebenstrecke wollte man damals aber auch nicht akzeptieren. Während anschließend die anderen Kommunen sich neue Haltepunkte in Ölbronn und Kleinvillars fördern ließen, hat Maulbronn relativ viel Geld für den kaum genutzten Westbahnhof und das AST sowie den sonntäglichen Klosterstadt-Express ausgegeben – die Anbindung der Klosterstadt an das Eisenbahnnetz damit aber nicht gelöst“, stellt Matthias Lieb fest.

Fahrgastpotential für Reaktivierung ermittelt

Der VCD teile deshalb die Sicht des Bürgermeisters, dass nun eine finale Entscheidung notwendig sei – die Potenzialuntersuchung des Landes hätte die Besonderheiten der nur 2,3 Kilometer langen Stummelstrecke nicht ausreichend berücksichtigen können, deshalb wäre dies nun auf Kosten der Stadt nachzuholen. Im Vorfeld der Beratung habe der Diplom-Wirtschaftsmathematiker Lieb auf Basis der Pendlerzahlen von und nach Maulbronn sowie der Mobilität der Bürger ein Fahrgastpotential für eine Reaktivierung ermittelt, das nun durch eine formale Machbarkeitsstudie nach Landeskriterien bestätigt werden müsste. In den letzten Jahren sei Maulbronn immer mehr zur „Schlafstadt“ geworden, denn von zehn Erwachsenen im Alter zwischen 18 und 65 Jahren, die in Maulbronn wohnten, arbeiteten inzwischen sechs außerhalb von Maulbronn und würden zu ihrem Arbeitsplatz pendeln, ergab die VCD-Untersuchung.

Gemeinderäte müssten die Weichen richtig stellen

Doch die Mehrheit der anwesenden Gemeinderäte hätte sich offenbar nicht vorstellen können, dass zukünftig die Bürger weniger mit dem Auto und häufiger mit Bahn und Bus oder dem Rad unterwegs sein werden. „Hier zeigt sich der geringe Stellenwert, den viele Gemeinderäte – nicht nur in Maulbronn – dem öffentlichen Verkehr einräumen. Viele Entscheidungsträger haben häufig seit 20 oder 30 Jahren keinen Bus oder Nahverkehrszug mehr genutzt, können sich dies für sich selbst auch nicht vorstellen und sehen Fahrgäste eher als Menschen zweiter Klasse – nur wer Auto fährt, ist auch wer“, beklagt Lieb. Diese Haltung stehe im Widerspruch zu den gesamten Beschlüssen auf Europäischer, Bundes- und Landesebene, die jeweils zur Erreichung der Klimaziele eine Verdoppelung der Fahrgastzahlen vorsehen. „Doch diese politisch gewollte Verdoppelung innerhalb von zehn Jahren kann ohne eine Angebotsverbesserung und gleichzeitig einen Bewusstseinswandel bei den Bürgern nicht gelingen. Dazu muss die Erreichbarkeit per Bahn verbessert werden, die Wege zu Haltestellen müssen verkürzt werden – statt in Maulbronn-West müssen die Züge in Maulbronn in der Stadt halten“, stellt Matthias Lieb fest. Dafür müssten die Gemeinderäte jetzt die Weichen richtig stellen, so der VCD.

Attraktivität der Stadt erheblich heben

Insbesondere die Position der CDU in Maulbronn sei für den VCD unverständlich. „Auf Landesebene setzt sich gerade die CDU für Streckenreaktivierungen nicht nur im Ballungsraum, sondern auch im ländlichen Raum ein“, erklärt Matthias Lieb. „Und im Jahr 1998 hatte die CDU in Maulbronn zusammen mit der LMU die Stilllegung der Strecke verhindert, um zu einem späteren Zeitpunkt eine Reaktivierung der Bahn zu ermöglichen“. Dieser Zeitpunkt sei aus VCD-Sicht jetzt da. In Maulbronn werde mit dem Schenk- und dem Schmid&Wezel-Areal die Innenentwicklung gestärkt – mit kurzen Wegen zu einem möglichen Bahnhaltepunkt. Dass man nun gerade jetzt, wenn auf Bundes- und Landesebene die Voraussetzungen für Eisenbahnreaktivierungen so gut seien wie noch nie in den letzten 70 Jahren und erhebliche Fördermittel bereitgestellt würden, noch weiter auf noch bessere Rahmenbedingungen warten wolle, wie ein CDU-Gemeinderat vortrug, sei wenig plausibel, beklagt der VCD. Vielmehr komme im immer stärker werdenden Standortwettbewerb der Kommunen einer Stadtbahnanbindung ein hoher Stellenwert zu, der die Attraktivität einer Stadt erheblich hebe, so der VCD.

Aus Sicht des VCD sollte der Gemeinderat die Zeit bis zur nächsten Abstimmung über das Stichgleis dafür nutzen, sich Gedanken über ein nachhaltiges Mobilitätskonzept für die Klosterstadt zu machen und darüber nachzudenken, wie die Bürger der Stadt in zehn Jahren mobil sein sollen – dazu sollten auch die Bürger gehört werden.

Autor:

Kraichgau News aus Bretten

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