Interview mit dem Walzbachtaler Bürgermeister Timur Özcan zu seinen ersten 100 Tagen im Amt und seinen Zielen im Jahr 2020
"Ohne Spaß geht das nicht"

Bürgermeister Timur Özcan (rechts) im Gespräch mit den BreWo-Redakteuren Christian Schweizer (links hinten) und Chris Heinemann. am
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  • Bürgermeister Timur Özcan (rechts) im Gespräch mit den BreWo-Redakteuren Christian Schweizer (links hinten) und Chris Heinemann. am
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Walzbachtal (swiz/ch) Rund 100 Tage ist der Walzbachtaler Bürgermeister Timur Özcan inzwischen in Amt und Würden. Seine Wahl war nicht nur in der Gemeinde eine kleine Sensation, setzte er sich doch auch gegen arrivierte Lokalpolitiker durch. Im Interview mit der Brettener Woche zog Özcan ein Fazit der ersten Periode seiner Amtszeit und erklärte seine Vorhaben für 2020.

Herr Özcan, wie haben Sie denn Ihre ersten Tage im Walzbachtaler Rathaus als Bürgermeister erlebt?

Als sehr aufregend und auch sehr herausfordernd. Vor allem, weil ich natürlich sehr vielfältigen Aufgaben gegenüberstand. Man ist schließlich zusätzlich zum Ansprechpartner für die Bürger auch noch Chef der Verwaltung und Vorsitzender des Gemeinderats. Das heißt, man steht auch in der Verantwortung zum Beispiel gute Vorlagen für die Ratssitzungen zu verfassen und das ist gerade am Anfang sehr zeitraubend, wenn man noch nicht so viel Routine hat. Aber ich habe Spaß an der Arbeit und das ist sehr wichtig. Genauso wichtig ist es aber auch, dass ich mir auch die Zeit für Privates nehme. Denn nur durch diesen Ausgleich bekommt man die Power und Balance, die man in diesem Beruf als Bürgermeister auch braucht.

Was haben Sie als Erstes geändert, als Sie in Amt und Würden waren?
Ich habe einiges an den Organisationsabläufen der Verwaltung verändert. Zum einen habe ich die Öffentlichkeitsarbeit mehr nach vorne gebracht und priorisiert, weil das für mich sehr wichtig ist. Diese und andere Veränderungen greifen jetzt langsam. Zum anderen bin ich ein Bürgermeister, der sehr viel über Facebook und Instagram kommuniziert. Das habe ich damals im Wahlkampf gemacht und auch auf den Wunsch vieler Bürger hin, mache ich das auch weiterhin sehr intensiv. Diese Online-Präsenz ist sicher eine große Veränderung zu früher.

Was haben Sie hingegen beibehalten?
Das ist natürlich einiges, weil man ja auch noch durch frühere Entscheidungen an gewisse Prozesse und Projekte gebunden ist. Ich möchte aber auch die grundsätzliche Verfahrensweise in der Gemeinde noch eine Weile mitmachen, um genau zu sehen, was hat sich bewährt und was sollte man ändern. 2020 will ich dann aber in dieser Hinsicht schon anfangen, starke eigene Akzente zu setzen.

Wie fühlen Sie sich von den Menschen in Walzbachtal denn aufgenommen?

Sehr herzlich und sehr offen. Jedes Mal, wenn ich draußen unterwegs bin, sprechen mich die Leute an und erkundigen sich, wie es mir geht und wie ich mich eingelebt habe, und immer ergibt sich dann auch ein kleines Gespräch. Das ist nicht nur ein kurzes und gezwungenes Hallo oder ein, 'Was macht eigentlich mein Antrag?', sondern echtes Interesse. Das empfinde ich als sehr positives Signal.

Was schätzen Sie denn besonders an Ihrer Gemeinde Walzbachtal?
Neben der Herzlichkeit der Menschen, vor allem natürlich die Lage der Gemeinde. Wir sind zwar eine ländliche Kommune, haben aber dennoch eine sehr zentrale Lage. Wir haben im Wesentlichen eine gute ÖPNV-Anbindung und auch die Autobahn ist schnell erreicht. Das heißt, man hat die Ruhe und ist gleichzeitig schnell in den Zentren der Region. Darüber hinaus haben wir eine wunderschöne Natur und eine gute Infrastruktur.

Mit welchen kommunalpolitischen Themen haben Sie sich in den ersten Tagen hauptsächlich beschäftigt?
Da sind natürlich die zwei großen Projekte 'Neues Seniorenzentrum in Jöhlingen' und 'Ansiedlung eines Discounters in Wössingen'. Da wurde man als neuer Bürgermeister natürlich gleich ins kalte Wasser geworfen. Das sind zwar nur zwei von vielen anderen Themen, aber diese werden uns auch im kommenden Jahr intensiv beschäftigen.

Konkret gefragt, wie ist der Stand beim Seniorenzentrum in Jöhlingen?
Wir befinden uns jetzt im Normenkontrollverfahren, dessen Ausgang noch offen ist. Der Bebauungsplan ist momentan außer Kraft gesetzt, wir haben inzwischen aber durch Gutachten zur angeblichen Beeinträchtigung der Frischluftschneise in die Jöhlinger Ortsmitte und zur Verkehrsbelastung auf die Kritik der Bürgerinitiative gegen den Bau des Seniorenheims reagiert. Und damit auch deren Argumente widerlegt, denn die Gutachten waren alle in ihrem Fazit positiv für den Bau. Ich selbst bin auch für den Bau des Seniorenheims, denn der Bedarf ist in erheblichem Maße da. Dies hat auch der Seniorenbeirat immer wieder bestätigt. Und es ist schade, wenn ältere Menschen, die ihren Lebensabend in ihrer Gemeinde verbringen wollen, dies nicht tun können, weil es keinen Platz gibt. Zudem haben wir Standortanalysen gemacht und es gibt keinen anderen Platz für ein neues Seniorenheim in Walzbachtal. Unser Ziel ist es, dass wir 2020 mit dem Bau beginnen können.

Das nächste große Thema ist die Ansiedlung eines Discounters. Auch da gab es Widerstand. Wie sind die Planungen hier gediehen?
Ich hatte damals ein sehr harmonisches Gespräch mit der Bürgerinitiative und habe vor weiteren Entscheidungen auch erstmal das Ergebnis des Bürgerbegehrens zur Ansiedlung eines Discounters abgewartet. Da dieses ergeben hat, dass eine große Mehrheit der Bürger für eine Ansiedlung ist, fühle ich mich in der Meinung bestärkt, diesen Weg fortzusetzen. Wir werden die Planungen also weiter vorantreiben und ich hoffe auf einen Baustart in 2020.

Bei Ihrer Vorstellung als Bürgermeisterkandidat haben Sie als eines Ihrer Ziele die Reaktivierung des Gewerbevereins in Walzbachtal angegeben. Wie ist da der Status Quo?

Ich habe inzwischen Gespräche mit dem Einzelhandel und verschiedenen Gewerben geführt. Einem Gewerbeverein stehen einige dabei positiv gegenüber, andere lehnen ihn ab. Was sich herauskristallisiert hat, ist wohl eine Trennung von Gewerbe und Einzelhandel. Daher strebe ich nun regelmäßige Gespräche mit den Gewerbevertretern wie auch dem Einzelhandel an. Da gibt es oftmals ganz unterschiedliche Interessen und Problemlagen, die man getrennt am besten angeht.

Welche Schwerpunkte wollen Sie noch 2020 setzen?
Wichtig ist mir zum Beispiel die Einführung von Bürgersprechstunden in Wössingen und Jöhlingen. Wir werden zunächst jeweils vier Termine pro Jahr ansetzen und dann je nach Resonanz entscheiden, ob wir das Angebot erweitern. Zudem möchte ich die Ideen der Jugend mehr in meine Arbeit einbinden. Dafür hatten wir jüngst das erste Treffen 'Pizza mit dem Bürgermeister'. Dabei treffe ich mich in lockerer Runde mit Jugendlichen, wir tauschen uns aus und können ganz informell Themen besprechen, die die Heranwachsenden bewegen. Dazu möchte ich wie gesagt meine Transparenz durch die Online-Kommunikation weiter ausbauen. Es ist einfach eine gute Art zu zeigen, was ein Bürgermeister den ganzen Tag so macht.
Darüber hinaus werden wir 2020 das Mobilitäts-Forum in Walzbachtal starten. Wir haben in Zusammenarbeit mit dem KIT in Karlsruhe unsere Mobilitätssituation analysiert. Nun wollen wir die Bürger einbeziehen und in Arbeitsgruppen Ideen und Lösungen finden, wie wir die Mobilität in Walzbachtal verbessern können. Wir sind da auch auf kreative Ideen der Bürger angewiesen, denn aufgrund der finanziell angespannten Lage der Gemeinde sind große Projekte nicht umsetzbar. Zu guter Letzt möchte ich den Rathausplatz durch mehr Feste und Aktionen beleben.

Haben Sie eigentlich schon eine Wohnung in Walzbachtal gefunden?

Momentan wohne ich in Weingarten, denn auch in Walzbachtal ist der Wohnungsmarkt sehr angespannt, das gilt auch für Bürgermeister. Aber ich finde, ich muss nicht unbedingt im Ort wohnen, sondern vor allem im Ort sein. Und das bin ich. Ich versuche momentan wirklich auf sehr vielen Terminen präsent zu sein und das gelingt auch ganz gut. Außerdem plane ich in 2020 so etwas wie ein Projekt 'Rent a Bürgermeister'. Dabei will ich versuchen, für einen Tag, in immer andere Rollen zu schlüpfen. Das kann ein Tag im Einzelhandel, in der Industrie, Gastronomie, Kitas, auf dem Bauhof oder auch im Bürgerbüro sein. Ich denke, das gibt einem noch einmal ein Gespür für die Anliegen der Menschen.

Abschließend die Frage, was wünschen Sie sich für Walzbachtal in 2020?
Ich wünsche mir vor allem einen starken Zusammenhalt, dass alle an einem Strang ziehen. Dazu zähle ich den Einzelhandel, das Gewerbe, die Bürger und auch den Gemeinderat. Denn nur so funktioniert es. Vieles ist wegen unserer angespannten finanziellen Lage vielleicht nicht möglich, aber dem müssen wir mit kreativen Ideen begegnen und die kommen meist im Dialog.

Die Fragen stellten Christian Schweizer und Chris Heinemann.

Bürgermeister Timur Özcan (rechts) im Gespräch mit den BreWo-Redakteuren Christian Schweizer (links hinten) und Chris Heinemann. am
Timur Özcan stellte sich den Interviewfragen der Brettener Woche. | Foto: swiz
Autor:

Christian Schweizer aus Bretten

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