Trägerverein Schneckenhaus übernimmt Rudolf-Steiner-Kindergarten Oberderdingen
"Behutsame Umgestaltung" versprochen
Oberderdingen (ger) Der Rudolf-Steiner-Kindergarten in Oberderdingen wechselt den Träger. Der Gemeinderat hat laut einer Mitteilung in seiner Sitzung am 20. April einstimmig beschlossen, dass der Trägerverein Schneckenhaus ab 1. August den Kindergarten übernehmen wird. Der Rat kam damit der Bitte des „Vereins für die Pädagogik Rudolf Steiners“ nach, den Vertrag über den Betrieb und die Förderung des Kindergartens vorzeitig zum 31. Juli aufzulösen. Im Anschluss hatte sich der Trägerverein nach Gesprächen mit der Gemeinde bereit erklärt, den Betrieb des Kindergartens zu übernehmen. Das Gebäude wird dabei von der Gemeinde an Schneckenhaus vermietet.
Das pädagogische Konzept wird sich laut der Mitteilung am Konzept der Schneckenhaus-Kindergärten orientieren. Dies bedeute, dass die Waldorfpädagogik nicht fortgeführt werden könne. Auch die Öffnungszeiten werden sich ändern und statt einer Gruppe mit Kindern ab drei Jahren und einer Gruppe mit Kindern ab zwei Jahren werde es nur noch zwei Gruppen mit Kindern ab drei Jahren geben. Die Träger seien hinsichtlich der Weiterbeschäftigung des Personals im Gespräch.
Eltern melden sich zu Wort
Als die Mitteilung auf kraichgau.news veröffentlicht wurde, meldeten sich einige Eltern zu Wort, die sich besorgt über den Wechsel zeigten. Anna Nieß-Luft, deren Tochter den Rudolf-Steiner-Kindergarten besucht, erläuterte im Gespräch mit der Brettener Woche, sie sei vor allem enttäuscht von der mangelnden Kommunikation des alten und des neuen Trägers und wünsche sich in erster Linie eine gute Lösung für die „stets einsatzbereiten, liebevollen Erzieherinnen, die all das, was heute in der Gesellschaft fehlt, noch wertschätzend vermitteln.“
Eltern sollen Brief der beiden Träger erhalten
Mitte März hätten die Eltern zwar ein Schreiben des Vereins für die Pädagogik Rudolf Steiners erhalten, das der Brettener Woche vorliegt und in dem finanzielle Gründe für den Wechsel geltend gemacht werden, dennoch fühle man sich jetzt etwas überfahren, zumal die Schwierigkeiten wohl schon länger bestanden hätten. „Viele Eltern sind davon emotional getroffen. Gerade in der jetzigen Corona-Zeit, in der sowieso zuletzt an die Kinder gedacht wird.“ Man habe das Gefühl, dass es sich der alte Träger recht einfach gemacht habe und vom neuen Träger habe man noch gar nichts gehört, so Nieß-Luft.
Das werde sich bald ändern, versichern sowohl Claudia Uhr vom Schneckenhaus, als auch Wolfgang Wagner vom Verein für die Pädagogik Rudolf Steiners. „Es gibt bei der Kommunikation ja eine bestimmte Reihenfolge, die eingehalten werden muss“, wirbt Claudia Uhr, zweite Vorsitzende des Trägervereins Schneckenhaus, um Verständnis. Vor der Entscheidung des Gemeinderats habe der neue Träger nicht auf die Eltern zugehen können. Im Mai würden die Eltern aber einen gemeinsamen Brief der beiden Träger bekommen.
Man hat es sich nicht leicht gemacht
Leicht gemacht habe es sich der alte Träger nicht, beteuert Wolfgang Wagner, Lehrer und Mitglied der Schulleitung an der Freien Schule Diefenbach sowie Vorstandsmitglied des Rudolf-Steiner-Trägervereins, gegenüber dieser Zeitung. Dass man den Kindergarten aufgebe, habe neben den finanziellen auch historische Gründe. Der Rudolf-Steiner-Verein habe 1979 den Rudolf-Steiner-Kindergarten Maulbronn und 1984 die Freie Schule Diefenbach gegründet. 1988 kam auf Initiative der Ärztin Dr. Krauss und des damaligen Bürgermeisters Erwin Breitinger der Kindergarten in Oberderdingen dazu, vor dem Hintergrund, eine Kita für die Kinder der E.G.O.- und Blanco-Mitarbeiter zu schaffen.
"Oberderdingen ist geografisch und kulturell weit weg"
Jetzt, über 30 Jahre später, habe sich aber einiges geändert. Die Kindertagesstätte Ideenreich im Blanc- und Fischer-Haus spricht jetzt die Eltern an, die bei den beiden großen Firmen arbeiten. Kindergartenplätze werden von den Kommunen zugewiesen. „Waldorf-Kindergärten haben in der Regel Eltern, die eine Affinität zur Waldorf-Pädagogik haben. Letztendlich kommen die Eltern jetzt aber, weil sie den Kindergarten zugewiesen bekommen haben oder weil ihnen zum Beispiel die Betreuungszeiten entgegenkommen“, so Wagner. Dass sie die Pädagogik dann auch schätzen lernten, wie Anna Nieß-Luft bestätigt, weiß Wagner sehr wohl. „Aber auf unsere Freie Schule kommen dennoch kaum Kinder aus Oberderdingen.“ Oberderdingen sei geografisch und kulturell „weit weg“, die Bindung an das pädagogische Konzept daher nicht so tief.
Klage über zu wenig finanzielle Hilfe
Die finanzielle Misere begründet Wagner damit, dass die Gemeinde unter Bürgermeister Thomas Nowitzki vor einigen Jahren bestimmt habe, dass alle Kindergärten im Ort, unabhängig vom Träger, die gleichen Beiträge erheben sollten. „So waren uns die Hände gebunden.“ Während die Stadt Maulbronn die Defizite, die sich beim Kindergarten nach öffentlichen Mitteln und Beiträgen der Eltern ergeben, immer zu 100 Prozent ausgleichen würde, wären es in Oberderdingen nur 70 Prozent, die von der Gemeinde aufgefangen würden, so dass sich die Verluste in den letzten Jahren immer weiter aufsummiert hätten. Dazu würden die Verwaltungsarbeiten, etwa durch die Datenschutzgrundverordnung sowie zur Zeit durch die Pandemie, immer aufwändiger. „Wir alle vom Verein machen das im Ehrenamt.“ Der Verein sei aber guter Dinge, dass auch der neue Träger sich das Vertrauen der Eltern und Kinder verdienen werde.
"Wir haben Verständnis für die Bedenken der Eltern"
Claudia Uhr vom Schneckenhaus versichert, dass man alles tun werde, um zusammen mit dem alten Träger einen guten Wechsel zu vollziehen. "Wir haben Verständnis für die Bedenken der Eltern." Auf alle Fälle werde es eine Übergangszeit geben sowie einen "Bestandsschutz" im Hinblick auf die Kinder, die schon im Rudolf-Steiner-Kindergarten seien. Es sei allen daran gelegen, zusammen mit den Eltern, den Kindern und dem Personal die Abläufe ganz behutsam umzugestalten. „In normalen Zeiten würden wir eine Info-Veranstaltung in Präsenz machen.“ So könne man aber derzeit nur Einzelsprechstunden anbieten, an denen Eltern alle Fragen stellen und Sorgen äußern könnten. Wenn es die Corona-Verordnung zulässt, wäre es vorstellbar, einen begleiteten Wechsel mit einer Mischung aus dem bestehendem Team, aus Kräften, die schon für das Schneckenhaus arbeiteten, und aus neuen Mitarbeitern zu vollziehen. Mit allen Mitarbeiterinnen, „von der Putzfrau bis zur Leitung“ habe man in diesen Tagen Gespräche über eine Fortsetzung der Zusammenarbeit. „Es ist ja auch in unserem Interesse, dass das Personal, das mit den Kindern vertraut ist, bleibt“, versichert Uhr.
Autor:Katrin Gerweck aus Bretten |
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