Inspirierender Erfahrungs-Austausch
Italienische Bibliothekare auf Studienreise zu Gast im Enzkreis

Gruppenbild mit Monster: Begeistert ließen sich die italienischen Gäste mit dem Grüffelo in der Bibliothek seiner Heimatstadt Weinheim fotografieren.  | Foto: Enzkreis/Jürgen Hörstmann
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Region (enz) „Sehr inspirierend, lustig und warmherzig und vor allem mit viel Netzwerken“ – mit zahlreichen positiven Eindrücken und einem großen Stapel an Ideen haben 16 Bibliotheks-Fachkräfte aus der norditalienischen Region Emilia Romagna die Heimreise angetreten. Auf dem Programm ihres von der EU geförderten Besuchs im Enzkreis standen kleinere und große Bibliotheken in der Region und ein Zusammentreffen mit dem „Grüffelo“ in dessen „Heimatstadt“ Weinheim.

"Büchereien sind im Gemeinwesen verankert"

Erste Station des fünftägigen Programms war die Stadtbibliothek Pforzheim, die von Leiterin Ines Neumann vorgestellt wurde. Neben dem Bücher- und Medienbestand erregten vor allem die Robotik- und Programmierangebote für Kinder und Jugendliche die Aufmerksamkeit der Gäste. „Auf spielerische Weise führen wir die Kids an MINT-Themen heran“, erläuterte Achim Schroth, ehe er zum Ausprobieren einlud. Schroth leitet in der Stadtbibliothek den Bereich „Gamification“ und bietet dort Workshops für Schulen und Kitas an.
Auch die drei Büchereien im Enzkreis, die im Lauf des zweiten Programmtags besucht wurden, legen einen deutlichen Schwerpunkt auf die Förderung von Lese- und Medienkompetenz von Kindern und Jugendlichen. Entsprechend viel Raum nehmen jeweils die Kinderabteilungen ein, egal ob es sich um ein ehemaliges Autohaus (Birkenfeld), einen früheren Drogeriemarkt (Königsbach) oder eine umgewidmete Friedhofskapelle handelt (Öschelbronn). Dass die Kinder im Mittelpunkt stehen, kam sehr gut an, denn „in Italien ist die Kinderbücherei meistens in einem ganz anderen Gebäude untergebracht“, wie ein Teilnehmer berichtete: „Hier in Deutschland sind die Büchereien viel mehr im Gemeinwesen verankert.“

„Wenn das Team gut funktioniert, dann ist vieles möglich“

Für viel Staunen und Bewunderung sorgte in zwei Büchereien zudem das große ehrenamtliche Engagement der deutschen Kolleginnen, das auch die Gemeinde-Oberhäupter Birgit Förster (Niefern-Öschelbronn) und Heiko Genthner (Königsbach-Stein) lobten. Ob Lesenächte, Autorenlesungen oder Theater-Aufführungen – entscheidend seien die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. „Wenn das Team gut funktioniert, dann ist vieles möglich“, sagt Peter Heissenberger, Mitorganisator des Austauschs, der im Regierungspräsidium die Fachstelle für das öffentliche Bibliothekswesen leitet und mit seinen Mitarbeiterinnen die öffentlichen Bibliotheken in Nordbaden berät.
Was tatsächlich möglich ist, erfuhren die Besucherinnen und Besucher in der Stadtbibliothek Weinheim, wo sie nicht nur von Oberbürgermeister Manuel Just, sondern auch vom leibhaftigen „Grüffelo“ begrüßt wurden (die Grüffelo-Bücher werden von Beltz & Gelberg in Weinheim verlegt). Das junge und phantasievolle Büchereiteam stellte unter anderem „Fake Hunter“, ein Planspiel zur Sensibilisierung von Kindern und Jugendlichen gegenüber Falschmeldungen, die digitale Bibliotheks-Rallye „Actionbound“ und vor allem seine „Bibliotheca Somnia“ vor, Weinheims preisgekrönte Zauberer-Schule.

Bedingungen in den beiden Ländern sehr unterschiedlich

Mit Heidelberg und Stuttgart bildeten zwei große Bibliotheken den Abschluss. Unter anderem erfuhren die Teilnehmenden, dass in Stuttgart vor Corona rund sechs Millionen Ausleihen pro Jahr registriert wurden. „Wie schafft ihr es, dass in Deutschland so viele Menschen die Büchereien nutzen?“ Allerdings wurde in den zahlreichen Gesprächen in den Pausen, im Zug oder beim Essen auch deutlich, dass die Bedingungen in den beiden Ländern sehr unterschiedlich sind. So staunten die Südeuropäer über die winzigen Lagerräume: In Italien befindet sich der Großteil des Bestands im Magazin und wird nur auf Anforderung herausgegeben. Hinzu kommt dort zudem die Aufgabe, auch antiquarische Bücher und Archivmaterial zu erschließen und zu konservieren.
Umgekehrt gehören in zahlreichen deutschen Bibliotheken nicht nur Medien zum Ausleih-Angebot: Brett- und Computer-Spiele, zuweilen können auch Hardware, Musikinstrumente oder wie in Stuttgart Zeichnungen zeitgenössischer Künstler entliehen werden. „Das Geheimnis liegt darin, seine Kundschaft zu kennen und sich auf deren Bedürfnisse bestmöglich einzustellen“, sagt Peter Heissenberger. Oder wie es Dr. Bernd Schmid-Ruhe, Professor an der Hochschule der Medien in Stuttgart, im Gespräch mit den italienischen Besuchern formulierte: „Jede Stadt, jede Gemeinde braucht die Bibliothek, die zu ihr passt. Das Stuttgarter Konzept würde in Mannheim nicht funktionieren – und umgekehrt.“ Deshalb sei es nicht sinnvoll, Ideen nur zu kopieren – man müsse sie immer an das eigene Umfeld anpassen.

Das, da waren sich die italienischen Kolleginnen und Kollegen in der Abschlussrunde einig, werde man bei vielem versuchen, ob beim Service, bei offenen Flächen, Unterstützung und Beratung oder bei der Zusammensetzung des Büchereiteams. Auf jeden Fall möchte man im Austausch bleiben und die entstandenen Kontakte auch weiterhin nutzen. „You can try“ – versuch es einfach – soll dabei als Motto über den Verabredungen und der Einladung an die deutschen Gastgeber stehen.

Autor:

Kraichgau News aus Bretten

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