Helden des Alltags
„Würde mich als Einzelkämpfer bezeichnen“

Foto: Privat

Viele Menschen haben das Gefühl, in den Medien gebe es nur schlechte Nachrichten, so weit das Auge reicht. Die Zeiten sind im Umbruch, viele fühlen sich verunsichert, würden am liebsten den Kopf in den Sand stecken. Mit der Brettener Woche-Serie „Helden des Alltags“ werden in loser Reihenfolge Menschen vorgestellt, die der um sich greifenden Lähmung etwas entgegensetzen. Sie klagen nicht, sondern packen an. Sie stellen das eigene Ego zurück und setzen sich für andere ein. Sie beziehen ihre Motivation daraus, Gutes zu tun, und machen die Welt ein bisschen besser. Im Interview mit der Brettener Woche/Kraichgauer Bote erzählt der erst 17-jährige Valentin Ruf über sein Engagement im Landesschülerbeirat, in der Frewilligen Feuerwehr im Deutschen Roten Kreuz und in der Dopingprävention des deutschen Sports.

Hallo Valentin! Wer bist du und was machst du?
Ich heiße Valentin Ruf, bin derzeit noch 17 Jahre alt und komme aus Kieselbronn. Zur Schule gehe ich in Neckargemünd bei Heidelberg auf das Wirtschaftsgymnasium der SRH Stephen-Hawking-Schule, einer Privatschule für Schülerinnen und Schüler mit und ohne Behinderung. Aufgrund einer Infektion nach einer Hirn- und Hirnhautentzündung im frühen Kindesalter habe ich eine Lähmung im linken Bein sowie partiell im rechten Bein, im Rumpf und im linken Arm und bin daher auf einen Rollstuhl angewiesen. Dadurch, dass ich es jedoch nicht anders kenne, stellt das kein Problem für mich dar.

In meiner Freizeit betreibe ich hauptsächlich Leistungssport in den Sportarten Para Ski Alpin, Rollstuhlbasketball und Radsport. Parallel dazu engagiere ich mich in meiner Schule als Schülersprecher sowie auf Landesebene als Mitglied im Landesschülerbeirat von Baden-Württemberg. Außerdem betätige ich mich ehrenamtlich in der Freiwilligen Feuerwehr, im Deutschen Roten Kreuz und in der Dopingprävention des deutschen Sports. Zum Sport kam ich letztendlich über eine Kindergruppe im Rollstuhlsport und habe daraufhin mit dem Rollstuhlbasketball angefangen. Von dort an war ich permanent auf der Suche nach etwas Neuem und Außergewöhnlichem. Heute betreibe ich neben dem Rollstuhlbasketball auch noch Para Ski Alpin und Radsport.

Wann begann dein Interesse am Ehrenamt und was waren die Beweggründe?
Bereits im Alter von sieben Jahren bin ich in Kieselbronn in die Jugendfeuerwehr eingetreten. Damals beeindruckten mich besonders die großen roten Fahrzeuge und die Feuerwehr selbst. Heute schätze ich vor allem die Kameradschaft und weiterhin die technischen Geräte. Dass ich im Rollstuhl sitze, war nie wirklich ein Thema. Über die Feuerwehr habe ich außerdem Interesse an den medizinischen Aspekten der Notfallrettung gefunden und bin seit 2017 Mitglied im Ortsverein Kieselbronn des Deutschen Roten Kreuzes.

Durch meinen Zweitwohnsitz in Neckargemünd bin ich seit demselben Jahr neben der Freiwilligen Feuerwehr Kieselbronn auch in der Einsatzabteilung der Freiwilligen Feuerwehr Neckargemünd. Im Frühjahr 2019 gelang es mir nun meine Grundausbildung und meinen Funklehrgang in der Feuerwehr zu absolvieren. Im Mai folgte nun auch noch die Helfergrundausbildung im DRK.

Welche Momente blieben dir in Bezug auf deine ehrenamtlichen Tätigkeiten besonders eindrücklich in Erinnerung?
Durch mein ehrenamtliches Engagement und meine sportlichen Erfolge wurde es mir ermöglicht im Sommer 2016 am Deutschen Paralympischen Jugendlager (DPJL) in Rio de Janeiro (Brasilien) und im Frühjahr 2018 am Deutschen Olympischen Jugendlager (DOJL) in PyeongChang (Südkorea) teilzunehmen. Bei den beiden Maßnahmen der Bundesverbände hatte ich jeweils die Möglichkeit, die Olympischen Spiele beziehungsweise die Paralympics vor Ort live mitzuerleben und im interkulturellen Austausch zahlreiche Erfahrungen zu sammeln. Die beiden Ereignisse dienten außerdem meiner sportlichen und ehrenamtlichen Motivation und bekräftigten mein Ziel, einmal selbst an den Paralympics teilnehmen zu wollen. Neben den kulturellen Eindrücken sind mir besonders die Gespräche mit dem Bundespräsidenten und hochrangigen Sportfunktionären in Erinnerung geblieben.

Was sagen andere zu deinem Engagement?
Die meisten Menschen schätzen mein Engagement und sind von der Diversität stark beeindruckt. Dennoch hinterfragen einige Bekannte und Verwandte meine zahlreichen Tätigkeiten wohlwollend, mit dem Hintergrund, ob es mir nicht zu viel sei. In der Tat bin ich viel unterwegs und habe kaum noch Freizeit, aber in gewisser Weise sind all diese Tätigkeiten ja meine Freizeit.

Woher schöpfst du deine Motivation?
Besonders meine Erfolge und meine erreichten Ziele, aber vor allem auch die positive Rückmeldung und die enorm große Reichweite in den sozialen Medien treibt mich an. Ich freue mich immer sehr, wenn Menschen an meinen vielseitigen Tätigkeiten interessiert sind und mich daraufhin ansprechen oder kontaktieren.

Was gibt dir das Ehrenamt zurück?
Das Ehrenamt bereitet mir vor allem viel Freude! Ich empfinde es als guten Ausgleich zur Schule und zum Leistungssport. Außerdem motiviert mich die überwiegend positive Rückmeldung und die große Reichweite in den sozialen Medien.

Was würdest du als deine wichtigsten Erfolge bezeichnen?
Zu meinen größten sportlichen Erfolgen gehören unter anderem Skirennen wie beispielsweise die Deutschen Meisterschaften im Para Ski Alpin, aber auch die fünffache Teilnahme am Bundesfinale von „Jugend trainiert für Paralympics“ im Rollstuhlbasketball mit zwei dritten Plätzen. Von besonderer Bedeutung sind für mich jedoch neben den sportlichen Erfolgen auch erreichte Ziele außerhalb des Sports. Hierbei zu nennen ist beispielsweise die Wahl in den Landesschülerbeirat von Baden-Württemberg, mein viertes Amtsjahr als Schülersprecher oder meine absolvierten Grundausbildungen in der Freiwilligen Feuerwehr und im Deutschen Roten Kreuz.

Würdest du dich als Einzelkämpfer bezeichnen?
Auch wenn ich in Mannschaftsportarten aktiv bin würde ich mich in der Gesamtbetrachtung dennoch als Einzelkämpfer bezeichnen. In vielen Bereichen wie beispielsweise in der Feuerwehr bin ich auf eine gewisse Art und Weise ein Vorreiter als Rollstuhlfahrer. Ich bin sehr zielstrebig und daher stets motiviert meine geplanten Ziele zu erreichen.

Worüber bist du dankbar?
Ich bin sehr dankbar darüber, dass ich mit meinen jungen Jahren bereits so viel erleben durfte und bereits einiges erreicht habe. Das Meiste davon ist jedoch keine Selbstverständlichkeit und daher für ich von besonderer Bedeutung. Außerdem schätze ich die Unterstützung von meiner Familie und von meinen Bekannten sehr.

Welche Reisen, Projekte etc. stehen in diesem Jahr noch an?
In den vergangenen Jahren war ich viel unterwegs und habe einige größere Dinge in meinem Leben abgeschlossen, wie beispielsweise meinen Führerschein und meine Grundausbildungen in der Feuerwehr und im Roten Kreuz. Für das kommende Schuljahr sollte nun die Schule etwas mehr im Vordergrund stehen, mit Hinblick auf mein Abitur im Jahr 2020 und mein anschließendes Studium. Dennoch nehme ich mir für die kommende Saison im Para Ski Alpin vor an einigen Rennen im Europacup erfolgreich teilzunehmen.

Die Fragen stellte Havva Keskin.

Autor:

Havva Keskin aus Bretten

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