Prozess wegen Video
Betreiber eines Telegram-Kanals angeklagt

Rechtliche Konsequenzen für einen Mann aus Sulzfeld könnte die Veröffentlichung eines Videos haben.  | Foto: hk
  • Rechtliche Konsequenzen für einen Mann aus Sulzfeld könnte die Veröffentlichung eines Videos haben.
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Bretten/Karlsruhe (hk) Im Winter 2021, mitten in der Corona-Pandemie, löste ein siebensekündiges Videos auf „Telegram“ einen öffentlichen Sturm der Entrüstung gegen das Städtische Klinikum Karlsruhe aus. Das Video, das einen Patienten zeigt, der auf einer Matratze auf dem Boden des Klinikums liegt, kursierte zunächst auf den Telegram-Kanälen von „Querdenkern“ und später auch in anderen öffentlichen Netzwerken. In Sprachnachrichten äußerten sich nach dem Auftauchen des Videos Größen der Querdenker-Szene zu dem angeblichen Geschehen: Dem Patienten soll unter anderem wegen seines fehlenden Impfschutzes gegen das Coronavirus jegliche Behandlung verweigert worden sein.

Sulzfelder betreibt Telegram-Kanal mit über 100.000 Abonnenten

Zu den Verbreitern des Videos und einer Tonaufnahme mit Informationen über das vermeintliche Geschehen gehörte auch ein Mann aus Sulzfeld, der einen Telegram-Kanal mit mehr als 100.000 Abonnenten betreibt. Die Staatsanwaltschaft wirft dem 59-Jährigen vor, mit der Verbreitung des Videos unter anderem den höchstpersönlichen Lebensbereich des inzwischen verstorbenen Mannes verletzt zu haben. Er habe damit die Hilflosigkeit des Patienten zur Schau gestellt. Der Angeklagte selbst war zur Verhandlung vor dem Amtsgericht in Bretten vergangene Woche nicht erschienen und ließ sich durch seinen Anwalt vertreten.

Wollte vermeintliche Missstände öffentlich machen

Was war geschehen? Rechtsanwalt Dirk Sattelmaier rekapitulierte die Umstände, die zur Anklage gegen seinen Mandanten geführt hatten. Es sei die Absicht des Angeklagten gewesen, so Sattelmaier, Missstände am Klinikum öffentlich zu machen, die sonst möglicherweise unbemerkt geblieben wären. Zumal es die Lebensgefährtin des Verstorbenen gewesen sei, die auf seinen Mandanten zugekommen sei und ihn gebeten habe, das Video zu teilen. In dieser Situation habe der Angeklagte die Verbreitung des Videos als Mittel gesehen, die Öffentlichkeit für die Probleme zu sensibilisieren, von denen ihm die Lebensgefährtin berichtet hatte.

"Hilferuf über Telegram-Kanal"

Die Lebensgefährtin des Verstorbenen habe dem Angeklagten auch mitgeteilt, dass sie bereits Schritte unternommen habe, um auf die ihrer Ansicht nach unzureichende Behandlung aufmerksam zu machen. Dies schloss einen Besuch bei der Polizei ein, bei dem sie auf die angeblichen Missstände in der Klinik hingewiesen habe. Ihre Bemühungen, die Aufmerksamkeit der Behörden auf die Situation zu lenken, hätten jedoch nicht zu der erhofften Verbesserung der Behandlung ihres Lebensgefährten geführt. In der Folge habe sie den Kontakt zu seinem Mandanten gesucht, so Sattelmaier, der sagte: "Über den Telegram-Kanal meines Mandanten wollte sie einen Hilferuf absetzen."

"Leben aus den Fugen geraten"

Einer der Zeugen war ein inzwischen 19-Jähriger, der den Verstorbenen gefilmt und das Video mit dessen Lebensgefährtin geteilt hatte. Dieser gab an, eine Vater-Sohn-Beziehung zu dem Verstorbenen gehabt zu haben, in dessen Werkstatt er eine Ausbildung zum Kfz-Mechaniker begonnen hatte. Nach dem plötzlichen Tod seines Meisters sei sein Leben aus den Fugen geraten, beschrieb der junge Zeuge seinen Zustand nach dem Verlust.

Der Richter interessierte sich besonders für den Geisteszustand des Verstorbenen und die Umstände seines Krankenhausaufenthaltes, als der junge Mann ihn besucht hatte. Dieser beschrieb, dass ihm das Behandlungszimmer merkwürdig vorgekommen sei: Der Patient habe allein im Zimmer auf zwei Matratzen auf dem Boden gelegen. Den Grund dafür sollte der Richter im weiteren Verlauf der Verhandlung noch erfahren.

Video als Erinnerung

Der junge Mann bestätigte, dass er das Video aufgenommen habe, das später vom Angeklagten in den sozialen Medien geteilt wurde. Sein Beweggrund, warum er ihn gefilmt habe, sei die Überzeugung gewesen, dass sein Chef in seinem schlechten Gesundheitszustand das Krankenhaus nicht lebend verlassen würde – er habe eine Erinnerung an ihn festhalten wollen. Außerdem hätten ihn viele Freunde und Bekannte nach einem "Lebenszeichen" des Kfz-Meisters gefragt, darunter auch die Lebensgefährtin des Verstorbenen. Sattelmaier äußerte daraufhin im Zuge seiner Verteidigung Zweifel daran, dass das Video unbefugt angefertigt worden sei, schließlich habe der Verstorbene gewusst, dass er gefilmt werde, habe das Geschehen verstanden und durch Nicken sein Einverständnis signalisiert, wie aus den Aussagen des Zeugen hervorgehe.

Gespräch zwischen Angeklagtem und Lebensgefährtin des Verstorbenen

Ein Polizist, der in die Ermittlungen involviert war, wurde ebenfalls als Zeuge aufgerufen – er hatte den Angeklagten zu den Vorwürfen befragt, der den Verlauf der Ereignisse, wie er sich zugetragen haben soll, im Wesentlichen bestätigt habe. Die Kommentierung des Videos durch den Angeklagten sei das Ergebnis eines einzigen Gesprächs zwischen ihm und der Lebensgefährtin des Verstorbenen gewesen. Der Angeklagte habe mit den ihm zugetragenen Informationen die Öffentlichkeit wachrütteln wollen.

Patient war aus dem Bett gefallen

Ein entscheidender Punkt in der Aussage des Polizisten betraf die Umstände, unter denen der Verstorbene auf einer Matratze im Behandlungszimmer lag. Den Ermittlungen zufolge soll der Patient aus dem Bett gefallen sein. Die diensthabende Fachkraft habe dies auf ihrem Rundgang bemerkt, konnte den schwergewichtigen Patienten jedoch weder alleine noch mit Hilfe eines Kollegen wieder ins Bett heben. Daher habe man sich entschieden, den Patienten zu seinem Schutz auf zwei Matratzen zu legen, um einen weiteren Sturz zu verhindern.

Patient hatte Behandlung wiederholt abgelehnt

Starb der Patient, weil er nicht behandelt wurde – oder weil er die Behandlung verweigerte? Auch diese Frage stand im Raum. Die Zeugenaussagen des medizinischen Personals des Krankenhauses zeichneten ein eindeutiges Bild: Der Patient sei in der Lage gewesen, seinen Willen klar zu artikulieren. Er sei mit einem Oberschenkelbruch ins Krankenhaus gekommen, wobei auch eine Corona-Infektion sowie eine schwere Lungenentzündung diagnostiziert wurden, die schließlich zum Tod führten. Wiederholt soll der Patient eine Behandlung abgelehnt haben.

Verhandlung wird am 11. Juli fortgesetzt

Eine Corona-Impfung für die akute Behandlung des Patienten hätte im Übrigen keine therapeutische Relevanz gehabt, sagte ein damals diensthabender Arzt aus. Da eine wichtige Zeugin, die Lebensgefährtin des Verstorbenen, nicht erschien, wird die Verhandlung am 11. Juli fortgesetzt.

Autor:

Havva Keskin aus Bretten

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