Interview mit Brettener Polizeichef Bernhard Brenner
"Bürger erwarten mehr Polizeipräsenz"
Bretten (hk) Das Polizeirevier in Bretten ist auch in Corona-Zeiten rund um die Uhr im Einsatz. Was die Beamten dabei erleben und wie sich ihre Arbeit seit dem Ausbruch der Pandemie verändert hat, darüber hat die Brettener Woche im Interview mit Revierleiter Bernhard Brenner gesprochen.
Herr Brenner, was läuft bei der Polizei seit dem Ausbruch des Coronavirus anders?
Auch bei der Polizei hat sich die Welt durch die Corona-Krise teilweise schlagartig geändert. Wir begrüßen uns im Revier seit Wochen mit Sicherheitsabstand, Hygieneregeln werden großgeschrieben, unverzichtbare Besprechungen finden im Hof vor dem Gebäude statt und Besucher lassen wir häufig in der Sicherheitsschleuse stehen, wenn es irgendwie möglich ist. Meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind aufgrund ihrer Ausbildung auf Krisensituationen vorbereitet und wir arbeiten ohne Stress, aber mit der gebotenen Professionalität einfach weiter. Stark im Kommen sind auch polizeiliche Videokonferenzen. Ich hoffe, dass wir einiges, was wir heute einführen, auch nach der Krise beibehalten können.
In welchen Bereichen gibt es weniger zu tun?
Tatsächlich haben Allgemeinkriminalität und Verkehrsunfallgeschehen spürbar abgenommen, seit die Ausgangsbeschränkungen greifen. Wir haben weniger Kundenverkehr – das ist ja auch das Ziel der umfangreichen Vorsorgemaßnahmen, wir müssen aber unseren rechtlichen Verpflichtungen nachkommen und Anzeigen selbstverständlich nach wie vor bearbeiten. Es wird aber mehr am Telefon, per E-Mail oder per Briefpost abgewickelt, wenn das irgendwie machbar ist.
Sind die klassischen Delikte, wie zum Beispiel Ladendiebstahl, rückläufig?
Seit etwa zwei Wochen haben wir deutlich weniger Diebstähle zu bearbeiten. Allerdings kam es vereinzelt zu Einbrüchen in Firmen und Geschäfte, die heute weniger frequentiert sind, weil ja Firmen momentan leider Probleme haben, ihren Betrieb aufrechtzuerhalten. Hierauf müssen wir auch künftig ein wachsames Auge haben. Und die Zahl der häuslichen Streitigkeiten nimmt zu.
Welche neuen Aufgaben sind hinzugekommen?
Neu für uns sind Deliktsbereiche, die wir zuvor noch nie anzeigen mussten: Verstöße gegen das Infektionsschutzgesetz beispielsweise, wenn etwa Personen ihr Haus verlassen, obwohl für sie häusliche Quarantäne angeordnet wurde. Oder Ordnungswidrigkeiten nach der Corona-Verordnung, weil sich mehrere Personen unberechtigt treffen oder weil Spielplätze betreten werden. Ich gehe auch davon aus, dass angesichts der aktuellen Situation die Internet-Straftaten zunehmen werden, weil viel mehr Menschen zu Hause bleiben. Uns erreichen auch sehr viele telefonische Anfragen, weil die Ausgangsbeschränkungen doch sehr schnell umgesetzt wurden und am Anfang bei den Menschen große Rechtsunsicherheiten bestanden. Hier wurde vonseiten der Behörden zum Glück schnell nachgebessert.
Haben Sie die Polizeipräsenz in den letzten Wochen erhöht?
Wir müssen gerade in diesen Zeiten unseren Dienstbetrieb durchgehend und zuverlässig aufrechterhalten, um bei einer potenziellen besonderen Einsatzlage rund um die Uhr handlungsfähig zu bleiben. Das kann man auch zurecht von uns erwarten. Außerdem wünscht sich die Bevölkerung, die aufgrund der aktuellen Vorsorgemaßnahmen zum Teil auch verunsichert ist, eine deutlich sichtbare Polizeipräsenz und wir betrachten es als unsere Pflicht, für Bürgerinnen und Bürger mit berechtigten Anliegen stets ansprechbar zu sein. Gerade über die Feiertage bringen wir sehr viel Personal in den Dienst.
Was sind die häufigsten Verstöße/Straftaten im Zusammenhang mit dem Coronavirus?
Am häufigsten sind Ordnungswidrigkeiten wegen Verstößen gegen das Kontaktverbot, wenn zum Beispiel mehr als zwei Personen unberechtigt im öffentlichen Raum zusammenkommen. Wir hatten allerdings auch schon einen bedeutenden Verstoß, den man nicht einfach auf die leichte Schulter nehmen darf: Eine infizierte Person, bei der eine häusliche Quarantäne angeordnet war, wurde im öffentlichen Raum angetroffen. Ein äußerst verantwortungsloses Verhalten, das auch entsprechend zur Anzeige gebracht wird.
Wie versuchen Sie die Menschen, die sich nicht an die Vorgaben halten, zu sensibilisieren?
In den allermeisten Fällen genügt es, die Menschen aus der Distanz freundlich anzusprechen und den Sinn und Zweck der Einschränkungen verständlich zu erklären. Nur in absoluten Ausnahmefällen konnten wir kein Verständnis erreichen, was dann natürlich letztlich zur Anzeige geführt hat. Ich glaube, inzwischen hat sich der Sinn und Zweck der umfangreichen Maßnahmen aber bei allen herumgesprochen, die Beanstandungen gehen deutlich zurück. Schwierig wird es, wenn Menschen zwar Distanz einhalten wollen, wenn das aber unmöglich ist, weil Wanderwege oder Aussichtspunkte einfach überbelegt sind.
Haben die Ausgangsbeschränkungen in Ihrem Zuständigkeitsbereich ihre Wirkung gezeigt?
Ich erwarte, dass man das nun tatsächlich belegen kann, denn es ist ja so, dass die Wirkung der getroffenen Maßnahmen aufgrund der Inkubationszeit der Erkrankung erst mit einer zeitlichen Verzögerung von vielleicht 1 – 2 Wochen gemessen werden kann. Ich erhoffe mir empirische Zahlen in diesen Tagen. Ich bin allerdings schon immer davon überzeugt, dass durch Kontaktverbote eine Steigerung der Neuinfektionen stark abgebremst werden. Wenn ich könnte, würde ich mir wünschen, dass es als weiteren Schritt bald zu flächendeckenden Corona-Schnelltests kommt. Man hätte dann die Möglichkeit, konkret Infizierte und alle ihre Kontaktpersonen frühzeitig zwei Wochen in ihrer Wohnung zu isolieren und das könnte die Ausbreitung noch effektiver verhindern. Hohe Erwartungen habe ich auch an die technischen Möglichkeiten, beispielsweise Smartphone-Apps und Fitness-Armbänder mit Warnfunktion, die hoffentlich bald eingesetzt werden können. Die Kombination und die Dosis von Maßnahmen ist entscheidend.
Sind Sie auf eine Ausgangssperre vorbereitet?
Ich weiß, dass die Polizei sich schnell auf neue Herausforderungen einstellen kann, das war so und das wird immer so bleiben. Genau diese Eigenschaft zeichnet die Polizei auch aus und darauf sind wir ziemlich stolz. Sollte es also – was ich momentan allerdings nicht sehe – zu einer weiteren Einschränkung der Bewegungsfreiheit kommen, wären wir selbstverständlich darauf vorbereitet.
Mehr finden Sie auf unserer Themenseite Coronavirus.
Autor:Havva Keskin aus Bretten |
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