Vortrag über einen Räuber und Wilderer
Aus dem Brettener Gefängnis ausgebrochen
Bretten (kn) Jan Wiechert aus Öhringen arbeitet für das Landesarchiv Baden-Württemberg und als freiberuflicher Autor. Die Kriminalgeschichte des deutschen Südwestens gehört zu seinen Spezialgebieten. Auf Einladung des Vereins für Stadt- und Regionalgeschichte Bretten hielt er am 7. März im Saal des Alten Rathauses einen Vortrag über einen Kriminalfall von vor 200 Jahren, der auch eine Episode in Bretten hatte. Wiechert hat diesen Kraichgauer Kriminalfall durch akribisch erforschtes Archivmaterial belegt, und präsentierte das Räuberstück spannend und abwechslungsreich.
Deserteur, Räuber, Messerstecher, Flintenheld und Wilderer
Anfang des 19. Jahrhunderts sorgte ein gewalttätiger Wildschütz im Großherzogtum Baden und im Königreich Württemberg für Angst und Schrecken: Johann Rothenbühler aus Rohrbach bei Sinsheim war ab 1820 einer der meist gesuchten und gefährlichsten Verbrecher, der als Deserteur, Räuber, Messerstecher, Flintenheld und Wilderer sein Unwesen trieb.
1792 kam Rothenbühler als Sohn eines Buchbinders zur Welt und erlernte schon früh vom Vater die Wilderei. Als der Vater dafür ins Zuchthaus musste, verließ der halbwüchsige Sohn das Elternhaus und die Schule und bettelte sich durch das kriegsgebeutelte Mitteleuropa. Zunächst landet er in Breslau, das 1806 von Napoleon belagert war, wo er später in die Dienste eines französischen Generals kam. Es folgte ein Kriegseinsatz in Spanien, bei dem er sich aber bald wieder aus dem Staub machte.
Wanderschaften in Frankreich, Italien, Österreich, Holland und Belgien
Monatelange Wanderschaften, die stets mit Flucht, Verfolgung und Gewalt verbunden waren, führten ihn unter anderem nach Frankreich, Italien, Österreich, Holland und Belgien. Immer wieder heuerte er unter falschen Identitäten beim Militär an, um kurz darauf zu desertieren und sich mit seiner Anwerbeprämie und dem erstem Sold zu verdrücken. So war er bald als gewalttätiger Fahnenflüchtiger gesucht, was ihn nicht davon abhielt, sich zahlungsfreudigen Militäreinheiten anzuschließen. Mit Wildern hielt er sich und seine Lebensgefährtin leidlich über Wasser.
"Herumziehender Papierschachtelhändler"
1822 kam er nach Baden zurück, ohne seinen Lebensstil zu ändern. Als Vater von zwei Kindern gab er für das Taufbuch den Beruf als „herumziehender Papierschachtelhändler“ an, konnte aber das Wildern nicht lassen. Allen Versuchen, ihn festzunehmen, entzog er sich mit notfalls brutaler Gewalt. Anfang Mai 1824 wurde er in Maulbronn gefasst und kam als Gefangener ins großherzoglich-badische Amt nach Bretten. Schon zwei Tage später am 4. Mai war in der Karlsruher Zeitung zu lesen, dass der berüchtigte und vielfach gesuchte Verbrecher Rothenbühler „nach Zerbrechung seiner starken Fesseln und Handeisen Mittel fand, aus dem Gefängnis durch die Mauer zu brechen und zu entkommen!“
Ausbruch aus Brettener Gefängnis trotz großer Sicherheitsvorkehrungen
Immerhin hatten die Behörden nun eine detaillierte Personenbeschreibung und die Anstrengungen, ihn endlich dingfest zu machen, wurden intensiviert. Rothenbühler irrte ein weiteres Jahr durch mehrere Länder, ehe er wieder in den Kraichgau zurückkehrte. Am 23. Mai 1825 endete sein kriminelles Wanderleben in Besenfeld im Schwarzwald, wo ihn zwei Jäger in einer mutigen und spektakulären Aktion dingfest machten. Beim Gerichtsverfahren in Mannheim entging der inzwischen 33 Jahre alte Delinquent knapp der Todesstrafe, da man ihm trotz der zahlreichen schwerwiegenden Hauptverbrechen mildernde Umstände zubilligte. Nach 25 Jahren kam er nach einem Gnadengesuch seines Sohnes aus dem Zuchthaus, in dem er sich überraschend ruhig und gelassen verhalten hatte. In Wiesloch heiratete er nochmals und starb 1859 im Alter von 67 Jahren.
Autor:Katrin Gerweck aus Bretten |
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