Weihnachten bei den Melanchthons
Direktor der Melanchthon-Akademie blickt hinter die Gelehrtenfassade
Bretten (kuna) Wie feierte Philipp Melanchthon, berühmtester Sohn der Stadt Bretten, eigentlich die Weihnachtszeit? Und ist es überhaupt angemessen, eine solch banale Frage zu stellen, angesichts der Größe des Humanisten und Universalgelehrten? Diese Fragen behandelte Professor Dr. Christian Neddens, der seit September als neuer Direktor der Europäischen Melanchthon-Akademie im Amt ist, bei einem Vortrag zum Nikolausvorabend am Donnerstag, 5. Dezember.
Zahlreiche Zuhörer in der Gedächtnishalle
In der Gedächtnishalle des Brettener Melanchthonhauses mussten an diesem Abend die Stühle nachgerückt werden, bevor Neddens, der mit der Veranstaltung erstmals als neuer Direktor in die Öffentlichkeit trat, beginnen konnte. Er zeigte sich überwältigt ob dieser Fülle und nahm das Publikum mit auf eine kurzweilige Reise in das Weihnachtsfest zu Zeiten des Reformators, wobei er seine Forschungsergebnisse mit Bildmaterial, Briefen aus Humanistenkreisen und Aussagen von Zeitgenossen untermauerte.
Adventszeit war im 16. Jahrhundert Fastenzeit
Anders als heute sei die Adventszeit im 16. Jahrhundert eine Zeit des Fastens gewesen: Keine Eier, kein Fleisch oder Fisch hätte es gegeben, außer sonntags, so Neddens. Allmählich seien in dieser Zeit auch Christstollen in Mode gekommen, allerdings habe es für das Nutzen von Butter eine Sondererlaubnis vonseiten des Papstes gebraucht, die sich die Geistlichkeit gut bezahlen ließ – bekannt als die sogenannten "Butterbriefe". Ob Melanchthon selbst jemals Christstollen aß, sei jedoch unbekannt, räumte Neddens ein.
"Das Weihnachtsessen fiel wohl eher schlicht aus"
Generell sei der Humanist kein "großer Fleischesser" gewesen und habe angesichts eines üppigen Banketts nicht zugeschlagen, sondern dafür plädiert, die Güte Gottes nicht zu missbrauchen. „Das Weihnachtsessen bei den Melanchthons fiel wohl eher schlicht aus“, schlussfolgerte der habilitierte Theologe.
"Ambivalente menschlich-familiäre Seite"
Und was ist mit dem kitschigen Bild der harmonischen Familie unterm Tannenbaum? Den Brauch, Reisig und Grünes zu Weihnachten ins Haus zu holen, habe es schon vor der Reformationszeit gegeben, erläuterte Neddens. Ein Blick in das persönliche Verhältnis von Melanchthon zu seiner Familie offenbare jedoch eine "ambivalente menschlich-familiäre Seite", zitierte er die Forschung.
Hochzeit aus eigenem Willen?
Das beweise etwa die Anfangszeit seiner Ehe mit der geborenen Katharina Krapp: Kam es zu der Hochzeit wirklich aus dem eigenen Willen Melanchthons oder hatte sein Freund Luther die Finger im Spiel? Noch vor der Ehe habe dieser geschrieben, dass Melanchthon den Haushalt vernachlässige und ein Junggesellenleben führe, weshalb er die Obhut einer Frau brauche. Neddens ließ die Frage nach dem Einwirken von Luther zwar offen, erinnerte jedoch an die Briefe Melanchthons in den ersten Monaten nach seiner Hochzeit. Diese seien auf Griechisch verfasst worden – wohl damit seine Frau sie nicht lesen könne – und enthielten Aussagen über sein Eheleben wie: „Nie sei mir etwas Härteres widerfahren.“
Durchaus positives Frauenbild
Anders als die „übliche Misogynie in den Humanistenkreisen“ habe Melanchthon aber ein durchaus positives Frauenbild gehabt, beschwichtigte Neddens, so habe er in seinen späteren Lebensjahren die Ehe als „höchsten Grad der Freundschaft“ bezeichnet. Dieser Sichtwechsel spreche dann doch für einen klugen Kopf, befand der Direktor.
Besonderes Verhältnis zu Tochter Anna
Er ging weiterhin auf das Verhältnis des vierfachen Vaters zu seinen Kindern ein: So schrieb er beim Tod des Sohnes Georg, er könne den Schmerz über den Verlust nicht in Worte fassen. Besonders sei das Verhältnis aber zu seiner Tochter Anna gewesen: Sie habe mit 14 Jahren einen Mann geheiratet, der sie des Fremdgehens bezichtigte, jedoch selbst untreu war – Melanchthon soll deshalb gar über Scheidung nachgedacht haben, „ein damals ungewöhnlicher Schritt“, so Neddens.
Im Hause Melanchthon herrschte immer Geldknappheit
Und wie sah es mit Geschenken an Weihnachten aus – war Melanchthon doch einer der Besserverdiener in Wittenberg? Trotz seines Einkommens habe in der Familie immer Geldknappheit geherrscht, erläuterte Neddens. Das sei vor allem der Hilfsbereitschaft von Philipp und seiner Frau geschuldet. Überhaupt habe für den Reformator Frömmigkeit vor allem das Studieren bedeutet. Neddens berichtete von der Anekdote, dass Melanchthon sich immer wieder im Studierzimmer vor seiner Frau versteckt hatte – er sah sie als Ablenkung vor dem Studium an. Katharina habe wiederum an der Tür geklopft und lautstark nach ihm gerufen.
Einsatz für Theaterkultur
Bekannt sei übrigens auch der Einsatz Melanchthons für die Theaterkultur, darunter auch für das Krippenspiel an Weihnachten. In religiöser Hinsicht sei ihm an der Geburt Jesu Christi vor allem die Botschaft zentral gewesen, dass Menschheit und Gottheit im Christuskind zusammenkommen.
Auftakt für eine jährliche Vortragsreihe
Mit diesen Einblicken in die alltägliche Seite des Brettener Sohnes – der sich trotz seines Lebensschwerpunktes in Wittenberg immer nach seiner Heimat im Kraichgau zurückgesehnt haben soll – entließ Neddens das Publikum in den kalten Vorweihnachtsabend. Zugleich kündigte er an, dass der Vortrag der Auftakt für eine Reihe war, die nun immer am Abend vor Nikolaus stattfinden soll. Dabei werde er einen "nicht ganz hochwissenschaftlichen Blick" auf das Leben von Melanchthon werfen, erläuterte Neddens mit einem Augenzwinkern.
Er kündigte außerdem die nächsten Termine an: am 14. Februar wird es eine Jahres-Neueröffnung des Melanchthonhauses nach der Winterpause geben, bei der sich der Direktor in einem Vortrag um die Zukunft der Gesellschaft widmen wird.
Autor:Kathrin Kuna aus Bretten |
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