Lebt die traditionelle Kerwe noch?
Kerwe-Essen im Bauerbacher Pfarrheim, Gaudi beim Ortsvorsteher

Kerwebuben 1925 | Foto: Q: Hannelore Müller
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Martinikerwe

Ganz früher wurde immer am Namenstag des Kirchenheiligen zünftig gefeiert, also über das Jahr verteilt; jede Kirche hat einen anderen Patron. Weil die bäuerliche Bevölkerung aber dadurch oft zu Festen 'über Feld' ging und knappes Geld 'versoffen' hat, hat die Obrigkeit bestimmt, dass die Termine am Ende des Jahres zusammengefasst werden, die Dorfbevölkerung war dann unter sich.
So entstand die Martinikerwe Anfang November. Zum Ende der Erntezeit und gleichzeitig zum Ausklang des Kirchenjahres wurden Knechte und Mägde ausbezahlt und mit üppigem Essen, 'kräftigem Durst', Tanz und traditionellen Bräuchen gefeiert. Im Raum Bretten lebt die Tradition noch in Bauerbach, wenn auch dort der Brauch inzwischen verwässert ist.

Der Brauch

Die Kerwe wird mit einem Umzug 'abgeholt'. Am Sonntag, den 6.11. ist es wieder soweit. Die Bauerbacher Kerwebuben waren immer der Musterungsjahrgang. Die Burschen schlüpften stilecht in die Kleidung der örtlichen Berufe. Als Insignien hatte der Schmied den Vorschlaghammer, der Maurer  die Kelle, der Schreiner oder Zimmermann die Säge, der Bäcker den Backschieber dabei.  Mit ihrem tannenreisgeschmückten Kerwewagen und Musikbegleitung zogen sie  durchs Dorf zum Bürgermeister und feierten dort die Kerwe. Der Ablauf ist gleich geblieben. Nur ziehen sie halt heute ab 14 Uhr zum Ortsvorsteher in die Bürgerstraße. Sie singen das Kerwelied, der 'Büttel' glossiert im Stil einer Büttenrede das Ortsgeschehen. Das männliche 'Päärle' muss den Kerwewalzer tanzen. Der 'Bajass' im Clownskostüm treibt mit aufgeblasenen Schweinsblasen die Kinder vor sich her, der 'Mundschenk' sorgt dafür, dass im Weinkrug immer was drin ist. Die Gruppe muss aufpassen, dass ihre Kerwepuppe nicht abhanden kommt, denn sonst kann sie die Kerwe zum Schluss nicht 'vergraben' und der Jahrgang ist für immer blamiert. Wenn sich die Burschen nach einigen Tagen erholt haben, wird die Puppe verbrannt und die Kerwe ruht bis zum 'Ausgraben' im nächsten Jahr '.
"Das waren Zeiten", erzählen frühere Akteure. Mädchen durften nur im Hintergrund mitwirken, den Kerwewagen schmücken und das "Weible" stylen und schminken. Einiges vom alten Brauch ist in den letzten Jahren ziemlich verflacht. Die Kerwebuben sind kaum mehr als Handwerker zu erkennen. Sie tragen billige Strohhüte mit Plastiksauköpfen dran befestigt. Die Einwohnerschaft ist gespannt, zum einen, ob der Kern des Brauchtums noch zu erkennen ist oder weiter dem Zeitgeist geopfert wird, zum anderen auf die Kerwerede, bei der in manchen Jahren einzelne Passagen sehr personenbezogen und auch grenzwertig deftig gewesen sind.

Das Kerweessen

Traditionswirtschaften gibt es nicht mehr,  aber die Pfarrei führt den Brauch des Kerwe-Essens fort. Das angebotene Fleisch vom Bauerbacher Angusrind, mit Meerrettich, Kartoffen und Rote Bete ist an diesem Tag sehr beliebt.  Das Pfarrheim ist ab 11:30 Uhr nach dem Gottesdienst geöffnet.  „Gerade in der heutigen schnelllebigen Umbruchszeit, sollten wir Traditionen pflegen, wenn auch nur für ein paar Stunden“, schreibt St. Peter und heißt die Gäste herzlich willkommen.

Lieder und Sprüche

Zur Tradition gehörten immer auch Sprüche und Lieder mit welchen die Kerwebuben lautstark auf sich aufmerksam machten.
"Heit isch Kerwe, morga isch Kerwe, bis zum Sunndich owad. Un wenn ih zu meim Schätzle kumm dann sag ich gudda nowad. Zeig mir wo dei Bettle steht ..............".
Oder das mehrstrophige Kerwelied, das so beginnt:  „Bei uns isch heute Kerwe, s´isch immer etwas los, mir lasses uns net verderwa, sunscht isch der Teufel los. Wir feiern unsre Kerwe, grad wie es uns gefällt, und geht auch ein Glas in Scherben, es isch ja unser Geld“.

Autor:

Kirche St. Peter Bauerbach aus Bretten

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